Hamburg. Dirk Albrecht soll die Arbeit des Betriebsrates behindert und vertrauliche Post geöffnet haben. Der Tierparkchef sieht sich als Opfer.
Die Streitigkeiten im Tierpark Hagenbeck beschäftigen die Justiz: Wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigte, hat sie ein Ermittlungsverfahren gegen den Tierpark-Geschäftsführer Dirk Albrecht eingeleitet. Es gebe einen begründeten Anfangsverdacht, dass Albrecht den Betriebsrat im Tierpark bei seiner Arbeit behindert und das Postgeheimnis verletzt habe. Mitarbeiter hatten schon zuvor von einem „Klima der Angst“ und wiederholten Grenzüberschreitungen gesprochen. Albrecht selbst sieht sich als Opfer einer Verleumdungskampagne, die dem Tierpark schade.
Im März hatte der Betriebsrat eine Strafanzeige gegen Dirk Albrecht erstattet – kurz nachdem ein bereits monatelanger Streit um den Betriebsratsvorsitzenden und langjährigen Giraffenpfleger Thomas Günther vorläufig beigelegt worden war.
Schwere Vorwürfe gegen Hagenbeck-Chef: Staatsanwaltschaft ermittelt
Da Albrecht aber wiederholt vertrauliche Briefe an den Betriebsrat vor der Weitergabe geöffnet habe, sei es alternativlos gewesen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, wie der Regionalleiter Dirk Johne von der zuständigen Gewerkschaft IG Bau sagte. „Dass jetzt Ermittlungen aufgenommen werden, bestärkt unsere Rechtsauffassung“, sagt Johne. Die staatliche Unterstützung bei der Aufklärung der Vorwürfe sei ein „wichtiges Signal“ für alle engagierten Betriebsräte. Bei den Anschuldigungen handele es sich schließlich nicht um eine Kleinigkeit.
Nach Abendblatt-Informationen sprach der Betriebsrat intern auch von konkreten Hinweisen darauf, dass Albrecht im Frühjahr mehrere Briefe an den Betriebsrat eigenhändig geöffnet habe. Dabei habe er sich nicht die Mühe gemacht, sie wieder zuzukleben, um sein Vorgehen zu vertuschen. Einen eigenen Briefkasten habe er den Betriebsräten zuvor untersagt. Dirk Albrecht sprach dagegen davon, dass sich die Anschuldigungen „nach meiner festen Überzeugung als haltlos erweisen“ würden. Er sei enttäuscht und fände es „bedauerlich“, dass der Betriebsrat vor der Strafanzeige nicht das Gespräch mit ihm gesucht habe.
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Staatsanwaltschaft prüft auch Eklat um Begehung
Aus Sicht des Betriebsrates handelt es sich aber bei den möglicherweise geöffneten Briefen nicht um das einzige schwere Vergehen. Bereits in dem vorangegangenen Konflikt um die Kurzarbeitsregelung im Tierpark habe Albrecht wiederholt eklatantes Fehlverhalten begangen. Fast ein Dutzend einzelne Vorwürfe umfasste deshalb die Strafanzeige, die nun in dem Ermittlungsverfahren mündete.
Albrecht soll demnach versucht haben, Sitzungen des Betriebsrates und das Hinzuziehen von externen Beratern zu torpedieren. Im Winter war es unter anderem zu einem Eklat gekommen, als der Betriebsrat eine Begehung des Tierparks durchführen wollte. Albrecht verwies auf die Corona-Regeln und rief damals die Polizei. Auch Einzelgespräche mit Betriebsräten, die Albrecht im Dezember und Januar führte, sorgten für Unruhe im Tierpark. Aus Sicht seiner Kritiker soll Albrecht dabei unangemessen aufgetreten seien, die Betriebsräte unter Druck gesetzt und ihnen mit einer Kündigung gedroht haben.
Betriebsrat wird am Mittwoch neu gewählt
Der Betriebsratschef Thomas Günther, im Tierpark nur „Erbse“ genannt, hatte zwischenzeitlich eine Kündigung erhalten – nachdem sich auch das Arbeitsgericht mit dem Fall befasste, einigten sich jedoch die Konfliktparteien. Beide gaben dabei aber zu verstehen, dass sich keinesfalls die Gegenseite in dem Streit „durchgesetzt“ habe. Aus dem Tierpark ist zudem zu hören, dass danach nur die Methoden bei der Gängelung verfeinert wurden. Am Grundsatzproblem mit der Geschäftsführung habe sich wenig geändert, sie agiere nun nur subtiler.
Hinter den Konflikten steht die Auffassung vieler Mitarbeiter, dass mit dem Tierparkchef Albrecht keine Ruhe bei Hagenbeck einkehren könne. Ihm wurden wiederholt ein autokratischer Führungsstil und jähzornige Ausbrüche vorgeworfen. Albrecht selbst hatte sich gegenüber dem Abenblatt zwar als Anhänger einer „straffen Führung“ bezeichnet – jedoch auch betont, dass Vorfälle böswillig verdreht worden seien, um ihm zu schaden.
Am heutigen Mittwoch steht die Neuwahl des Betriebsrates bei Hagenbeck an, nachdem einige Gremiumsmitglieder ausgeschieden sind oder ihr Mandat entnervt niedergelegt hatten. Die siebenköpfige Arbeitnehmervertretung wird nach wie vor von Thomas Günther angeführt. Er kandidiert erneut für den Vorsitz und hat intern signalisiert, sich weiter gegen die angebliche Gängelung durch die Geschäftsführung wehren zu wollen. Insgesamt stellen sich zehn Mitarbeiter zur Betriebsratswahl. Weder Günther noch Albrecht waren am Dienstag für eine Stellungnahme zu dem nun eingeleiteten Ermittlungsverfahren zu erreichen.
Wissenswertes zum Tierpark Hagenbeck:
- Hagenbecks Tierpark wurde im Mai 1907 eröffnet
- Er liegt im Hamburger Stadtteil Stellingen und umfasst eine Fläche von 19 Hektar
- Im Tierpark gibt es mehr als 1850 Tiere aller Kontinente, darunter eine der größten Elefantenherden Europas
- Alle Bereiche im Tropen-Aquarium und der Rundweg im Tierpark Hagenbeck sind behindertengerecht
- Die Mitnahme von Hunden ist nicht erlaubt
Hagenbeck-Patriarchen halten zu Geschäftsführer
Trotz der bereits lange andauernden Querelen sehen die Eigentümer des Tierparks bislang offenbar keinen Grund, einzugreifen. Der Patriarch Claus Hagenbeck und sein angeheirateter Neffen Joachim Weinlig-Hagenbeck sind seit mehr als zehn Jahren zerstritten – Dirk Albrecht, der als Vertrauter von Claus Hagenbeck gilt, genießt jedoch bislang auch die Unterstützung von Weinlig-Hagenbeck. Aus seiner Sicht ist er grundsätzlich geeignet, den Tierpark in die Zukunft zu führen und auch den Sanierungsstau aufzulösen. Wie das Abendblatt enthüllt hatte, sind viele Anlagen baufällig und Investitionen von mehr als 40 Millionen Euro nötig.
Zuletzt war eine Machbarkeitsstudie für ein neues Giraffengehege in Auftrag gegeben worden. Albrechts Gegner wiesen aber daraufhin, dass sich substanziell nicht viel geändert habe. „Dabei wäre ein Lockdown die perfekte Zeit für Baumaßnahmen, die niemanden stören.“