Hamburg. Weitere Strafanzeige gegen Tierpark-Chef Dirk Albrecht – nun auch wegen Betrugs. Staatsanwaltschaft prüft Anfangsverdacht.

Falls Dirk Albrecht das Friedensangebot ernst meinte, kann er es sich vorerst abschminken. „Ein neues Miteinander“ wolle er schaffen, kündigte der Chef des Tierparks Hagenbeck vor Monaten an – und so den Konflikt beenden, der um seine eigene Person und seinen Führungsstil tobt. Stattdessen eskaliert die Situation auf mehreren Ebenen weiter. Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage, dass nun auch eine Strafanzeige wegen Betrugs gegen Albrecht vorliegt.

Nach Abendblatt-Informationen geht es dabei um angebliche Unregelmäßigkeiten beim Kurzarbeitergeld für Hagenbeck-Beschäftigte in der Corona-Pandemie. Die Staatsanwaltschaft will das nicht kommentieren und keine Details preisgeben. Ob ein Anfangsverdacht vorliege, werde erst noch geprüft. Gegen Albrecht läuft bereits ein Ermittlungsverfahren wegen der Behinderung von Betriebsratsarbeit. Eine weitere Strafanzeige in diesem Zusammenhang befindet sich ebenfalls noch in der Prüfung durch die Staatsanwaltschaft.

Tierpark Hagenbeck: Es kommt zum Streik

Albrecht selbst streitet alle Vorwürfe ab. Die Anträge zum Kurzarbeitergeld in der Pandemie seien von ihm zwar abgezeichnet, aber „nicht bearbeitet“ worden. Auch sei ein Steuerberater eingebunden gewesen. Albrecht sieht sich als Opfer einer Kampagne – von einem Betriebsrat und einer Gewerkschaft, die nicht akzeptieren wollten, dass die Corona-Pandemie auch den Tierpark in finanzielle Schwierigkeiten gebracht habe und „Komfortzonen“ nicht mehr aufrechtzuerhalten seien.

Ein großer Teil der Belegschaft sieht in Al­brecht dagegen einen autoritären Alleinherrscher, der Mitarbeiter offen schikaniere und es unerträglich mache, im traditionsreichen Tierpark zu arbeiten.

Auch abgesehen von Strafanzeigen wird der Widerstand gegen Albrecht sichtbarer. Für diesen Mittwoch hat die Gewerkschaft IG Agrar – Bauen – Umwelt, die inzwischen nach eigenen Angaben eine Mehrheit der Beschäftigten vertritt, erstmalig zum Streik von 10 bis 12 Uhr aufgerufen. Vordergründig geht es um einen Haustarifvertrag, aber auch um ein Kräftemessen.

Klima zwischen Albrecht und Mitarbeitern vergiftet

Bereits im Frühjahr hatten Betriebsrat und Gewerkschaft den Geschäftsführer Albrecht zu Verhandlungen aufgefordert – und in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion auch symbolisch Forderungen an den Tierparkchef übergeben. Sie wollten nicht direkt über höhere Löhne, aber unter anderem über Arbeitszeitregelungen verhandeln – inklusive von Zeitzuschlägen und Weihnachtsgeld. Albrecht behauptete jedoch, es habe gar kein Gesprächsangebot vor der Aktion gegeben. Außerdem sehe er ohnehin „keinen Spielraum“ für Zugeständnisse. Die Gewerkschaft warf Albrecht wiederum eine „einschüchternde Kommunikation“ vor.

Im April hatten Hagenbeck-Mitarbeiter für einen Haustarif demonstriert – morgen wird es deswegen einen Warnstreik geben.
Im April hatten Hagenbeck-Mitarbeiter für einen Haustarif demonstriert – morgen wird es deswegen einen Warnstreik geben. © Luc Hufnagel

Von Annäherung beim Tarifvertrag kann seitdem keine Rede sein – Einigkeit besteht offenbar weiterhin nicht einmal über den Rahmen der Verhandlungen. Albrecht habe mehrere Aufforderungen und Terminvorschläge abgelehnt, so die Gewerkschaft. Der Tierparkchef will nur mit dem Betriebsrat verhandeln – die Gewerkschaft habe gar keine Berechtigung, die Gespräche zu führen. Diese sieht es genau andersherum. Nun müsse man „Überzeugungsarbeit in Form eines Warnstreikes leisten, um den Forderungen der Beschäftigten Gehör zu verschaffen“, heißt es in den Gewerkschaftskreisen.

„Niemand will mit ihm allein im Raum sein“

Der Geschäftsführer sieht die IG Agrar – Bauen – Umwelt tatsächlich als einen Treiber der Eskalation. Gemeinsam mit dem Betriebsrat mache sie gezielt Stimmung gegen ihn, teilweise auch mit Falschbehauptungen. Bereits ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2020 rief Albrecht bei einer gemeinsamen Begehung der Arbeitnehmervertreter die Polizei – mit Verweis auf die damals gültigen Corona-Auflagen. Im Anschluss folgte die erste Strafanzeige gegen Albrecht, weil er Post des Betriebsrates geöffnet und damit das Briefgeheimnis verletzt haben soll. Albrecht hat auch das immer bestritten.

Seine Ankündigungen, auf die Belegschaft zuzugehen und auch Einzelgespräche zu suchen, war von Beschäftigten als Drohung aufgefasst worden. „Niemand will mit ihm allein in einem Raum sein“, hieß es. Auch vor offener Einschüchterung und Herabwürdigung schrecke Al­brecht nicht zurück.

Tierpark Hagenbeck: Mitarbeiter kündigen

Albrecht selbst räumte gegenüber dem Abendblatt ein, ein Vertreter von „straffer Führung“ und „zuweilen dominant“ zu sein – er trete aber niemals unfair auf. Tatsächlich, heißt es auch von Kritikern Al­brechts, habe dieser sich zuletzt freundlicher gezeigt, vor Ort mit angepackt und auch Zugeständnisse gemacht, etwa bei Urlaubstagen für einzelne Beschäftigte. Dies sei aber nur als Resultat des Drucks auf ihn zu verstehen. Albrecht hat jedoch auch Unterstützer im Tierpark.

Der erbitterte Konflikt beschäftigt nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Zivilgerichte. In mehreren Verfahren ging es in den vergangenen Monaten unter anderem um einen angemieteten Sitzungsraum des Betriebsrates, für dessen Kosten der Tierpark durch ein Veto Al­brechts nicht mehr aufkommen wollte. Mehrere langjährige Beschäftigte haben den Tierpark verlassen – einige vor allem wegen Albrecht, wie es aus ihrem Umfeld heißt.

Den ehemaligen Cheftierpfleger Walter Wolters, dessen Kündigung besonders hohe Wellen schlug, ließ Albrecht aber ein Memo unterschreiben, in dem Wolters betonte, interne Spannungen hätten nichts mit einem Abgang zu tun.

Tierpark Hagebeck: Sanierung hat Priorität

Einige Mitarbeiter sehen keinen Ausweg aus dem Konflikt, solange Albrecht im Amt bleibe. Der Geschäftsführer genießt aber die Unterstützung beider Zweige der Hagenbeck-Familie, obwohl diese seit mehr als einem Jahrzehnt verfeindet sind.

Wie das Abendblatt aufgedeckt hatte, ist der Tierpark teilweise marode und eine Sanierung hat für die Familie Priorität. Albrecht sagte im Frühjahr, er habe dem Patriarchen Claus Hagenbeck „versprochen, ihn nicht im Stich zu lassen“ – und denke gar nicht an einen Rückzug.