Hamburg. Das neue Architekturjahrbuch Hamburg 2024/25 überzeugt mit qualitativen Neubauten und Sanierungen – trotz der Krise am Bau.
Die Krise am Bau ist hinlänglich beschrieben: Die Zahl der neuen Wohnungen fällt, die Baupreise steigen, die Arbeitslosigkeit wächst. Nur eine Institution trotzt der Krise: Das Hamburger Architekturjahrbuch, das seit 1989 jährlich erscheint und damit längst eine wiederkehrende Leistungsschau der Branche in der Stadt ist. Nun ist die Ausgabe 2024/25 der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Zum inzwischen 36. Mal hat Ullrich Schwarz – wieder gemeinsam mit Claas Gefroi – die Bauten des Jahres und die brennenden Themen der Stadtentwicklung diskutiert, abgewogen und ausgesucht. Wer wie der Professor für Architekturtheorie seit 1989 dabei ist, fühlt der Branche den Puls. „Bei der Zahl der Projekte, die eingereicht werden, sehen wir keine Veränderung“, sagt Schwarz. „Aber die Art der Projekte hat sich verändert. Der Schwerpunkt liegt nicht im Neubau, sondern beim Bauen im Bestand.“
Immobilien in Hamburg: Vieles im Architekturjahrbuch dreht sich um Revitalisierung, Umbau und Sanierung
Mehr als 100 Projekte wurden für das Jahrbuch eingereicht, eine Jury hat daraus rund 20 Arbeiten zur Präsentation ausgewählt. So dreht sich vieles im aktuellen Werk um Revitalisierung, Umbau und Sanierung. Zu Recht wird der spektakuläre Umbau der Schwimmoper an der Sechslingspforte durch gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner gefeiert und auf den Titel gehoben: „Man spürt die Lust der Architekten, das Baudenkmal als markanten Ort mit Erinnerungswert zu bewahren“, heißt es im Jahrbuch.
Weitere spektakuläre Umbauten finden Platz, etwa die Sanierung des Rowohlt-Verlagsgebäudes in Reinbek oder die Revitalisieung eines Lagerhauses der Otto Group, in dem nun Loftbüros untergebracht werden. „Das ist ein Paradebeispiel und zeigt, was heute mögich ist“, sagt Schwarz. Vieles, was vor 20 Jahren abgerissen und neu errichtet worden wäre, bekomme heute eine zweite Chance.
Hamburger Architekturjahrbuch: Gelobt wird auch der Neubau des Deutschlandhauses
Gelobt wird auch – obwohl bei Denkmalschützern nicht unumstritten – der Neubau des Deutschlandhauses, das im „Duett“ mit der Finanzbehörde am Gänsemarkt „wieder und weiter klingt, dass die neue Form ihre Geburt aus der alten nicht abstreitet“. Die neue Bahnhofsmission zeigt, wie man „mit viel Liebe und Fingerspitzengefühl karitative Einrichtungen als einladende, schöne Orte in der Stadtgesellschaft“ verankern kann.
Das große Neubauprojekt Ipanema adelt Gert Kähler, weil es der City Nord „einen Hauch Aufbruchstimmung“ verleiht. Zu Recht bekommt das höchste Holzhaus der Republik – das „Roots“ in der HafenCity viel redaktionellen Raum – „ein souveräner Stadtbaustein in diesem an unsouveränen Gebäuden reichen neuen Teil der Stadt“.
Im aktuellen Band stehen der Klimawandel und die Schwammstadt im Mittelpunkt
Wie immer gelingt es der Jahrbuch-Jury, mit ihrer Auswahl zu überraschen, weil sich auf den ersten Blick unspektakuläre Projekte wie ein Lebensmittelmarkt in Eppendorf, ein Holzhaus in Blankenese oder das Bauspielhaus St. Pauli unter die Bauwerke des Jahres mischt.
Seit 1989 darf der Leser das Unerwartete erwarten. „Ich bleibe dabei“, sagt Schwarz, der seit 36 Jahren das Buch für die Hamburgische Architektenkammer herausgibt. „Mir macht es Spaß, und ich kann meine Ideen einbringen.“ Diese Ideen machen die Jahrbücher zeitlos – im „Hamburger Feuilleton“ dreht sich alles um die großen Fragen der Stadtentwicklung und aktuelle Herausforderungen. Im aktuellen Band stehen der Klimawandel und die Schwammstadt im Mittelpunkt. Auf 16 Seiten setzt sich der HCU-Professor Thomas Krüger mit den Folgen des Überseequartiers für die Innenstadt auseinander.
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Architektur: Herausgeber des Jahrbuchs wollen „Debatten anregen“
Krüger beschreibt nicht nur die Irrungen und Wirrungen des Quartiers in der Vergangenheit, sondern auch die Folgen des Einkaufszentrums für die Zukunft. Die nun realisierten 60.000 Quadratmeter Verkaufsfläche würden bald mit den 262.000 Quadratmetern in der Innenstadt konkurrieren. „Der Investor wird im Zweifel hohe Kosten in Kauf nehmen, um Menschen anzulocken und zum wiederholten Besuch anzuregen, damit das Überseequartier wenigstens mittelfristig ein wirtschaftlicher Erfolg wird“, schreibt Krüger. „Demgegenüber wird die bisherige Hamburger Innenstadt „alt“ aussehen – und dies nicht zu Unrecht.“
Spätestens dann dürfte die Debatte um die Zukunft der City Fahrt aufnehmen. „Wir wollen Debatten anregen“, umschreibt Schwarz das Verständnis der Herausgeber. Es ist einer der großen Verdienste, dass das Jahrbuch die Themen von morgen schon heute anspricht, zuletzt die Zukunft des Hafens. Schade ist nur, dass die Politik echte Debatten oft scheut.
Hamburgische Architektenkammer (Hg.): Architektur in Hamburg. Jahrbuch 2024/25. Junius-Verlag, 216 Seiten, 48 Euro.