Bergedorf. Seit fast drei Jahrzehnten ist Manfred Beiße für das Verwaltungsgebäude in Bergedorf zuständig. Er liebt seine Arbeit – und hat dabei viel erlebt.
Es mögen Hunderte herausgeflogene Sicherungen sein, klemmende Türen, kaputte Lichtschalter oder verstopfte Toiletten. „Ich manage quasi eine kleine Handwerkerfirma“, meint Manfred Beiße und schaut skeptisch auf den hölzernen Ausziehtisch im Spiegelsaal: „Da steht beim parlamentarischen Abend immer das Büfett drauf. Aber jetzt muss ein Tischler ran, immerhin stammt das Ding noch aus der alten Villa von 1880.“
Barocke Möbel und chinesisches Porzellan, beides zierte einst die „Messtorff’sche Villa“, finden sich indes nicht mehr. Aber natürlich kennt Hausmeister Beiße die schöne Historie des denkmalgeschützten Rathauses an der Wentorfer Straße: Es gehörte einst einer reichen Familie aus der Tuchmachergilde, die hier schon 1889 Baupläne für private Anbauten einreichte, zuletzt viele Bergedorfer zu eleganten Konzerten und Bällen einlud. Bis der Kaufmann Richard Messtorff die große Villa samt Park schließlich 1924 an die Stadt verkaufte, für gerade mal 200.000 Goldmark.
Der Hausmeister kennt alle Rathaus-Geheimnisse
Und weil man sich aber auch dafür schon verschulden musste, willigte Bürgermeister Wilhelm Wiesner ein, dass auf eine Klinkerfassade zugunsten des günstigeren Kratzputzes verzichtet wurde. Der Wintergarten und das maurische Zimmer mussten einem Flügelbau als Verwaltungstrakt weichen. Schließlich war es der 13. März 1927, an dem Bergedorfs Rathaus feierlich eingeweiht wurde – samt Wohnung für den Hauswart.
Hinter dem Glockenturm, direkt unter dem Dach, wohnt Manfred Beiße nun mit seiner Familie auf 150 Quadratmetern. Im nächsten Jahr wird das dritte Jahrzehnt voll: „Ich habe hier 1994 angefangen, mit nur 31 Jahren. Das ist schon eine große Verantwortung für solche Millionenwerte“, meint der Vater dreier Kinder. Und er weiß ganz genau: „Job und Privatleben sind nicht zu trennen. Das muss man lieben.“ Keine Frage, dass auch der Nachwuchs gern laut Radio hörte und Partys feierte – aber stets erst, wenn Mutter Beiße, die im Gesundheitsamt arbeitet, die abendliche Rathausrunde beendet hatte: Lichter aus und Fenster zu.
„Das kann nach Ausschüssen auch mal 22 Uhr werden“, sagt der Hausmeister, der wiederum den Frühdienst übernimmt: Schon um 5.30 Uhr schließt er werktags zunächst das 6000 Quadratmeter große Dienstleistungszentrum am Weidenbaumsweg auf: „Da muss ich die Alarmanlage zurücknehmen, bevor die ersten Kollegen um 5.50 Uhr starten.“ Und tatsächlich habe er nicht nur viel im CCB-Neubau zu tun, wenn die Nottüren nicht aufgehen oder wieder mal ein Türknauf locker ist: „Da fehlen Schrauben, wurde viel Murks gemacht.“
Seit dem Jahr 2000 nicht mehr für die Schulen zuständig
Auch die bezirklichen Spielhäuser stehen unter seiner „Fuchtel“, die angemieteten Räume im neuen Körberhaus, das Standesamt, die Elternschule und die Jugendzentren. Da kann es schon mal sein, dass – wie zuletzt im Clippo Boberg – nachts um 3 Uhr ein Anruf kommt, weil der Einbruchalarm ausgelöst wurde. „Ich bin der letzte Hausmeister in unserer Verwaltung, früher waren wir zu dritt. Aber seit 2000 sind wir ja auch nicht mehr für die Schulen zuständig“, sagt der gelernte Schlosser, der zuvor sieben Jahre lang Hausmeister in der Geesthachter Silberbergschule war.
Jetzt hat er es selten mit Graffiti und Kaugummis zu tun. Da kommen eher spontane Hilferufe, wenn der Strom ausfällt oder eine Toilette überläuft. Allein das Rathaus hat neun sanitäre Anlagen, die auch gern mal von Senioren genutzt werden, die eigentlich nur an der Bushaltestelle warten. Dienst nach Vorschrift? Kennt der 59-Jährige nicht.
Selbst sonnabends ist er notfalls erreichbar: „Manchmal braucht dann das Jugendamt eine Akte, weil ein Kind ganz schnell versorgt werden muss. Oder das Einwohnermeldeamt öffnete am Sonnabend für Flüchtlinge. Aber das Amt wird ja gerade zentralisiert, wir fahren sämtliche Akten nach Nord, wo sie zentralisiert werden.“
Bombendrohung, zwei Brände und geklaute Kupferrohre
Immerhin fünf Hausarbeiter stehen ihm zur Seite, einer davon ist fürs Bergedorfer Amtsgericht zuständig, wo sich im Winter sogar mal ein Obdachloser hat einschließen lassen. Und überhaupt passieren gar seltsame Dinge: Da gab es die Bombendrohung und zwei Brände, die geklauten Kupferrohre und die Stöckelschuh-Frau, die sich über vereiste Wege beschwerte, die schnell gestreut wurden.
„Auch musste ich sonnabends mal öffnen, weil jemand einen Braten vergessen hatte oder seine Laufschuhe, die er mit in Urlaub nehmen wollte“, erzählt Manfred Beiße. Heimliche Raucher? Sex im Büro? „Es kommt hier alles vor“, sagt er grinsend – und fügt schnell hinzu: „Ich kenne 99 Prozent der Belegschaft, und es ist ein geniales Arbeitsklima.“
Sein A und O ist der Kalender, in dem nicht nur die Geburtstage der rund 700 Mitarbeiter des Bezirksamts stehen, sondern eben auch alle Termine, damit der Sitzungsraum rechtzeitig für einen Stehempfang umgeräumt werden kann. „Ein fleißiger Bezirksamtsleiter hat viele Veranstaltungen. Wie Christoph Krupp, der an einem Tag hintereinander Bauern, Architekten und Schützen zu Besuch hatte. Das waren zehn Jahre Hochbetrieb, aber Cornelia Schmidt-Hoffmann kann da auch schon ganz gut mithalten“, sagt der Hausmeister, der stets Großbild-Monitore, Verstärker und Pinnwände verschiebt, dafür gern ein Lager hätte.
Wann wird welche Flagge gehisst, der Weihnachtsbaum aufgestellt?
Aber immerhin wurde die alte Garage 2008 abgerissen, hat er jetzt hinter dem Standesamt ein Lager für drei Paletten Klopapier, Granulat, Seifen, Handtücher und Spülmittel. Alle zwei Tage werden die Büros geputzt, täglich das Marmor-Treppenhaus gewischt. „Und am Monatsanfang muss ich die Stundenzettel für die Fremdreinigung schreiben“, erzählt Beiße, bei dem sich viele Zettel im Büro sammeln: Wann wird welche Flagge gehisst, der Weihnachtsbaum aufgestellt, muss der Parkplatz abgesperrt werden für die nächsten Filmaufnahmen für „Morden im Norden“? Zudem brauchen die Touristenführer einen Schlüssel für die Turmbesteigung, fragen Freunde eines bald 30-jährigen Singles, ob er Klinken putzen dürfe.
Das Büro des Hausmeisters befindet sich übrigens in den „Katakomben“, also gleich neben dem Ratskeller, der privat vermietet wird. Und gleich neben den Büros der Katastrophenschützer, die bei Bombenentschärfungen im Einsatz sind „oder bei einer Sturmflut mit der Feuerwehr für Sandsackbarrikaden sorgt“, erklärt Beiße.
Trockenheit versprechen übrigens nur wenige Kellerräume im Rathaus, daher wurde das große Archiv im benachbarten WBZ-Neubau untergebracht. Tausende Ordner lagern im Zentrum für Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt, da werden etwa die „stillgelegten Heizölanlagen im Landgebiet“ gesammelt, die Gebührenbescheide für den Friedhof und die Kehrbezirksüberprüfung. „Wir bringen das kofferweise weg zum Digitalisieren, aber das wird noch Jahre dauern“, ahnt der 59-Jährige.
Sprinkenhof-AG übernimmt die großen Dinge wie Heizung, Fenster, Dach und Leitungen
Er selbst wird auch noch einige Zeit zu tun haben mit der elektronischen Schließanlage, für die er bereits 450 Schlösser verbaut habe: „Aber 200 kommen sicher noch mal dazu, samt Transponder für das Personal. Für die Erweiterung wurden gerade 80.000 Euro genehmigt“, meint der Mann, der sich grinsend „Key-Account-Manager“ nennt.
Außerdem muss er sich um die Wärmeregulierung kümmern: Zwar übernimmt die Sprinkenhof-AG die großen Dinge wie Heizung, Fenster, Dach und Leitungen. Aber „wir tauschen jetzt alle Thermostate wieder aus. Die elektronischen haben nicht funktioniert, denn hinter den Verkleidungen braucht man einen Fernfühler“, erklärt der Fachmann.
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„Manche Kollegen bringen Unmengen an Blumen mit“
Leerlauf jedenfalls komme in seinem vielseitigen Arbeitsalltag nie auf. Denn die Bodeneinläufe auf dem Balkon seien eigentlich immer mal zu reinigen. Und irgendwo in dem riesigen Rathaus, das übrigens seit 2010 auch ein „fledermausfreundliches Haus“ ist, muss sicher eine Leitung unter Putz, eine LED-Leuchte ausgetauscht oder eine Tischplatte repariert werden: „Die lösen sich auf, wenn zu viel gegossen wird. Manche Kollegen bringen ja Unmengen an Blumen mit.“
Das Schönste aber sei, dass er seinen wunderschönen Beruf so sehr liebe: „Es ist herrlich“, meint Manfred Beiße: „Denn hier spielt sich das ganze Leben ab.“