Hamburg. Hamburger Senat prognostiziert die Kosten von 86 Bauprojekten. Insbesondere Gebäude der Universität werden viel teurer als erwartet.

Lieferengpässe und Personalmangel als Folgen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine: Das sind Gründe, die der Senat für die explodierenden Kosten und langen Verzögerungen einiger Hamburger Bauprojekte nennt. Etwa jedes dritte größere Vorhaben dürfte deutlich teurer werden als geplant. Das geht aus dem gerade erschienenen Bericht „Bau-Monitoring 2022“ des Senats an die Bürgerschaft hervor. Die CDU macht jedoch auch Planungsfehler für die Misere vor allem bei Großprojekten im Hochschulbau verantwortlich.

Für 13 der 86 im Bericht aufgeführten Bauprojekte und -programme sei mit einer Kostensteigerung von bis zu zehn Prozent zu rechnen. 15 weitere Vorhaben würden die geplanten Kosten vermutlich sogar um mehr als zehn Prozent überschreiten.

Kosten für Bauprojekt in Neumühlen steigen um 74 Prozent

Die höchste prognostizierte Kostensteigerung – nämlich um ganze 74 Prozent – erwartet der Senat für die Kaimauersanierung in Neumühlen. Statt 28 Millionen Euro, die 2021 dafür berechnet wurden, müssten nach aktuellem Stand rund 48,5 Millionen Euro in die Sanierung fließen. Selbst das ist nur eine grobe Hochrechnung, stellt der Senat klar. Denn noch sei nicht einmal abzusehen, wann der Bau beginnen könne.

Deutlich teurer als veranschlagt dürfte auch der Neubau der S-Bahn-Station Ottensen werden. Derzeit kalkuliere der Senat mit 34 Millionen Euro Baukosten. Noch 2018 seien 21 Millionen Euro berechnet worden. Dass die Station jetzt so viel mehr kosten soll, liege unter anderem an Planungsänderungen beim Kabeltiefbau und einer Dammverbreiterung. Der angestrebte Bauablauf habe infolgedessen nicht eingehalten werden können. Schon seit Anfang 2021 verzögern sich die Arbeiten erheblich. Wann in Ottensen endlich S-Bahnen halten können, sei weiterhin unklar.

Apropos Schienenverkehr: „Aufgrund der Lage auf dem Weltmarkt, bedingt durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg“ ist laut Bericht außerdem davon auszugehen, dass der umstrittene Bau der U5 Ost von Bramfeld bis City Nord ziemlich teuer wird. Das Ausmaß realistisch einzuschätzen, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht möglich. Der Senat rechnet derzeit mit Baukosten in Höhe von rund 1,75 Milliarden Euro.

Uni-Bauprojekte laufen schleppend und werden immer kostspieliger

Gleich drei gerade im Bau oder der Sanierung begriffene Gebäude der Universität Hamburg könnten dem Bericht zufolge besonders kostspielig werden. Nachdem die Kosten für die Sanierung des Philosophenturms 2017 auf 67 Millionen Euro geschätzt und im Jahr darauf dafür schon 80 Millionen berechnet wurden, korrigiert der Senat den Preis abermals nach oben. Nach neuesten Erkenntnissen kalkuliere man mit 101 Millionen Euro. Schuld daran seien eine mangelhafte Bausubstanz, coronabedingte Personalausfälle und teures Material, aber auch Denkmalschutzanforderungen. Statt wie geplant im Oktober 2022 soll der Philosophenturm im Juni dieses Jahres vollständig saniert sein.

Universität Hamburg: Diese Zeichnung zeigt, wie das MIN-Forum und der Informatik-Neubau an der Bundesstraße aussehen könnten. Dort entsteht auch eine neue Mensa.
Universität Hamburg: Diese Zeichnung zeigt, wie das MIN-Forum und der Informatik-Neubau an der Bundesstraße aussehen könnten. Dort entsteht auch eine neue Mensa. © BWFG | BWFG

Hohe Kosten verursacht mit prognostizierten 305 Millionen Euro auch das Haus der Erde der Universität. Der Neubau soll zukünftig unter anderem sieben Instituten aus dem Fachbereich Geowissenschaften als Ort der Forschung und der Lehre dienen. Weil der letzte Kostennachtrag aus dem Jahr 2020 bereits bei 297 Millionen Euro gelegen hatte, verzeichnet der Monitoring-Bericht für das Haus der Erde lediglich eine Kostensteigerung von einem Prozent.

Jedoch: Eine Schätzung von 2012 lag noch bei 140 Millionen Euro Baukosten. Demnach hat sich der Preis des Vorhabens tatsächlich mehr als verdoppelt. Als Gründe zählt der Bericht „gravierende Mängel“ in der Planung, vor allem in der Lüftungs- und Kälteplanung, auf. Ende dieses Jahres soll das Haus der Erde endlich fertiggestellt und im Juli 2024 seinem Betreiber übergeben werden.

Kostenexplosion: Scharfe Kritik an den Hamburger Behörden

Den 2011 ursprünglich veranschlagten Kostenrahmen von 100 Millionen Euro sprengt auch die neueste Baukostenprognose für das MIN-Forum der Universität. Der Neubau soll demnach mehr als doppelt so teuer werden und Stand jetzt 206 Millionen Euro kosten. Eine hohe Dynamik am Baumarkt infolge von Pandemie und Krieg sei auch hier Auslöser. Konkret heiße das: Gestörte Lieferketten, eine ex­trem geringe Verfügbarkeit von Material und fehlendes Personal hätten den Bau verzögert und verteuert. Über das fertiggestellte MIN-Forum können sich die Studierenden wohl erst im Laufe des Wintersemesters 2025/26 freuen. Das derzeit angestrebte Bau-Ende sei für den Juni 2025 angesetzt, die Übergabe an den Betreiber für den Januar 2026.

„Die Gebäudesituation der Uni ist in Teilen katastrophal“, kommentiert die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Anke Frieling auf Anfrage des Abendblatts. Nicht wenige Studierende würden etwa während ihres Sechs-Semester-Bachelors nie in den Genuss kommen, in „vernünftigen Gebäuden“ zu studieren. Der Zustand der Räumlichkeiten sei früh bekannt gewesen, dennoch habe sich in den letzten Jahren nur wenig getan.

Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine für die Verzögerungen verantwortlich zu machen hält Frieling für vorgeschoben: „Viele Projekte sind kostenmäßig schon total aus dem Ruder gelaufen, bevor die Baukosten aufgrund der aktuellen Entwicklungen gestiegen sind.“ Stattdessen lägen die Fehler bei der Projektsteuerung „und damit mittelbar bei den Behörden“, sagt sie.

Positivbeispiel: Abbruch des Überseezentrums deutlich günstiger als geplant

Im neuen Bau-Monitoring wird laut der Oppositionspolitikerin die kosten- und zeitplanerische „Abweichung von der Abweichung von der Abweichung“ der Bauprojekte deutlich. „Kostenstabiles Bauen – das ist der Anspruch gewesen, mit dem sie angetreten sind. Und den erfüllen sie nicht“, sagt Frieling.

Doch nicht alle der im Bericht benannten Projekte werden zur Kostenfalle. Ein paar Positivbeispiele gibt es ebenfalls. Deutlich günstiger als veranschlagt soll etwa der Abbruch des Überseezentrums auf dem Kleinen Grasbrook sein. Derzeit kalkuliere die Stadt mit Kosten von 14 Millionen Euro. Noch 2020 sei mit 26 Millionen Euro gerechnet worden. Das Bau-Ende sei für Juni 2024 angesetzt. Exakt so teuer wie 2019 berechnet soll zudem die Sanierung des Bismarck-Denkmals über die Bühne gehen – allerdings mit einem halben Jahr Bauverzug. Witterungsbedingt wurde Bismarcks Facelift nicht wie geplant mit dem Jahr 2022 fertiggestellt. Stattdessen werde die Sanierung des Denkmals voraussichtlich im Sommer abgeschlossen.

Das Bau-Monitoring legt der Senat der Bürgerschaft seit 2012 jährlich vor. Das Papier gibt die veranschlagten und prognostizierten Baukosten aller Vorhaben ab zehn Millionen Euro wieder sowie jene günstigerer Projekte, die aber zum Beispiel aus dem Sanierungsfonds Hamburg 2020 finanziert werden. Der just erschienene Bericht bezieht sich auf den Stichtag 30. September 2022 und führt 86 Projekte und Programme im Umfang von rund 8,37 Milliarden Euro geplanten Kosten auf.