Hamburg. Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) über seine gescheiterte Abwahl und über die Zusammenarbeit mit Grünen und CDU.
Als das Ergebnis an jenem denkwürdigen 19. Dezember 2019 verkündet wurde, machte er einen Luftsprung und umarmte enge Weggefährten. Denn als CDU und Grüne in Eimsbüttel zum zweiten Mal mit dem Versuch gescheitert waren, mit Katja Husen (Grüne) eine neue Bezirksamtsleiterin zu wählen, war klar, dass Amtsinhaber Kay Gätgens (SPD) seinen Job behalten kann. Mit dem Abendblatt spricht der 57-Jährige erstmals über die Vorgänge und über die künftige Zusammenarbeit im Bezirk.
Herr Gätgens, Hand aufs Herz: Hatten Sie bis kurz vor Weihnachten damit gerechnet, heute noch hier als Bezirksamtsleiter fest im Sattel zu sitzen?
Kay Gätgens Nein, natürlich nicht. Ich hatte mich gedanklich schon verabschiedet von diesem Haus und damit beschäftigt, wie es danach weitergehen wird.
Und was hätten Sie dann gemacht?
Es gab noch keine konkreten Vorstellungen – zum Glück musste ich mich damit ja nicht weiter beschäftigen.
Die Wahl von Frau Husen, die Sie ablösen sollte, war beschlossene Sache, scheiterte aber zweimal. Haben Sie geforscht, was die Gründe dafür waren, dass Grüne und CDU keine Mehrheit zustande brachten?
Nein, danach habe ich nicht geforscht. Für mich war das Ergebnis wichtig. Ich freue mich, dass ich als Bezirksamtsleiter weiterarbeiten kann.
Hatte die neue Mehrheit Ihnen im Vorfeld eigentlich mal persönlich erklärt, dass und warum man Sie abwählen will? Sogar Grünen-Fraktionschef Ali Mir Agha hatte ihnen ja unmittelbar vor der Wahl noch ausdrücklich für Ihre gute Arbeit gedankt ...
In der Sitzung der Bezirksversammlung gab es ja einige Formulierungen, die beweisen sollten, dass die Koalitionsfraktionen kein Vertrauen mehr in mich haben. Aber für mich ist das Thema abgeschlossen. Ich habe Grünen und CDU ein Gesprächsangebot gemacht, das sie auch angenommen haben. Insofern freue ich mich, dass wir uns wieder der konstruktiven Sacharbeit zuwenden.
Sind die Wogen wirklich nach einem Gespräch geglättet oder bleibt da nicht ein Misstrauen?
Die maßgeblichen handelnden Akteure kenne ich lange, zum Teile Jahrzehnte. Da ist ein Vertrauensverhältnis entstanden. In Zusammenhang mit den Aktivitäten der neuen Koalition gab es zwar einige Kratzer in diesem Verhältnis, aber da wir uns so lange kennen, bin ich zuversichtlich, dass wir wieder zueinanderfinden. Das war emotional eine anspruchsvolle Zeit für mich, aber für Grün-Schwarz und die Oppositionsfraktionen ja auch. Jeder muss seine neue Rolle erst lernen – ich auch.
Es gab schon in den Koalitionsverhandlungen und später im Vorfeld der Bezirksamtsleiter-Wahl Kritik vor allem von den Grünen, die SPD erkenne die neuen Realitäten nicht an. Sind Sie dazu bereit?
Ja, das Ergebnis der Bezirkswahlen im Mai ist zu respektieren. Das war ein deutliches Ergebnis und folglich gibt es neue Themen und Schwerpunkte. Ich als Bezirksamtsleiter leite ein Amt mit 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und verstehe mich einerseits als Dienstleister für 260.000 Menschen in Eimsbüttel und andererseits als Dienstleister für die Bezirksversammlung: Die 51 Bezirksabgeordneten sind Seismografen, die Schwingungen in ihren Stadtteilen wahrnehmen und an uns herantragen. Und meine Aufgabe ist es, die Beschlüsse der Bezirksversammlung umzusetzen.
Ihr Dienstherr ist der rot-grüne Senat, in Eimsbüttel haben sie aber Beschlüsse einer grün-schwarzen Bezirksversammlung umzusetzen. Gibt es da nicht ein gewisses Spannungsverhältnis?
Das ist so, aber das sehe ich nicht als Problem. Das galt ja für andere Bezirksamtsleitungen in Hamburg auch schon. Wir sind Profis, das bekommen wir hin.
Ein zentrales Thema ist die Verkehrspolitik. Im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU heißt es: „Der Straßenraum muss als öffentliches Gut neu verteilt und geordnet werden: Dem Umweltverbund steht deutlich mehr Straßenraum zu.“ Inwiefern teilen Sie diese Auffassung?
Es gibt eine maßgebliche Studie „Mobilität in Deutschland“, in der man das Mobilitätsverhalten der letzten zehn Jahre betrachtet hat, auch runtergebrochen auf Eimsbüttel. Die macht deutlich, dass der Anteil der Wege, die im Umweltverbund zurückgelegt werden, also zu Fuß, mit dem Rad und dem ÖPNV, deutlich zugenommen hat und der motorisierte Individualverkehr zurückgegangen ist. Man kann davon ausgehen, dass diese Entwicklung weitergehen wird, und dafür müssen wir die Infrastruktur schaffen. Da machen wir ganz viel, und das werden wir auch weiter machen.
Haben Sie dafür konkrete Beispiele aus Eimsbüttel?
Wir sind in diesem Jahr dabei, die Velorouten auszubauen, an der Niendorfer Straße, Paul-Sorge-Straße sowie an der Schlüterstraße in Rotherbaum. Der zweite Bereich betrifft die Fußgänger. Da haben wir in der Osterstraße sehr gute Verhältnisse geschaffen. Im ÖPNV haben wir es geschafft, dass Eimsbüttel gut durch die neue U 5 angebunden wird, und die AKN in Schnelsen und Eidelstedt wird Mitte der 20er-Jahre zur S-Bahn umgebaut. Dann ist man in 20 Minuten in der Innenstadt. Und: Man muss auch immer bei sich selbst anfangen. Ich bin ja Radfahrer, fahre jede Woche über 100 Kilometer, von zu Hause in Schnelsen zur Arbeit, und auch die Termine in der Stadt mache ich mit dem Fahrrad. Wir sind auch dabei, unseren Kfz-Fuhrpark umzustellen auf E-Mobilität, außerdem haben wir sieben E-Bikes angeschafft. Die werden gut genutzt.
Wird Eimsbüttel in fünf oder in zehn Jahren deutlich weniger Autoverkehr haben?
Ich denke schon. Mir geht es aber nicht darum, Leute zu neuen Verkehrsmitteln zu zwingen, sondern wir müssen attraktive Angebote machen. Und dann müssen wir auch vorbereitet sein, dass die Menschen zunehmend andere Verkehrsmittel nutzen.
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Der Bezirk ist sehr heterogen und reicht von den Villen an der Alster bis zu Großwohnsiedlungen in Stellingen und Schnelsen. Ist Eimsbüttel sozial gespalten?
Nein. Es gibt zwar Unterschiede in der Sozialstruktur in den Stadtteilen. Aber das ist eine gute Mischung, und es ist auch unser Anspruch bei zukünftigen Wohnungsbauvorhaben, dass wir öffentlich geförderten Wohnungsbau auch in den Kerngebietsstadtteilen haben. Wir müssen den ganzen Bezirk im Blick haben.
Ihre Amtszeit endet ja Anfang 2023, also mitten in der Legislaturperiode. Es gibt Forderungen, man sollte die Amtszeit von Bezirksamtsleitern an die Bezirkswahlperiode koppeln. Was halten Sie davon?
Die Frage ist, wie politisch die Bezirksamtsleitungen sein sollen oder ob man sie eher als Verwaltungsspitzen sieht. Wenn ich das Amt an die Legislatur koppele, ist es politischer, weil es dann automatisch durch die neuen Mehrheiten gewählt oder abgewählt wird. So wie jetzt ist die Verknüpfung zur politischen Ausrichtung weniger stark, was ich begrüße. Denn die Aufgabe für mich als Bezirksamtsleiter ist zu sehr großen Teilen mit Verwaltungsdienstleistungen verknüpft, wie zum Beispiel Pässe, Heiraten, Grundsicherung, Baugenehmigungen und saubere Grünflächen. 260.000 Bürger erwarten, dass wir eine anständige Dienstleistung bieten. Das ist mir wichtig.
Dann kann es passieren, dass mitten in der Amtszeit plötzlich eine sehr politische Diskussion um Ihren Job entbrennen kann ...
Ja, das ist so. Wenn man bereit ist, für diesen Job seinen Hut in den Ring zu werfen, muss man damit auch leben. Mir war klar, dass solche Situationen entstehen können.