Hamburg. Zerstrittene Grünenfraktion sucht nach Abgängen ein neues Mitglied. Die Nr. 1 auf der Nachrückerliste könnte die Koalition gefährden.

Fragt man nach den Ursachen für die Verwerfungen, die es bei den Grünen seit 2019 in manchen Bezirksversammlungen gibt, dann bekommt man von unterschiedlichsten Menschen immer wieder dieselbe Antwort: Die Partei sei zu schnell gewachsen.

Weil die Grünen bei den Bezirksversammlungswahlen im Mai 2019 mit 31,3 Prozent plötzlich zur stärksten Kraft in Hamburgs Bezirken geworden sind, seien auch Menschen für die Partei in die Gremien eingerückt, die damit gar nicht gerechnet hätten – und die darauf auch in keiner Weise vorbereitet gewesen seien.

Ob diese Deutung stimmt oder nicht, klar ist: Nach Fraktionsspaltung und Machtverlust in Mitte, dem Doppelflop bei der Bezirksamtsleiterwahl und dem Bruch von Schwarz-Grün in Eimsbüttel erleben die Grünen derzeit in Wandsbek, wie schwierig es ist, einen so schnell gewachsenen Laden zusammenzuhalten.

Bezirksversammlung: Abgänge sorgen für Probleme

Nach dem Abgang der Abgeordneten Frauke Häger und des ehemaligen Fraktionschefs Oliver Schweim hatte in der vergangenen Woche auch der bisherige Verkehrspolitiker Jan Otto Witt wegen eines Umzugs nach Ahrensburg seinen Austritt aus der Grünenfraktion erklärt.

Während Häger und Schweim als Fraktionslose der Bezirksversammlung weiter angehören, gibt Witt sein Mandat zurück. Damit hängt die Mehrheit der bisher in Wandsbek regierenden rot-grünen Koalition an der Frage, wer für Witt nachrückt – und ob der oder diejenige sich auch wirklich der Grünenfraktion anschließt.

Hintergrund: Nachdem die Grünen-Fraktion wegen der beiden ersten Abgänge bereits von 15 auf 13 Abgeordnete zusammengeschrumpft ist, hat die Koalition aus der SPD mit 16 Abgeordneten und den Grünen nur noch eine denkbar knappe Mehrheit von einer Stimme in der 57-köpfigen Bezirksversammlung. Es kommt nun also alles darauf an, wer nachrückt.

Maria von Trotha als Erste auf der Nachrückerliste

Als Erste auf der Nachrückerliste steht Maria von Trotha, die viele in der Partei gar nicht kennen. Ihr Mann, Clamor von Trotha, soll unzufrieden aus der Partei ausgetreten sein. Auch Maria von Trotha ist nach Angaben aus Grünenkreisen kein Parteimitglied. Sollte sie das Mandat annehmen, sich aber nicht den Grünen anschließen, wäre die Mehrheit für Rot-Grün im Bezirk futsch.

Denkbar ist auch, dass von Trotha das Mandat nicht annimmt, dann wäre als nächster Nachrücker Stefan Fehlauer an der Reihe. Von diesem heißt es, er würde wohl auf jeden Fall in der Grünenfraktion mitarbeiten.

„Da der Wechsel recht unerwartet kam, möchte Frau von Trotha erst mal die Situation bedenken, was voll verständlich ist, da sie bisher nicht aktiv in der Bezirkspolitik tätig war“, sagte Grünenfraktionschefin Julia Chiandone. Von Trotha beantwortete eine Abendblatt-Anfrage dazu nicht.

Der frühere Grünenfraktionschef Oliver Schweim wollte sich zu seinem Austritt nicht äußern. Aus der Partei hieß es, es habe häufiger persönliche Auseinandersetzungen zwischen Schweim und anderen Fraktionsmitgliedern gegeben.

Jan Otto Witt übte Kritik an Wandsbeker Bezirksfraktion

Der zuletzt aus der Fraktion ausgetretene Verkehrspolitiker Jan Otto Witt bleibt zwar Mitglied der Grünen, übte aber Kritik an der Arbeit der Wandsbeker Bezirksfraktion. So monierte er „ein fehlendes Miteinander in der Fraktion, die hohe Fluktuation der Ausschussmitglieder, kaum politische Aktionen oder Debatten“ und seine „fehlende Einbindung bei regionalen Projekten zur Mobilitätswende“.

Die vor längerer Zeit ausgetretene frühere grüne und heutige fraktionslose Bezirksabgeordnete Frauke Häger sprach von einem „historischen Moment“ für die Wandsbeker Politik. „Die rot-grüne Mehrheit könnte kippen, wenn die Nachrückerin ihr Mandat annimmt – es aber nicht für die Bezirksfraktion der Grünen ausübt.“

Bezirksversammlung: Lage bleibt unübersichtlich

Für die Grünenlandeschefin Maryam Blumenthal, die selbst aus Wandsbek kommt, ist die aktuelle Lage Folge einer „Aneinanderreihung unglücklicher Einzelfälle“. Die Grünen hätten kein Grundproblem in Wandsbek. „Ich hoffe schon aus feministischer Sicht, dass Frau von Trotha das Mandat annimmt“, sagte Blumenthal. „Es ist immer gut, wenn engagierte Frauen bei uns mitarbeiten.“

Laut Bezirksamt haben Nachrücker sieben Tage Bedenkzeit, ob sie das Mandat annehmen. Diese Frist beginnt aber erst mit einem offiziellen Schreiben an die betreffende Person. Bisher aber liege der Bezirkswahlleitung die schriftliche Mandatsniederlegung von Jan Otto Witt noch gar nicht vor. Mithin: Es kann wohl noch etwas dauern, bis sich die unübersichtliche Lage in Wandsbek klärt.