Hamburg. Die neue U-Bahn könnte schneller zum Volkspark führen als gedacht. Die Linke argwöhnt bei der U5: “Der Senat rudert zurück.“

Der Bau der 25 Kilometer langen Strecke der U-Bahnlinie U5 durch Hamburg wirft neue Rätsel auf. Nach dem Abendblatt-Bericht über mögliche Teilabschnitte, die schon vor der Gesamt-Fertigstellung rund um das Jahr 2040 von den führerlosen Zügen befahren werden könnten, zeigt eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Sudmann an den Senat: Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und die Hamburger Hochbahn wollen sich bei dem Milliarden-Projekt ungern in die Karten schauen lassen.

Denn das größte Verkehrsvorhaben der Stadt enthält noch viele Unwägbarkeiten bei den Kosten, dem CO2-Ausstoß während der jahrelangen Bauzeit und der Strecke – ganz abgesehen von den Geheimverhandlungen über die Klagen, die beim Oberverwaltungsgericht liegen.

U5 in Hamburg: Strecke von Hagenbeck zum Volkspark früher fertig?

Hier ist es der Hochbahn bereits gelungen, einige Kläger zu befrieden. Sie hatten ihre Einwände allerdings nur gegen die U5 auf dem Teilabschnitt Ost zwischen Bramfeld und City Nord vorgebracht. Für den großen „Rest“ der Strecke gibt es noch keinen Planfeststellungsbeschluss.

Immerhin ist mit der Senatsantwort jetzt klar, was das Abendblatt bereits bei den U5-Probebohrungen in Lokstedt ans Tageslicht brachte: Es ist möglich, dass ein Teil der U5 schon schnurrt, ehe die 25-Kilometer-Strecke lückenlos verbunden ist. Dazu muss ein Teilabschnitt jedoch an das bestehende U-Bahnnetz angebunden sein, um nicht „auf der grünen Wiese“ Züge hin- und herfahren zu lassen. Hierbei eignet sich offenbar mindestens der Teilabschnitt zwischen dem Volksparkstadion und der Barclays Arena im Volkspark über Stellingen zur U2-Station Hagenbecks Tierpark.

Heike Sudmann (Linke) zur U5 in Hamburg: "Senat rudert zurück"

Der Senat erklärte der Verkehrsexpertin Sudmann: Eine Gleisverbindung zwischen U5 und U2 sei bei Hagenbeck geplant. Das wären gute Nachrichten für Konzertbesucher und HSV-Fans, aber auch für Pendler, die an der S-Bahn Stellingen in eine U-Bahn Richtung Osten umsteigen könnten. Diese „Querverbindungen“ bedienen derzeit nur Busse, die oft im dichten Verkehr stecken bleiben.

Allerdings bemängelt Sudmann, dass der Senat mehr oder minder in Rätseln spreche. So heißt es in der „Vorbemerkung“ der Antwort auf ihre Anfrage: „Der Fahrgastbetrieb auf fertiggestellten Teilabschnitten soll, wie in der Vergangenheit auch bei allen anderen U-Bahn-Linien in Hamburg umgesetzt, so früh wie möglich beginnen.“

U5: Verfehlt Hamburg seine Klimaziele?

Doch bei keinem U-Bahnbau in der Vergangenheit wurden Teilabschnitte eröffnet, die nicht direkt an die bisherigen Endpunkte „anbauten“: So war es etwa bei der U2 Richtung Niendorf oder der U4 Richtung HafenCity. Oder bedeutet die kryptische Aussage, dass Hochbahn und Senat bei der U5 definitiv von zwei Seiten losbauen wollen? Sudmann sagte dem Abendblatt: „Der Senat rudert zurück und kann keine konkreten Angaben zu Teilinbetriebnahmen der U5 machen, die über die Jarrestraße hinausgehen.“

Für die Linken und die U5-Kritiker ist das deshalb ein entscheidender Punkt, weil sie die Berechnungen und Aussagen des rot-grünen Senates zum Beitrag der U5 für den Klimaschutz und die Mobilitätswende anzweifeln. Je früher die neue Strecke steht, desto mehr Menschen steigen auf den ÖPNV um, so das Kalkül. Mit einem CO2-intensiven Bau bis weit in die 2030-er Jahre hinein verfehlt Hamburg jedoch möglicherweise seine Klimaziele. Senat und Hochbahn vertrauen nach eigenen Angaben auf grüne Bautechnologie bei der Beton- und Stahlerzeugung, die es in Teilen allerdings noch nicht gibt.

„Die drei Rentner“ setzen den Senat bei der U5 unter Druck

Sie betrachten den Bau der U5 in Hamburg unter dem Gesichtspunkt der C02-Neutralität: Thomas Philipp, Stefan Knittel und Günter Betz im Hamburger Abendblatt Fotostudio.
Sie betrachten den Bau der U5 in Hamburg unter dem Gesichtspunkt der C02-Neutralität: Thomas Philipp, Stefan Knittel und Günter Betz im Hamburger Abendblatt Fotostudio. © Thorsten Ahlf / Funke Foto Services

Die als „Die drei Rentner“ bekannt gewordenen U5-Kritiker haben in ihrer privaten, aber professionellen Studie dem Bau der U5eine „verheerende Klimabilanz“ bescheinigt – mit den öffentlich zugänglichen Daten und amtlichen Instrumenten der Berechnung. Der Senat hat diese Einschätzung zurückgewiesen. Neben den Linken fordern weitere Stimmen in Hamburg den Bau einer Straßenbahn.

Der Senat bestätigte die Abendblatt-Recherchen zu den laufenden Klagen gegen die U5 auf dem Abschnitt von Bramfeld Richtung Alsterdorf. Es gebe noch sechs Verfahren beim Oberverwaltungsgericht. Ursprünglich habe es neun gegeben, die von „insgesamt 25 klagenden natürlichen und juristischen Personen“ eingereicht worden seien. Über die außergerichtlichen Einigungen schwieg sich der Senat aus.

U5: Was hinter den Klagen steckt

In einer früheren Drucksache zu den U5-Kosten ist davon die Rede, dass man sechs Millionen Euro bereits einpreise, um Grundstücke zu erwerben, die man für den Bau benötige. Anwaltskosten von 650.000 Euro sind ebenfalls genannt. Ob das das Budget für die Streitbeilegung ist? Man weiß es nicht.

Was man weiß: Die Kläger rechnen sich ihre Ansprüche gut durch: Wie viel Geld muss ich für jahrelangen Baulärm vor der Haustür bekommen? Was würde eine Ersatzwohnung kosten? Sinkt der Wert meiner Immobilie, die eigentlich meine Altersvorsorge sein sollte? Die U5 greift nicht nur in öffentliche, sondern auch in private Planungen ein.