Rückzug: Der Chef des VIP-Restaurants an der Außenalster zieht sich zurück. Hamburg verliert einen seiner Spitzenköche.

Man kann sie an einer Hand abzählen. Die wirklich bedeutenden Hamburger Köche, die in Jugendjahren durch ihr Weltklasse-Talent aufgefallen sind. Michael Wollenberg (39) ist einer von ihnen. Schon während der Ausbildung im Atlantic-Hotel räumte er Wettbewerbspreise ab. Es folgten Deutsche Meisterschaft der Jungköche, Michelin-Sterne, Auszeichnungen wie "Bester Fischkoch der Welt". Ein Mann mit einem feinen Näschen, wenns um Töpfe, Teller und Pfannen geht. Nach zehn Jahren ist der Höhenflug ins Schlingern geraten: Der Sonnyboy zieht sich mit Rückenproblemen zurück. "Ich bin physisch und psychisch total ausgebrannt", so Wollenberg zum Abendblatt.

Bis zum Jahresende will er noch in dem Restaurant, das seinen Namen trägt, kochen. Doch als Geschäftsführer tritt er dann zurück. Wie es weitergeht, steht in den Sternen.

Aus dem Wollenberg, dem genialen Hamburger Koch, ist das Wollenberg geworden, Hamburgs Gerüchteküche. Rückblick:

Nach der Lehre wird Wollenberg heftig umworben. Allen ist klar: Der Mann wird einen Michelin-Stern erkochen. So ein Stern war damals für ein sechsstelliges D-Mark-Umsatzplus gut. Das Ausnahme-Talent hat mehr zu bieten: Er ist ein Arbeitstier und mit (etwas polterhaftem) Charme ausgestattet.

In der Gourmet-Wüste Harburgs gelingt der Raketenstart: Ab 1993 lockt der Superkoch ins Marinas; zwei Jahre später folgt der Michelin-Stern, der Umsatz liegt bei sechs Millionen Mark. Wollenberg wird zum Star.

Der Star wird vermarktet. Für sechs Millionen Mark entsteht 1998 in der ehemaligen "Insel"-Diskothek am Alsterufer das Wollenberg auf vier Etagen mit zwei Nobel-Restaurants, Bars und Disco. 1999 folgt der Michelin-Stern. Doch die Nase für den guten Geschmack funktioniert nicht immer:

  • 1998 findet die Society seine Spießigkeit nicht spaßig: Wollenberg muss den Krawattenzwang zurücknehmen. Das Wollenberg wird VIP- und Promi-Location. Hamburgs Halbwelt kommt auch gern.
  • 1999 verliert das Marinas (Wollenbergs zweites Standbein) den Michelin-Stern. Wollenberg und Michael Ammer zelebrieren an der Alster einen Party-Tempel mit "Players Night"; der "Focus" erkennt die bundesweit einmalige "Massierung der Partyhühner".
  • 2001: Hamburgs damaliger Innensenator Ronald Schill wird im Wollenberg zum "Partynator".
  • 2002: Die Banken gewähren neue Kredite.
  • 2003 Wollenberg zieht sich aus dem Marinas zurück; setzt Michael Ammer vor die Tür des Wollenbergs. Mit der Renovierung folgt ein neues Konzept der Event-Agentur "Park-Projekte". Alles scheint zu laufen. Auch mit dem Michelin-Stern klappts. Doch der Meisterkoch zieht sich jetzt trotzdem aus dem Wollenberg zurück.

Gestern ließ er sich vom HSV-Arzt Dr. Gerold Schwartz behandeln. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten oft bis morgens um 7 Uhr seien dem 39-Jährigen zu viel geworden. "Ich habe gemerkt, dass es so nicht weitergeht", sagt der geniale Koch. Wollenberg behält seinen Anteil von 30 Prozent, Unternehmer Hagen Rickmann 20 Prozent, Bauinvestor Dieter Becken 20 Prozent und Geschäftsmann Ian K. Karan zehn Prozent. Ein weiterer Hamburger Manager hält die restlichen 20 Prozent.

Gerüchte, nach denen Wollenberg nicht ganz freiwillig ausscheidet, weisen Wollenberg und Becken zurück. Demnächst wollen sich die Gesellschafter zusammensetzen und über die Zukunft des Wollenbergs beraten. Das jetzige Konzept soll weitergeführt werden. Im Dezember will Wollenberg "soweit der Rücken es zulässt" ganz normal im Wollenberg arbeiten.Wer ab Januar die Geschäftsführung übernimmt, ist noch unklar. Fest steht, dass der Koch für zwei Wochen zur Erholung nach Mauritius fliegt. (reba, ari)