Hamburg. Drei Grüne haben ihre Fraktion verlassen – einer rechnet bitterböse mit Partei ab. Als die CDU das ausnutzen will, eskaliert die Lage.
In der Bezirkspolitik läuft es in dieser Wahlperiode für die Grünen nicht wirklich rund. Zuerst zerlegte sich 2019 ihre Bezirksfraktion in Hamburg-Mitte, nachdem die damalige Hamburger Grünen-Chefin und heutige Justizsenatorin Anna Gallina Islamismus-Vorwürfe gegen eigene Abgeordnete erhoben hatte. Ergebnis: Nun sitzen die Rest-Grünen in der Opposition, es regiert eine Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP.
Auch in Eimsbüttel konnten die Grünen ihre Mehrheiten nicht nutzen. Als die mittlerweile nach einem tragischen Fahrradunfall verstorbene Grünenpolitikerin Katja Husen 2019 den SPD-Bezirksamtsleiter Kay Gätgens ablösen sollte, erhielt sie in zwei Wahlgängen nur 25 der 28 Stimmen aus der in Eimsbüttel gebildeten schwarz-grünen Koalition. Ergebnis: Der SPD-Mann blieb im Amt, die schwarz-grüne Koalition zerbrach, und Eimsbüttel wird mit wechselnden Mehrheiten regiert.
Grüne: Jetzt hapert es auch in Wandsbek
Nun brodelt es bei den Grünen auch in Hamburgs größtem Bezirk Wandsbek. Bereits drei der 15 im Jahr 2019 gewählten Grünen-Bezirksabgeordneten haben ihrer Fraktion den Rücken gekehrt – was die rot-grüne Koalition ernsthaft in Gefahr bringen könnte.
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Die bisherige Grünen-Abgeordnete Frauke Häger hatte die Partei bereits vor längerer Zeit verlassen und sitzt als fraktionslose Abgeordnete in der Bezirksversammlung. In der vergangenen Woche trat auch Ex-Grünen-Fraktionschef Oliver Schweim aus der Fraktion aus. Schon mit diesen Abgängen war die Mehrheit von Rot-Grün auf nur noch eine Stimme zusammengeschrumpft.
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In dieser Woche wurde nun bekannt, dass auch der bisherige verkehrspolitische Sprecher Jan Otto Witt seine Fraktion verlässt. In einer Mail begründet Witt dies zwar mit einem Umzug nach Ahrensburg. Zugleich aber übte er scharfe Kritik an seinen Wandsbeker Parteifreunden. Mit seinem Austritt verliere die Grünen-Fraktion „nicht nur ein aktives, vernetztes Mitglied, sondern auch einen der letzten grün denkenden Mandatsträger“, schrieb Witt. „Im Prinzip besteht die rot-grüne Fraktion nur noch aus einer SPD, die keinen Funken eines Helmut Schmidt inne hat, und 13 Farblosen zur Mehrheitsentscheidung.“ Den Grünen fehle es an „Herz, Intelligenz, Durchsetzung, Taktik und Strategie“, so Witts Urteil.
Hintergrund sollen auch Unstimmigkeiten zwischen SPD und Grünen im Bezirk sein, wie man etwa mit dem Rückbau von Straßen umgehen soll. Die Grünen setzen darauf, Autospuren zugunsten von Fußgängern und Radfahrern wegzunehmen. Die SPD ist dabei zurückhaltender. Zuletzt hatte es im Bezirk etwa Debatten über entsprechende Pläne für die Rodigallee in Jenfeld gegeben.
CDU pokert um Posten des Bezirksamtsleiters
Da Witt sein Mandat aufgibt, wird es nun einen Nachrücker von den Wandsbeker Grünen geben – sodass es bei der denkbar knappsten Mehrheit von SPD und Grünen in Wandsbek bleiben dürfte. An diesem Wochenende soll geklärt werden, wer von den möglichen Nachrückern sich bereit erklärt, das Mandat zu übernehmen, hieß es von den Grünen.
Bei der Sitzung der Bezirksversammlung am Donnerstag nutzte die CDU die unübersichtliche Lage, um einen brisanten Antrag einzubringen. Zusätzlich zur Austrittswelle bei den Grünen waren offenbar noch rot-grüne Vertreter erkrankt, sodass es bei der Sitzung keine Mehrheit für Rot-Grün gab. In ihrem Antrag forderte die CDU, die Stelle des Wandsbeker Bezirksamtsleiters auszuschreiben.
Hintergrund: Die Amtszeit von Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) endet Mitte 2023. Dem Vernehmen nach möchte Ritzenhoff bis zur Pensionierung zunächst weitermachen. Aber auch der aktuelle SPD-Fraktionschef Marc Buttler und die Wandsbeker Bürgerschaftsabgeordnete Anja Quast sollen Interesse an dem Job haben.
SPD und Grüne verlassen Sitzung geschlossen
Grundsätzlich kann der Posten durch Wahl in der Bezirksversammlung (und Berufung durch den Senat) besetzt werden. Die Opposition fordert jedoch in der Regel, dass der Posten offiziell ausgeschriebne wird, was auch möglich ist.
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Als die CDU den Antrag einbrachte, die Position diesmal auszuschreiben, und SPD und Grünen klar wurde, dass sie bei dieser Sitzung keine Mehrheit hatten, verließ die Koalition am Donnerstagabend geschlossen die Sitzung. Damit war die Bezirksversammlung nicht mehr beschlussfähig – und nach den gültigen Regularien beendet. Der CDU-Antrag konnte nicht mehr abgestimmt werden.
„Undemokratisch und inakzeptabel“
Die CDU-Fraktionsvorsitzende Natalie Hochheim bezeichnete daraufhin das „Demokratieverständnis von SPD und Grünen in Wandsbek“ als „bemerkenswert“. Demokratie funktioniere für Rot-Grün offenbar nur, wenn es „taktisch in das politische Konzept passt“. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Wolff nannte das Vorgehen von SPD und Grünen „undemokratisch und inakzeptabel“.
SPD und Grüne wiesen die Kritik am Freitag zurück. Sie betonten, dass es seit Corona ein „Pairing“-Abkommen gegeben habe. Dabei bleibt für jeden erkrankten Abgeordneten der Regierungsseite auch einer der Opposition einer Abstimmung fern. Dieses Fairnessabkommen hätte die CDU ohne Ankündigung aufgekündigt.
Dressel schaltet sich ein – „mieser politischer Stil“
„Ich war geschockt über dieses Vorgehen, das geht gar nicht“, sagte Grünen-Fraktionschefin Julia Chiandone dem Abendblatt. Der Wandsbeker SPD-Kreisvorsitzende und Finanzsenator Andreas Dressel warf der CDU „miesen politischen Stil“ vor. Es sei daher gerechtfertigt gewesen, die Sitzung zu verlassen, so Dressel. „So ein durchsichtiges politisches Manöver machen wir nicht mit.“ Die Frage, ob der Bezirksamtsleiter weitermache oder wer ihn ersetze, werde in einem „geordneten Verfahren rechtzeitig geklärt“, so die SPD-Verantwortlichen.
„Auch eine Ein-Stimmen-Koalition wie jetzt kann erfolgreich regieren“, betonte SPD-Bezirksfraktionschef Buttler. Er gehe davon aus, dass der Abwanderungsprozess bei den Grünen nun beendet sei.
Grüne nehmen Vorwürfe in Wandsbek ernst
Die Grünen-Landesvorsitzende Maryam Blumenthal sagte dem Abendblatt zu den Querelen bei den Wandsbeker Grünen: „Natürlich ist es nicht schön, wenn Abgeordnete ihrer Fraktion den Rücken kehren. Das passiert quer durch alle Parteien immer mal wieder: weil es zu unterschiedliche Vorstellungen von der gemeinsamen Arbeit gibt oder weil schlicht jemand umzieht.“
Die Bezirksfraktion Wandsbek nehme „die im Raum stehenden Vorwürfe ernst und beschäftigt sich entsprechend damit“, so Blumenthal. „Das ist gut und richtig. Ich bin zuversichtlich, dass die Fraktion dennoch schnell wieder zur politischen Arbeit zurückkehren kann.“