Hamburg. Eigentlich soll Elke Pahl-Weber sich um Hamburgs Innenstadt kümmern. Jetzt warf sie einen Blick nach Osten – und hatte einige Tipps.

Sie ist die große Schwester der Bergedorfer Innenstadt bei ihrer Suche nach Impulsen für die City der Zukunft: Auch Hamburgs Innenstadt braucht dringend Ideen, wie das rasante Geschäftssterben rund um die Binnenalster mit attraktiven Konzepten für die vielen Leerstände in eine neue Anziehungskraft verwandelt werden kann. Kleiner Unterschied: Dort steht Koordinatorin Prof. Elke Pahl-Weber mit 6 Millionen Euro für drei Jahre gut das Siebenfache des Bergedorfer Etats von 850.000 Euro zur Verfügung.

Trotz aller Differenzen zwischen Metropole und Bezirk ist das Kernthema allerdings gleich: „Der Weg zur City der Zukunft bedeutet nichts weniger als eine grundlegende Transformation unserer Innenstädte, weg von der Monostruktur des Einzelhandels“, sagte die renommierte Stadtplanerin, die auf Einladung der Bezirksversammlung jetzt im Bergedorfer Stadtentwicklungsausschuss sprach. Nichts werde in den Innenstädten der Zukunft bleiben wie heute, auch in Hamburgs City, so die Expertin – und es sei keinesfalls sicher, dass der Wandel überhaupt gelinge.

Hamburger Expertin räumt Bergedorf gute Chancen auf City der Zukunft ein

Eine verantwortungsvolle Aufgabe also, die Elke Pahl-Weber mit Büro im ehemaligen Karstadt-Sport-Haus an der Mönckebergstraße für Hamburg koordiniert – und die Julia Staron zusammen mit Tanja Tribian für Bergedorf vom „Plietsch“ im Sachsentor aus in Angriff nehmen. Während das hiesige Duo für Donnerstag, 7. September, ab 18 Uhr zur Vorstellung der ersten Projekte in ihre Räume in der ehemaligen Modefiliale von „Only“ laden, ist man in Hamburg auch nach einem halben Jahr Arbeit noch nicht so weit: „Ich kann noch keine Leitlinien präsentieren“, gestand Pahl-Weber.

Könnte das Alleinstellungsmerkmal der Bergedorfer City der Zukunft werden: Blumen und Gemüse aus den Vier- und Marschlanden.
Könnte das Alleinstellungsmerkmal der Bergedorfer City der Zukunft werden: Blumen und Gemüse aus den Vier- und Marschlanden. © BGZ | Ulf-Peter Busse

Dennoch gab es viele Tipps der Expertin für Bergedorfs City, der sie „gute Chancen für den Transformationsprozess“ einräumte, sofern einige Fallstricke umgangen werden: „Entscheidend ist es, die City der Zukunft gegenüber anderen Innenstädten unverwechselbar zu machen“, sagte Elke Pahl-Weber. „In Bergedorf könnten dafür die Nahrungsmittel und Blumen der Vier- und Marschlande Einzug in die Fußgängerzonen oder ihre direkte Nachbarschaft halten.“

Wichtig ist viel Grün, um das Aufheizen der Innenstadt zu verhindern

Zudem brauche es viel Grün, allein schon um das Aufheizen der Innenstadt zu verhindern: „Ein fürchterliches Problem etwa im vollständig gepflasterten Innenhof des Chile-Hauses. Und das steht zu allem Überfluss auch noch genau so unter Denkmalschutz.“

Stadtentwicklungsexpertin Prof. Elke Pahl-Weber ist Koordinatorin der Entwicklung der Hamburger City der Zukunft.
Stadtentwicklungsexpertin Prof. Elke Pahl-Weber ist Koordinatorin der Entwicklung der Hamburger City der Zukunft. © Petra Lang

Beim Blick auf die Zukunft der ehemaligen Karstadt-Häuser in Bergedorf rät die Hamburgerin dazu, die Stadtentwickler der HafenCity-Universität einzubeziehen: „Wenn die mit ihren Studenten anrücken, sind überraschende Ideen garantiert. Und mit etwas Glück ist eine darunter, die den Funken auf die Eigentümer überspringen lässt“, beschrieb Pahl-Weber ein erstes Erfolgsprojekt in der Hamburger City: „Die Handwerkskammer will mitten im Zentrum das ,Machbarhaus’ eröffnen, wo Schulklassen in einem integrierten ,Mitmachhaus’ dabei helfen, die zukünftige Gestaltung von Handwerksberufen zu entwickeln. Und genau dafür hat sich jetzt der Eigentümer einer leerstehenden Immobilie begeistert.“

Zweifel an Wohnungen in alten Einzelhandelsflächen: Bauvorschriften zu umfangreich

Noch auf der Suche ist die Koordinatorin nach einem Ort für die innovative Produktion von Mode: „Es geht um das Designen und Herstellen von Kleidung für und mit dem 3D-Drucker. Dafür ist ein zentraler Ort von entscheidender Bedeutung, um Aufmerksamkeit zu erzeugen“, beschrieb die Expertin im Ausschuss. Sie sei „überzeugt, dass solche Formen urbaner Produktion ein wichtiger Schlüssel auf dem Weg zur modernen Innenstadt sein werden“.

Bergedorfs Citymanagerinnen Julia Staron (l.) und Tanja Tribian vor dem „Plietsch“, ihrem Sitz an der Fußgängerzone Sachsentor, der ehemaligen Filiale der Modekette „Only“.
Bergedorfs Citymanagerinnen Julia Staron (l.) und Tanja Tribian vor dem „Plietsch“, ihrem Sitz an der Fußgängerzone Sachsentor, der ehemaligen Filiale der Modekette „Only“. © BGZ | Johannes Kramer

Große Probleme sieht Elke Pahl-Weber dagegen beim überall erklärten Ziel, das Wohnen zurück in die Innenstädte zu holen: „Sowas ist fraglos wichtig, um die Fußgängerzonen auch nach Geschäftsschluss zu beleben. Aber es scheitert bei Bestandsimmobilien leider immer wieder an den viel zu komplizierten Bauvorschriften, wenn ehemalige Geschäfts-, Lager oder Produktionsflächen zur Wohnnutzung freigegeben werden sollen.“

„Nur direkter persönlicher Kontakt der Akteure der Innenstadt führt zum Erfolg“

Grundsätzlich sei aber vieles machbar – sofern potenzielle künftige Nutzer direkt mit den Grundeigentümern in Kontakt gebracht werden: „Es geht darum, den gegenseitigen Nutzen zu erkennen. Das geht nicht anonym über Umfragen oder Entwicklungsideen, sondern nur bei direkten Treffen“, sagt Elke Pahl-Weber, die es auch als ihre Hauptaufgabe sieht, diese Schnittmengen zu erkennen und den jeweils passenden persönlichen Kontakt herzustellen. „Im vergangenen halben Jahr habe ich insgesamt 172 Gespräche geführt, um Hamburgs Innenstadtakteure kennenzulernen. Aber das sind bei Weitem noch nicht alle gewesen.“

Bergedorfs Innenstadtkonzept will das Bezirksamt im Oktober vorstellen, kündigte Baudezernent Lars Rosinski nach dem Vortrag von Elke Pahl-Weber im Stadtentwicklungsausschuss an. Sie begrüßte das, wenn auch nur als eine erste Grundlage – und lud die Motoren der Bergedorfer City-Entwicklung dazu ein, einen gemeinsame Arbeitskreis zu bilden: „Beide Innenstädte haben zwar sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen. Aber sie liegen so dicht beieinander, dass wir gut voneinander lernen können.“