Hamburg. Im neuen Lichtwark-Heft des Kultur- & Geschichtskontors macht Gorch von Blomberg die bewegte, Geschichte des Technik-Denkmals lebendig.
Es ist eine Liebeserklärung an das prominenteste Relikt der Bergedorfer Industriegeschichte: Bootsbaumeister Gorch von Blomberg haucht dem gerade frisch restaurierten Hafenkran am Serrahn eine Seele ein. Im neuen Lichtwark-Heft (8 Euro; 80 Seiten; ISBN 978-3-942998-22-2) des Kultur- & Geschichtskontors macht der Experte für historische Kräne die bewegte, bisher 120-jährige Geschichte des „kleinen Kraftpakets“ lebendig.
„Dieser Kran hat am Serrahn in Bergedorf alle Widrigkeiten überstanden, wie zwei Weltkriege, Korrosion, die Vergrößerung der Schiffe, den Verschluss der Hafenzufahrt durch die viel zu niedrige Brücke der Bergedorfer Straße von 1956, die Deindustrialisierung des Quartiers und seine Modernisierung, die den alten Hafen zum Hinterhof machte“, lobt der Experte das Technik-Denkmal und ist begeistert: „Er hat es geschafft, wird jetzt in Ehren bewahrt und gepflegt. Ein gutes Stück Bergedorf!“
Das Technik-Denkmal schreibt seit seinem ersten Tag Geschichte
Gorch von Blomberg weist nach, dass der kugelrunde Fünf-Tonnen-Kran schon von seinem ersten Tag an Geschichte schrieb. Denn er zählt zu den allerersten Elektrokränen, die jemals in Deutschlands Häfen zum Einsatz kamen: Von der „Düsseldorfer Kranbaugesellschaft Liebe-Harkort m.b.H.“ gebaut, handelt es sich um die Weiterentwicklung eines britischen Systems, das es zwar schon seit 1850 gab, das bis 1902 aber im Handbetrieb lief.
Der Elektromotor machte daraus einen Kraftprotz, der mit fünf Tonnen Hubkraft fast das Doppelte der damals typischen Dampf-Hafenkräne bewegen konnte – und es mit besonderer Zusatztechnik vermutlich sogar auf über zehn Tonnen brachte. Gefahren wurde das Meisterwerk der Ingenieurskunst denkbar einfach: Es gab einen Drehschalter für die Krandrehung und einen für das Heben und Senken der Last. Hinzu kam eine Fußbremse für das Drehwerk und ein Fußhebel für das Lösen der Seilbremse.
Ein Signal an die manchmal hochnäsigen Nachbarn aus Hamburg
Ein Schmuckstück, mit dem die damals noch eigenständige Stadt Bergedorf die erstmals gemauerte Kaistraße ihrer hochmodernen Hafenerweiterung am Serrahn krönte. Es war auch ein Signal an die manchmal etwas hochnäsigen Nachbarn aus Hamburg: Die rasante Industrialisierung seit den 1870er-Jahren hatte Bergedorf nicht nur rasant wachsen lassen, sondern auch selbstbewusst gemacht.
Der neue Kran bekam sofort sehr viel zu tun. Neben Holz, Getreide, Kohle und anderem Schüttgut, das mit Schuten über die Elbe sowie den Schleusengraben von und nach Hamburg bewegt wurde, hob der Kraftprotz Motoren, Maschinen und sogar ganze Barkassen der Bergedorfer Jastram-Werke. Bis 1927 blieb er Einzelkämpfer auf der Kaimauer. Dann erst schaffte die Stadt Bergedorf einen zweiten Kran an. Hergestellt in den Kampnagel-Fabriken in Hamburg konnte der sich auf Schienen bewegen, war also in der Lage, die Schiffe in einem größeren Bereich der Kaimauer zu bedienen.
Seit den frühen 1930er-Jahren gab es am Bergedorfer Hafen sogar drei Kräne
Historische Fotos aus den frühen 1930er-Jahren zeigen sogar noch einen dritten Kran, ebenfalls auf Schienen. Wie Gorch von Blomberg nachweist, war er allerdings nicht im Eigentum der Stadt. Vermutlich gehörte er zu den Stuhlrohrfabriken, die sich damals direkt an die öffentlichen Hafenanlagen anschlossen.
Doch die Blüte des Bergedorfer Hafens sollte da nicht mehr lange anhalten: Durch den Zweiten Weltkrieg wurden die großen Industriebetriebe vom Weltmarkt abgekoppelt, was die Frachtraten auf der Bille deutlich einbrechen ließ. Und auch anschließend kam das wirtschaftliche Herz des nunmehr auf einen Hamburger Verwaltungsbezirk reduzierten Bergedorfs nie mehr richtig in Fahrt.
Der Bau der B 5 versetzt dem Bergedorfer Hafen 1956 den Todesstoß
Das endgültige Aus kam mit dem Bau der B 5 im Jahr 1956. Die neue Hauptstraße wurde nicht nur mitten durch die 300 Jahre alte Bergedorfer Vorstadt geschlagen, sondern auch mit einer so niedrigen Brücke über den Schleusengraben geführt, dass keine Schuten mehr den Hafen erreichen konnten. Für ihren Bau über das ehemalige Gelände der Stuhlrohrfabrik verschwanden auch die beiden Rolldrehkräne. Allein der Elektrokran blieb stehen. Er erhielt noch einen frischen Anstrich, war fortan aber ohne Funktion.
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Dass der alte Kran trotzdem die folgenden 60 Jahre überstanden hat, muss aus heutiger Sicht als Glücksfall gewertet werden: „Es ist schon ein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel Vandalismus am öffentlich zugänglichen Serrahnufer über die Jahrzehnte möglich gewesen wäre“, schreibt Gorch von Blomberg im Lichtwarkheft. Und er hält sogar mehr als die jüngst abgeschlossene Restaurierung für möglich: „Die Technik im Innenraum blieb komplett erhalten, allein die Stromzufuhr war irgendwann abgeklemmt.“
Ob sie je wieder in Gang gesetzt wird, ist bisher allerdings offen: Es fehlen Unterlagen über die 120 Jahre alte Elektrotechnik, weshalb eine neue Betriebsgenehmigung als schwierig gilt. Vor allem aber fehlt ein Betreiber samt einem Nutzungskonzept. Dennoch ist Gorch von Blomberg optimistisch: Würden die beiden Hürden genommen, könnte „zu einem späteren Zeitpunkt eine Wiederinbetriebnahme erfolgen“.