Lichtwark-Heft: Hermann F. Messtorff baute den Spiegelsaal
Wer heute mit offenen Augen durch Bergedorfs Rathaus geht, fühlt sich an vielen Stellen zurückversetzt in eine elegante Vergangenheit. Denn hinter der eher nüchternen Fassade des 1927 eingeweihten Behörden-Baus gibt es viel zu entdecken: Spiegelsaal, Bürgermeisterzimmer und sogar das Treppenhaus im Ostflügel wirken, als ob sie von einem anderen Gebäude stammen.
Tatsächlich stimmt der Eindruck. Diese und weitere Details sind Relikte der "Villa Hohentann", des einst prächtigsten Gebäudes von Bergedorf. Als die Rathaus-Baumeister jene Villa des vermögenden Kaufmanns Hermann Friedrich Messtorff (1854-1915) zu Bergedorfs Verwaltungssitz machten, bewahrten sie ihre architektonischen Schmuckstücke.
Wer nicht allein die Räume auf sich wirken lassen, sondern auch ins Leben des millionenschweren Gummi-Überschuh-Händlers eintauchen will, findet dazu im neuen Lichtwark-Heft (84 Seiten; 6,80 Euro; im Buchhandel) spannende Details. Messtorffs Urenkel Hans-Joachim Brunk (74) gibt Einblicke in das Testament seines Vorfahren.
Mitten in den Wirren des Ersten Weltkriegs hatte der sich daranmachen müssen, seinen Letzten Willen zu verfassen. Darin findet sich für die Zeit viel Ungewöhnliches. So erbten sogar Gärtner, Kutscher und Dienstmädchen mehrere Tausend Goldmark. Dass auch Nachbar Ernst Rose bedacht wurde, liegt an der engen Beziehung der beiden Herren: Gut versteckt vor Bergedorfs Gesellschaft pflegten sie eine Partnerschaft.
Entsprechend blieb Messtorff kinderlos. Allerdings hatte er um 1905 den damals zehnjährigen Richard Fröhlich adoptiert. Ihn setzte er schließlich auch als Haupterben ein, wodurch im Testament eine Auflistung sämtlicher messtorffschen Immobilien überliefert ist. So gehörten ihm neben der "Villa Hohentann" samt umfangreichem Park, der bis hinüber zur August-Bebel-Straße reichte, zahlreiche Gebäude in der Nachbarschaft. Erhalten sind etwa das Gärtnerhaus, in dem heute die Poststelle des Bezirksamts untergebracht ist, und der einstige Sitz der von Messtorff gegründeten Familienstiftung neben dem Zugang zum Rathauspark an der August-Bebel-Straße.
Zu Messtorffs Lebzeiten erstrahlte der Park in üppiger Blütenpracht und verfügte über zahlreiche Marmorstatuen italienischer Künstler. Sie waren Hinweis auf Messtorffs Winterdomizil: Bereits 1890 hatte er sich eine Villa am Lago Maggiore zugelegt. Die blieb seinen Erben übrigens vorenthalten: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie als Teil der deutschen Reparationszahlungen vom italienischen Staat beschlagnahmt und enteignet.