Bergedorf. Die Nager hatten in vier Revieren Nachwuchs. Warum Fraßspuren am Sandbrack die Experten der Loki-Schmidt-Stiftung besonders erfreuen.

Biber sind weiterhin in den Vier- und Marschlanden auf dem Vormarsch: Neun Reviere haben die Nager in Hamburg inzwischen erobert, darunter acht in der ländlichen Gegend Bergedorfs. Im Bezirk leben vermutlich bis zu 40 Biber. Im Januar sind erstmals in diesem Jahr Fraßspuren eines Bibers am Sandbrack in Fünfhausen gesichtet worden. „Seine Burg haben wir noch nicht entdeckt, aber es gab im Laufe des Jahres immer wieder neue Hinweise auf das Tier. Deshalb gehen wir von einem neuen Revier aus“, sagt Frederik Landwehr, Leiter des Biber-Projekts der Loki-Schmidt-Stiftung.

Der Biber am Sandbrack konnte mittlerweile auch mit einer von der Stiftung aufgestellten Wildtierkamera („Fotofalle“) gefilmt werden. Möglicherweise leben dort auch mehrere Tiere, betont Landwehr. Am und im Sandbrack war bereits vor neun Jahren ein Biber beheimatet. Er wurde 2014 tot im Wasser gefunden, war von einem Auto angefahren worden. An der Gose-Elbe wurde vor einem Jahr ein weiteres neues Revier bemerkt. Ob es von einem einzelnen Tier, einem Paar oder einem Familienverband bewohnt wird, ist ebenfalls noch unklar. Landwehr erkennt eine „positive Entwicklung“.

Biber in Hamburg: Das sind ihre Reviere in Bergedorf

Die weiteren Reviere: Neuengammer Durchstich, Insel in der Gose-Elbe (kurz vor der Reitschleuse), Billwerder Insel (Auenlandschaft Norderelbe) in Rothenburgsort. Hinzu kommen vier Reviere, in denen im Frühjahr Nachwuchs geboren worden ist: Neuengammer Stichkanal, Borghorster Elbwiesen, Kiebitzbrack, Hower See (Naturschutzgebiet Kirchwerder Wiesen). Biberspuren fanden sich jüngst auch im Bereich der Dove-Elbe nahe der Krapphofschleuse und der Gose-Elbe nahe der Achterdiekbrücke und an einem Nebenarm der Dove-Elbe am Tatenberger Deich.

Eine Wildtierkamera machte am 1. März 2023 diese Aufnahme von einem ausgewachsenen Biber in dem Revier am Neuengammer Stichkanal. 
Eine Wildtierkamera machte am 1. März 2023 diese Aufnahme von einem ausgewachsenen Biber in dem Revier am Neuengammer Stichkanal.  © Loki Schmidt Stiftung/Frederik Landwehr | Loki Schmidt Stiftung

„Der Spätsommer war feucht, deshalb haben die Biber lange saftige grüne Pflanzen vorgefunden. Wir können deshalb erst seit Kurzem wieder Fraßspuren an den Gehölzen entdecken“, sagt Landwehr. Denn von Baumrinde ernähren sich die Tiere erst in der kalten Jahreszeit. Landwehr und zehn ehrenamtliche Biberrevierbetreuer haben gerade erst mit ihrer jährlichen Spurensuche für das 2011 gestartete Langzeit-Monitoring (wissenschaftliche Bestandserfassung) begonnen.

Auch die von den Bibern gebauten, gut getarnten Burgen sind im Winter leichter zu entdecken: „Biber sind lauffaul. Im Winter ist ihr Aktionsradius nicht weit von der Burg entfernt.“ Dann sammeln die Nagetiere Äste und Schlamm, um ihre Burg zu isolieren. „Im Sommer haben sie dazu kaum Zeit, weil sie sich um ihre Jungtiere kümmern“, sagt Landwehr. In der warmen Jahreszeit würden die Tiere sich auch ein Stück weit Winterspeck anfressen, obwohl sie keinen Winterschlaf halten.

Biber bekommen nur einmal im Jahr Nachwuchs

Im Unterschied zu den invasiven Nutrias, die bis zu dreimal im Jahr bis zu acht Junge zur Welt bringen, bekommen Biber nur einmal im Jahr Junge (bis zu vier). „Sie paaren sich im Januar. Der Nachwuchs wird im Frühjahr geboren“, sagt der Biber-Experte. Die Überlebenschance der Jungtiere liege bei 50:50: Durch Faktoren wie Autoverkehr und Revierstreitigkeiten sterben viele Biber bevor sie drei Jahre alt sind. Natürliche Feinde haben die Tiere in Hamburg dabei nicht.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Stiftung haben die Biberreviere im Blick und halten Ausschau nach Hinweisen auf „Neuzugänge“. Sie sind auch viel mit dem Kanu auf der Dove- und Gose-Elbe unterwegs, berichtet Landwehr. „Die meisten Betreuer kommen aus Bergedorf und sind gut vernetzt“, sagt der 40-Jährige. „Sie wissen, wen man ansprechen muss, etwa wenn es darum geht, dass wir an einem bestimmten Ort Fotofallen aufstellen wollen, oder wenn Fraßschäden angerichtet worden sind.“

Frederik Landwehr (40), Biber-Experte der Loki-Schmidt-Stiftung, stellt Wildtierkameras („Fotofallen“) an einem Nebenarm der Dove-Elbe am Tatenberger Deich auf.
Frederik Landwehr (40), Biber-Experte der Loki-Schmidt-Stiftung, stellt Wildtierkameras („Fotofallen“) an einem Nebenarm der Dove-Elbe am Tatenberger Deich auf. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Das Biber-Projekt der Loki-Schmidt-Stiftung kooperiert mit dem Naturschutzamt in der Umweltbehörde, ist neben der Bestandserfassung auch für Konfliktmanagement zuständig. Denn Konflikte bleiben nicht aus: So wurden vor einigen Jahren von einem Biber am Kiebitzbrack Obstbäume auf einer Privatfläche gefällt. 2021 bediente sich ein Biber am Kirchwerder Hausdeich an der Lebensbaumhecke eines Privatmannes.

Zahl der Biber in den Vier- und Marschlanden wird weiter steigen

Das Projekt wird finanziell von der Stadt Hamburg unterstützt. „Natürlich befinden wir uns auch in einem stetigen Austausch mit dem Bergedorfer Bezirksamt, allein schon, weil sich viele Biberreviere über öffentliche Flächen erstrecken.“

Die Zahl der Biber in den Vier- und Marschlanden werde weiter zunehmen, sagt Landwehr: „Sie sind anpassungsfähig und es ist hier noch weiterer Lebensraum für sie vorhanden.“ Doch ihre Zahl steige langsam: Vor zwölf Jahren gab es fünf Reviere – lediglich vier weniger als heute. Trotzdem werde es mehr Konflikte mit Landwirten und Gartenbauern geben, prophezeit der Projektleiter. „Bisher sind das Ausnahmen, weil sich viele Reviere in Naturschutzgebieten befinden oder an Dove- und Gose-Elbe, wo es überwiegend breite Uferrandstreifen gibt.“ Doch weitere Biber werden sich neue Reviere suchen, die sich näher an landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Flächen befinden, weiß Landwehr. An vielen Gräben sind die Uferrandstreifen weniger natürlich ausgestaltet, sind die Abstände zu Feldern und Äckern klein.

Schäden durch Biber: So können sich Menschen schützen

„Aufgrund der langsamen Entwicklung haben wir aber genug Zeit, um Maßnahmen zu entwickeln.“ So könnten Stromzäune aufgestellt werden, wie es am Kirchwerder Hausdeich passiert ist, um die Lebensbaumhecke zu schützen. „Hilfreich sind auch Kaninchendraht, der um die Baumstämme gewickelt wird, oder Schälschutzmittel, die auf die Baumrinde aufgetragen werden.“ Wer ein Problem mit einem Biber hat, könne sich jederzeit bei den Biber-Experten melden: „Wir kommen vorbei, beraten und bieten Lösungsansätze an.“ Telefon: 040/284099834, E-Mail: biber@loki-schmidt-stiftung.de, Internet: moin-biber.de.

Von einem Biber verursachte Fraßschäden am Ufer eines Nebenarms der Dove-Elbe am Tatenberger Deich.
Von einem Biber verursachte Fraßschäden am Ufer eines Nebenarms der Dove-Elbe am Tatenberger Deich. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Dabei würden relevante Schäden nicht durch das Wegfressen von Gemüse entstehen, sondern durch das Unterhöhlen von Wirtschaftswegen, die Absacken könnten. „Auch in Hamburg wurden schon viele solcher Schäden gemeldet – zum Glück allerdings so rechtzeitig, dass sie problemlos behoben werden konnten.“ Außerdem seien es meist Nutrias, die solche Schäden anrichten, ganz einfach deshalb, weil es von ihnen viel mehr gibt, betont Landwehr.

Jagd auf Nutria gefährde Biber nicht

Die Population der Nutrias werden die Biber nicht erreichen, sagt Landwehr. Andernfalls könnte das problematisch werden: Im Gegensatz zu Nutrias, dürfen die europaweit geschützten Biber nicht bejagt werden – eigentlich. „In Bayern gibt es bis zu 40.000 Biber, von denen jährlich 1000 dank einer Sondergenehmigung geschossen werden“, sagt Landwehr.

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Die Jagd auf Nutrias gefährde Biber nicht, meint Landwehr: „Die Jäger sind gut ausgebildet und schießen nur, wenn sie sicher sind, dass es sich um eine Nutria handelt.“ Viele Nutrias würden zudem in Lebendfallen gefangen: „Geht ein Biber in die Falle, wird er freigelassen.“ Denn auch für einen Laien sind die Tiere gut zu unterscheiden: Die Nutria hat einen runden Schwanz, wie eine Ratte. Der Biber hat hingegen eine platte Kelle. Im Wasser ist das Nutria an seinem Hohlkreuz zu erkennen. „Außerdem haben Nutrias helle Schnurrhaare, Biber hingegen dunkle.“

Waschbär in Hamburg

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    Echte Konkurrenz gebe es unter den verschiedenen Nagerarten nicht: „Die Reviere überschneiden sich, die Tiere leben in friedlicher Koexistenz.“ Dies würden auch die Aufnahmen zahlreicher Fotofallen belegen, auf denen Landwehr und seine Mitstreiter „bis zu zehn große Säugetierarten“ zu sehen bekämen, darunter Waschbären, Dachse, Marder, Füchse und Rehe.