Bergedorf. Nur 40 Prozent der Kinder können nach der 4. Klasse schwimmen. Bergedorfs Politik ist alarmiert. Wie sie das Problem lösen möchte.
Mehr als die Hälfte der Bergedorfer Grundschulabgänger kann nicht schwimmen, obwohl die Kinder das laut Lehrplan eigentlich in Klasse 3 und 4 lernen sollen. „Die Corona-Jahre haben die Quote der Nichtschwimmer in dramatische Höhen geschraubt“, zitierte Boris Schmidt im Sport- und Bildungsausschuss der Bezirksversammlung aus einer Statistik der Universität Hamburg. „Konnten vorher immerhin noch 60 Prozent bei ihrem Wechsel auf die weiterführenden Schulen schwimmen, sind es jetzt nur noch 40 Prozent der Hamburger Fünftklässler.“
Ein Drama, das Bergedorfs Kreiselternratsvorsitzendem Sven Kuvecke große Sorgen macht: „Wir brauchen ganz schnell eine Lösung, vor allem für die beiden verlorenen Pandemie-Jahrgänge“, sagte er. „Aber auch für alle anderen, denn selbst eine Quote von 40 Prozent Nichtschwimmern darf für einen Bezirk mit etlichen Badegewässern nicht der Normalfall sein.“
Drama ums Schulschwimmen: CDU fordert, Bewegungsbäder für Schulen zu öffnen
Tatsächlich wird Bergedorfs Politik sich damit nun noch vor Weihnachten in der Bezirksversammlung befassen. Für die Sitzung am Donnerstag, 15. Dezember (18 Uhr; Rathaus, Wentorfer Straße 38), hat die CDU einen Antrag eingereicht, mit dem die Schwimmausbildung auf ein neues Niveau gehoben werden soll.
Konkret fordern die Christdemokraten das Bezirksamt auf, Hamburgs Schulbehörde und sämtliche Bergedorfer Schulen an einen Tisch zu holen – und zwar mit den Betreibern von Lehrschwimmbecken im Bezirk. Dazu zählen etwa die TSG, verschiedene Senioreneinrichtungen, das Unfallkrankenhaus Boberg und das Begegnungszentrum im Park. Das Ziel: möglichst viele Zeiten für die Wassergewöhnung und Schwimmausbildung der Bergedorfer Dritt- und Viertklässler erschließen.
Im Bille-Bad selbst reicht die Kapazität nicht aus, um neben dem aktuellen Bedarf der 24 Bergedorfer Grundschulen auch noch die Nichtschwimmer nachzuschulen, die bereits in der fünften oder sechsten Klasse sind. Schließlich rechnet Bille-Bad-Betreiber Bäderland standardmäßig mit 36 Schwimmstunden, bis jeder Schüler wenigstens das Seepferdchen besteht und möglichst auch gleich das Jugendschwimmabzeichen in Bronze.
Bäderland plant zusätzliche Schwimmkurse für Fünft- und Sechstklässler
„Die Lage ist so schlimm, dass zuletzt nur ein einziger offener Kursus für die Nichtschwimmer der weiterführenden Schulen angeboten wurde – und der lag mit 14 bis 14.45 Uhr am Freitag auch noch mitten in der Schulzeit“, sagt Elternrat Sven Kuvecke – und wird zumindest in diesem Detail von Bäderland-Sprecher Michel Dietel bestätigt: „Die Nachfrage war trotzdem so groß, dass kein Platz mehr frei blieb. Für das kommende Schulhalbjahr planen wir deshalb neben den Schwimmzeiten für die Grund- und die weiterführenden Schulen gleich mehrere freie Kurse für die Nachholer ein.“ Und die sollen dann auch erst um 15 Uhr beginnen.
Eine zu kleine Dimensionierung des Bille-Bads mag Dietel allerdings nicht erkennen: „Wir können alle obligatorischen Schwimmlernklassen bedienen. Und darüber hinaus auch jene der weiterführenden Schulen, die selbst feste Schwimmzeiten ansetzen.“ Oft erfolgten deren Meldungen aber erst im laufenden Schuljahr, weshalb mancher Wunsch nicht mehr erfüllt werden könne.
Elternratsvorsitzender Sven Kuvecke sieht die Freiwilligkeit skeptisch
„In solchen Fällen greift die dritte Variante“, sagt Michael Dietel. „Die betroffenen Schüler erhalten Gutscheine, mit denen sie sich selbst und kostenfrei bei uns anmelden können.“ Sie landen dann in den Kursen für die Nachholer ab 15 Uhr.
Was gut klingt, ist aus Sicht Sven Kuveckes aber nur die halbe Wahrheit: „Auf diese Weise fallen zu viele Schüler durchs Raster. Das sind die vielen Jugendlichen, bei denen die Eltern keinen Druck machen. Denn wer hat schon Lust, sich freiwillig für ein Jahr noch nach der Schule zum Schwimmenlernen zu verpflichten?“ Insofern sei die angedachte Nutzung der Bewegungsbäder der richtige Weg: „Dann könnte der Schwimmunterricht auch in Klasse fünf und sechs verlässlich an den Schulen vorgesehen werden.“
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Hier tut sich allerdings ein ganz anderer Engpass auf: „Das stellt uns vor große Personalprobleme“, verweist Bäderland-Sprecher Michael Dietel auf die schon jetzt angespannte Situation bei den Schwimmmeistern. Denn sie sind es, die gemäß Vertrag mit der Schulbehörde seit 2006 grundsätzlich den Schwimmunterricht für die Schulen übernehmen. Noch mehr Angebote als bisher könne Bäderland kaum machen, „und nicht zuletzt würde dafür auch das Budget der Behörde nicht ausreichen, das ja maßgeblich für die Angebote der Klassen 3 und 4 kalkuliert ist“.
TSG-Vorsitzender Boris Schmidt hält zumindest die personellen Engpässe für lösbar: „Wir könnten mit unserem für die Schwimmausbildung geschulten Mitarbeitern einspringen. Und sicher wird es auch andere Bergedorfer Unterstützer geben“, setzt er zeitnah auf die Premiere des Runden Tisches Schulschwimmen im Bezirksamt.