Hamburg. Ein schrecklicher Unfall reißt den Gastronomen aus dem Leben. Wollenberg hat als Koch so gut wie alles erreicht – aber auch viel verloren.
Hamburg trauert um einen seiner schillerndsten und talentiertesten Gastronomen. Michael Wollenberg starb infolge eines tragischen Unfalls in einem Krankenhaus in der Türkei, wie am Sonnabend bekannt wurde. Besonders in den 90er-Jahren schien dem jungen, aufstrebenden Chef beinahe alles zu gelingen, was er anfasste. Er brachte es in verschiedenen Restaurants der Stadt zu Michelin-Sternen, erlangte internationalen Ruhm und mit dem „Bocuse d’Or Prix de Poisson“ sogar den Titel „Bester Fischkoch der Welt“.
Doch ab den 2000er-Jahren musste er immer wieder Rückschläge hinnehmen, sowohl geschäftlich als auch gesundheitlich. Am Ende schien er sich immer weiter der Gastronomie zu entfremden. Wollenberg wurde 60 Jahre alt.
Michael Wollenberg: Hamburgs Gastronomie trauert um einen ihrer schillerndsten Köche
Die Karriere des jungen Wollenberg begann im berühmten Grandhotel Atlantic an Hamburgs Außenalster, damals wie heute ein beliebter Ort für wichtige Politiker, Adlige, Könige, Künstler und Superstars. Er war 15 Jahre alt, als er in dem Fünfsternehaus als Page anfing. Schnell zeigte sich jedoch, dass seine Qualitäten woanders lagen.
Bereits im Jugendalter nahm er an Kochwettbewerben teil. Er gewann die „Goldene Bratpfanne“ in Hamburg (1983), die Hamburger Jugendmeisterschaft (1984) und im selben Jahr die Deutsche Jugendmeisterschaft in Berlin. In Koblenz wurde er 1985 mit dem Titel „Deutscher Meister der Jungköche“ ausgezeichnet und in Venedig Vizeweltmeister im „Commis Rotisseur“ – Rotisseure sind in Küchenbrigaden für Braten, Pfannengerichte und Frittiertes zuständig. Diese Erfolge sind nur ein Auszug dessen, was Wollenberg erreichte. Jahr um Jahr kamen weitere Titel und Preise hinzu – und 1991 stieg er dann in die Königsklasse der Köche auf.
Starkoch Wollenberg bringt das „Marinas“ in Hamburg zum Raketenstart
Damals, er dürfte 27 Jahre alt gewesen sein, erkochte er sich im Restaurant Amadeus in der „Insel“ am Alsterufer seinen ersten Michelin-Stern. Er war zu der Zeit einer der jüngsten Sterneköche der Bundesrepublik. Seine Karriere bekam durch diese begehrte Auszeichnung einen wahrlichen Schub – und es würde beileibe nicht sein letzter Stern bleiben.
Nicht nur in seinem Handwerk, dem Kochen auf Sterneniveau, erlangte er neue und herausragende Fähigkeiten. Auch als Unternehmer zeigte Wollenberg Fingerspitzengefühl. Dem Marinas im Harburger Hafen verhalf er 1993 zum Raketenstart – und wurde in Lyon als „Bester Fischkoch der Welt“ ausgezeichnet. Den Michelin-Stern erlangte er mit dem Marinas zwei Jahre später, der Umsatz des Lokals stieg auf 6 Millionen D-Mark.
Das Aus des „Wollenberg“: „Sonnyboy zieht sich mit Rückenproblemen zurück“
Zudem übernahm er den Klub „Insel“ und machte daraus das „Wollenberg“. Schon vor seiner Übernahme war die „Insel“ ein Anziehungspunkt für diejenigen, die etwas auf sich hielten. Größen wie Romy Schneider und Harry Belafonte feierten dort in den 60er-Jahren rauschende Feste. Das „Wollenberg“ führte diese Tradition fort. Unter anderem veranstaltete Michael Ammer um die Jahrtausendwende dort seine legendären Partys. Wollenbergs Restaurant galt damals als VIP- und Promi-Location, in dem unter anderen der umstrittene spätere Innensenator Ronald Schill („Richter Gnadenlos“) ein- und ausging. Im Jahr 1999 gelang es Wollenberg, auch hier einen Michelin-Stern zu erkochen, 2001 und 2002 wurde die Auszeichnung verteidigt.
Ein Jahr später dann das plötzliche Aus des Betriebes. Zu dem Entschluss habe nicht zuletzt seine gesundheitliche Verfassung geführt, sagte Wollenberg. Das Abendblatt schrieb: „Der Sonnyboy zieht sich mit Rückenproblemen zurück.“ Nachdem das Marinas 1999 seinen Stern verloren hatte, gab er es 2003 ebenfalls ab.
Kontrastprogramm: Der Hamburger Spitzenkoch findet in Langenhorn ein neues Projekt
Michael Wollenberg war Zeit seines Lebens ein wahres Arbeitstier, manche bezeichneten ihn gar als Workaholic. Mit seinem Charme kam er bei vielen gut an, konnte aber auch anecken. Nach dem Rückschlag nahm er sich eine Pause. Er hatte offenbar genug vom Glamour.
Ein neues Projekt fand Wollenberg im Norden Hamburgs, in Langenhorn. Dort übernahm der einstige VIP-Koch das Wattkorn. Es liegt malerisch in einem denkmalgeschützten Reetdachhaus, weiß getünchter Zaun, riesiger Garten und Terrasse. Das komplette Kontrastprogramm also. Dort setzte er auf regionale Küche und Wildspezialitäten. Der sternedekorierte Promichef hatte nämlich auch diese andere Seite. Er liebte die Natur und kam so auch zur Jagd.
Mehrfach reiste er unter anderem nach Afrika, um dort seinem Hobby nachzukommen. Auf einem Foto in seinem Instagram-Profil posierte er unter anderem mit einem gewaltigen Keiler, den er offenbar erlegt hatte. Seine Jagdhunde Alpha und Ares sind zu sehen und erlegte Hirsche. Eine andere Leidenschaft galt offenbar leistungsstarken Motoren, besonders italienischer Bauart. Zahlreiche Bilder im Netz zeugen von seinem Interesse an Sportwagen von Lamborghini und Maserati. Auch Rennmotorräder schienen es ihm angetan zu haben.
Michael Wollenberg: Der Tod auf dem Weg in den Ruhestand
Nach dem Wattkorn eröffnete er in den 2010er-Jahren das Marlin in Langenhorn und das Lokal Eichenkrug in Volksdorf. Auch in jener Zeit sorgte der Spitzenkoch für Schlagzeilen. Mehrfach musste er sich vor Gericht verantworten. Ein Verfahren wegen Versicherungsbetruges wurde 2019 ohne Auflagen eingestellt. In einem weiteren Prozess am Amtsgericht Barmbek ging es um angeblich nicht sachgerecht gelagerten rohen Fisch. „Ich komme mir vor wie ein Tanzbär, der in die Manege geführt wird“, sagte Wollenberg damals. Außerdem blickte er den Lebensmittelkontrolleur im Gerichtssaal an und schimpfte: „Für solche Menschen stelle ich mich nicht mehr 16 Stunden an den Herd.“
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Die „Schikanen der Behörden“ seien der Grund, weshalb er sich immer weiter aus der Gastronomie zurückzog. In der Corona-Zeit gab er schließlich auch das Marlin und das Eichenkrug auf, das hatte auch wirtschaftliche Gründe. Stattdessen wollte er sich vermehrt auf Immobiliengeschäfte konzentrieren.
Vor Kurzem verkaufte Wollenberg nun auch sein letztes Restaurant. Auf der Insel Zypern wollte er sich zur Ruhe setzen. Unterwegs war er nach Abendblatt-Informationen mit einem Wohnmobil, mit dabei seine zwei Hunde. Bei Istanbul soll es dann zu dem schrecklichen Unfall gekommen sein. Aus Bekanntenkreisen heißt es, dass ein Lkw in sein Reisemobil gerast sei. Schwerstverletzt soll er noch in ein Krankenhaus gebracht worden, dort dann aber verstorben sein.