Bergedorf. Cornelia Schmidt-Hoffmann blickt voraus auf 2023. Neben Innenstadt und Oberbillwerder gerät ein weiteres Quartier in den Fokus.
Aufatmen zum Jahreswechsel: Immerhin nicht mit der Sorge um die Hauni wird Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann ins Jahr 2023 starten. Aber sicher wird sie sich noch daran messen lassen müssen, was aus den leer stehenden Karstadthäusern wird. Und ob die Bergedorfer zufrieden sind mit ihren Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Planung von Oberbillwerder. Seit Oktober 2021 ist die 58-Jährige im Amt – ein gutes Jahr also, um inzwischen einen tiefen Einblick in das Geschehen des Bezirks zu erwerben. Was hat sie bislang geschafft? Wo hapert es noch?
Es gelingt Bergedorf nicht, die vom Senat angestrebte Zahl von 800 neuen Wohnungen pro Jahr zu erreichen. 2022 waren es nur 681 Baugenehmigungen, davor 528. Wie kann die Lücke im Jahr 2023 geschlossen werden?
Cornelia Schmidt-Hoffmann: Wir bauen die Wohnungen ja nicht selbst, sondern können nur die Genehmigungen erteilen. Insoweit sind wir darauf angewiesen, dass Bauanträge gestellt werden. Die Bedingungen für die Bauherren sind aber herausfordernd, das wissen wir alle. Es sind nicht alle Investoren – möglicherweise aufgrund der Veränderungen im Markt, im Zinsumfeld und in Bezug auf Lieferengpässe – so schnell mit ihren Anträgen gewesen wie noch im Vorjahr. Wir hoffen aber, dass wir 2023 wieder ein besseres Ergebnis haben werden. Im Weidenstegquartier erwarten wir jetzt zeitnah die Umsetzung. Ab 2024 werden wir zudem noch größere Wohngebiete entwickeln, wie das Stuhlrohrquartier und das Wohnen südlich vom Brookdeich.
Was muss getan werden, damit sich die Bürger von Bergedorf-West nicht abgehängt fühlen angesichts der vielen Ideen für Oberbillwerder?
Ich verstehe, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Bergedorf-West angesichts der Diskussionen zu Oberbillwerder Sorge haben, dass ihr Quartier aus dem Blick gerät. Das ist aber nicht der Fall. Im Fördergebiet der Integrierten Stadtteilentwicklung werden wir alle Chancen nutzen, allem voran das Zentrum neu zu gestalten. 2023 wird ein Gemeinschaftshaus für neue und bestehende soziale Angebote entwickelt. Dem Sport im öffentlichen Raum wird ebenfalls Aufmerksamkeit gewidmet, so soll sich etwa die bezirkliche Sportanlage zu einem multifunktionalen Sport- und Bewegungspark wandeln. Hierzu wird 2023 eine weitere öffentliche Beteiligung stattfinden. Insofern werden die Planungen schon bald anschaulicher werden, sodass hoffentlich auch vor Ort ein wenig Aufbruchstimmung ankommt.
Nicht genügend Kinder können schwimmen lernen: Wie wollen Sie die fehlenden Wasserzeiten im Bezirk ausgleichen?
Wir als Bezirk haben nicht wirklich die Möglichkeit, die fehlende Infrastruktur für den Schwimmunterricht und den Lehrermangel kurzfristig auszugleichen. Das Problem ist aber bekannt. Deshalb setze ich mich mit Kraft für eine Verbesserung der Schwimmbadplanung für Oberbillwerder ein: Wir brauchen auch dort ein Lehrschwimmbecken und professionellen Unterricht. Diese Bedarfe dürfen nicht unter dem reinen Wirtschaftlichkeitsvorbehalt stehen, auch wenn die Herstellung und der Betrieb der Infrastruktur Geld kostet. Wir müssen allen Kindern die Grundfertigkeit des Schwimmens beibringen – sonst wäre das ein gesellschaftlicher Rückschritt, den wir nicht akzeptieren dürfen.
Für den Innovationspark (und damit die Hauni) muss auch den Kleingärtnern am Curslacker Neuen Deich bis Februar 2023 gekündigt werden, da diese lange Kündigungsfristen haben. Dies wiederum ist nur möglich, wenn die Ersatzflächen an der Rothenhauschaussee auch wirklich bereitstehen. Ist der Kündigungstermin zu halten?
Den Kleingärtnern wird nach Erlangen der formellen Planreife des Bebauungsplans gekündigt. Das wird erst Ende 2023 sein. Die Gärten werden nämlich für die Erschließung der ersten Flächen noch nicht benötigt. Insoweit sind wir also im Plan. Und selbstverständlich wird es auch die erforderlichen Ersatzflächen geben. Die Entwicklung des Innovationsparks ist für uns als Bezirksamt herausfordernd, aber gleichwohl freue ich mich sehr, dass es uns gelungen ist, den Standort Bergedorf für die Körber Technologies GmbH (ehemals Hauni) zu halten.
Seit Jahren schon steht die energetische Sanierung des Bergedorfer Rathauses an: Wann ist es endlich soweit?
Das Bezirksamt ist ja nur Mieter des Gebäudes, aber wir sind dazu mit der Eigentümerin Sprinkenhof im guten Austausch und hoffen, dass wir in 2023 wichtige Schritte realisieren können. Gerade in der jetzt herausfordernden Zeit wären wir natürlich gern weiter. Aber wir brauchen auch nachhaltige Lösungen, die ihre Zeit benötigen.
Was kann getan werden, um den großen Ärztemangel im Bezirk aufzufangen?
Ich habe hierzu im vergangenen Jahr mit dem Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung gesprochen. Das Hauptproblem ist der Mangel an Medizinern, die sich niederlassen möchten. Ich denke, wir brauchen hier neue Ideen, um für junge Ärztinnen und Ärzte die Bedingungen für eine Selbstständigkeit zu verbessern. Da hoffe ich tatsächlich, dass es im größeren Rahmen gelingt, veränderte Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Bezirksamt selbst kann dies leider nicht leisten.
… noch ein Kindergarten? Welche Pläne hat das Bezirksamt für den Kurt-Adams-Platz, an dem das Spielhaus geschlossen wurde?
Diese Fläche wurde in der aktuellen Überarbeitung des Wohnungsbauprogramms neu aufgenommen. Sie ist geeignet für eine Wohnbebauung und soziale Infrastruktur, also auch für eine Kita.
Ein großes Thema war zuletzt auch immer wieder der Hochwasserschutz im Bezirk: Wann und wie ist mit einer besseren Entwässerung zu rechnen? Gibt es Maßnahmen gegen ein erneutes Binnenhochwasser?
Das Jahr 2022 hat uns auch in Bergedorf noch einmal gezeigt, wie wichtig Klimafolgenanpassung ist. Sie wirkt für die Menschen direkt vor Ort und muss unbedingte Priorität haben. Wir werden künftig mit Szenarien wie einem Binnenhochwasser zeitgleich mit einem Sturmflutereignis rechnen müssen. Wir brauchen schnellstmöglichst Schöpfwerke zur aktiven, tideunabhängigen Entwässerung der Vier- und Marschlande. Die vorhandenen Schöpfwerke sorgen im Moment nur dafür, dass das Wasser zur Tatenberger Schleuse transportiert wird, wo es nur bei Niedrigwasser in die Elbe fließen kann. Insoweit bin ich froh, dass wir durch das Hochwasser und unsere Erfahrungen aus dem Februar 2022 einen besseren Blick auf die erforderlichen Maßnahmen bekommen haben. Die Bedingungen für einen schnelleren Bau der Schöpfwerke sind nach meinem Eindruck besser geworden, auch wenn sich derart Komplexes natürlich nicht ruckzuck realisieren lässt. Auch die Verbesserung der Krapphoffschleuse ist dringend notwendig, um bei Hochwasser den Schleusengraben besser entlasten zu können. Ich habe jetzt den Eindruck, dass alle an einem Strang ziehen und die zuständigen Stellen wirklich dran sind. Bis aber alles realisiert ist, können wir unsere Erfahrung aus diesem Jahr nutzen: So wissen wir jetzt zum Beispiel besser, wo mobile Hochleistungspumpen wirklich den größten Nutzen erzielen. Dies haben wir mit den vielen Ehrenamtlichen etwa vom THW und den Freiwilligen Feuerwehren gelernt.
Bereits im vergangenen Jahr gefragt: Was soll aus dem HAW-Standort in Lohbrügge werden? Oder bleibt die Hochschule zumindest mit einem Teil ihrer Labore vor Ort? Immerhin platzt die HAW ja an allen vier Standorten aus den Fugen...
Die Raumplanung am künftigen HAW-Standort ist eine Frage, die nur die Hochschule selbst beantworten kann. Der Frage, was am alten Standort passiert, werden wir bewegen, wenn die Hochschule ihre Überlegungen finalisiert hat.
Wie soll die neue Kinder- und Jugendsprechstunde gefestigt werden?
Die Sprechstunden waren aus meiner Sicht ein Erfolg und ich werde sie auch künftig regelmäßig durchführen. Wir werden noch entscheiden, welche Form die erfolgversprechendste ist, um die jungen Menschen bestmöglich zu erreichen. Ich habe auf jeden Fall in den Sprechstunden tolle Kinder und Jugendliche kennengelernt, die sich engagieren und interessieren. Auf ihre Ideen und Gedanken möchte ich daher auch in Zukunft nicht verzichten.
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Was entgegnen Sie Menschen, die Bergedorfs Rathauschefin als „eher unscheinbar“ empfinden: Was waren bislang Ihre größten Erfolge für den Bezirk?
Das ist nicht die Kategorie, die für mich entscheidend ist. Wichtig für mich ist es, etwas zu bewirken und das ist mir in meinem ersten Jahr im Amt ganz gut gelungen. Über den größten Erfolg haben wir schon gesprochen: Bergedorf wird der Standort der Körber Technologies bleiben. Solche Erfolge entstehen nicht durch einen möglichst hohen Glamour-Faktor der Leitung, sondern durch ambitionierte Ziele und gute Zusammenarbeit im Team. Ich bin sehr dankbar darüber, dass ich ein solches Team hier im Bezirksamt habe.
Wie peinlich ist es dem Bezirksamt, dass die Ruine des ehemaligen „Waldschloss“ an der Wentorfer Straße offenbar nicht entfernt werden kann?
Das Bezirksamt hat keine Einflussmöglichkeiten, solange von dem Gebäude keine Gefahren ausgehen. Die Regelungen des Wohnraumschutzgesetzes finden hier keine Anwendung, da die vorherige Nutzung kein Wohnen war. Ich finde es ärgerlich, dass es Eigentümer gibt, die so wenig Verantwortung übernehmen und eine solche Ruine zulassen.
Auch das ehemalige Autohaus Dello am Sander Damm ist ein Schandfleck. Verhandlungen der Schulbehörde über einen Kauf ziehen sich hin. Wie sehen Sie die Chancen für die Entwicklung eines weiteren Schulstandortes dort?
Die private Nutzung wurde aufgegeben, aber sicherlich liegt hier kein Schandfleck vor. Das Bezirksamt geht nach wie vor davon aus, dass im Bereich der Schleusengrabenachse eine Grundschule entstehen kann. Sofern dies nicht auf dem alten Dello-Gelände möglich ist, werden Alternativstandorte zu prüfen sein.