Trotz geringerer Förderung baut Hamburg die Elektromobilität in der Stadt weiter aus. Der Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA) sieht in der Hansestadt ein bundesweites Vorbild.

Hamburg. Manchmal kommt man nur über Umwege ans Ziel. Vor zwei Jahren hatte sich Hamburg große Chancen darauf ausgerechnet, von der Bundesregierung als Schaufenster für Elektromobilität besonders gefördert zu werden. Die Stadt hob sich mit ihrer Flotte an Wasserstoffbussen sowie dem Einsatz von Elektrofahrzeugen im Straßenverkehr hervor. Als der Bund im April 2012 dann aber seine Entscheidung bekannt gab, kam alles anders.

Die Förderung als Elektromobil-Schaufenster ging an Berlin sowie die drei Bundesländer mit großen Automobilkonzernen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Hamburg ging leer aus. Entsprechend groß war der Katzenjammer an der Elbe.

Aber nur kurz. Sehr schnell wurde die Verärgerung über die Zurückweisung durch eine Trotzreaktion abgelöst: Jetzt erst recht, sagte sich die SPD-Regierung. Heute wird die Stadt von vielen Experten als wahrer Vorreiter in der Elektromobilität angesehen. Und selbst der Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, hat Hamburg kürzlich als Vorbild hingestellt, dem andere nacheifern sollten.

Zahl der Elektromobile soll steigen

Die Gründe für den Erfolg seien vielfältig, sagt Heinrich Klingenberg, Geschäftsführer von HySolutions, der städtischen Gesellschaft zur Förderung innovativer Antriebe in Hamburg. Zwar habe die Hansestadt nicht die mit der Schaufenster-Auszeichnung verbundene Förderung erhalten, sie habe aber aus anderen Fördertöpfen des Bundes Geld bekommen und die Mittel sehr effizient eingesetzt.

Was Hamburg von allen anderen abhebt, ist die große Zahl der Elektromobilen in der Stadt. Rund 1000 rollen derzeit über Hamburgs Straßen, bis Mitte 2016 sollen es knapp 5000 sein. Das sind Größenordnungen, von denen die „Schaufenster“ Berlin und Niedersachsen nur träumen können. Lediglich Baden-Württemberg kommt mit dem Großhersteller Daimler im Hintergrund auf vergleichbare Zahlen.

Maßgeblich für diese Entwicklung war die strategische Entscheidung der Stadt, auf größere Flotten zu setzen und auf den Wirtschaftsverkehr. Besondere Hilfe bekam die Regierung dabei von den beiden großen Wirtschaftsvereinigungen der Stadt, der Handels- und der Handwerkskammer. Diese veranlassten Untersuchungen darüber, wo der Einsatz von batteriebetriebenen Fahrzeugen sich besonders lohnt. Sie sprechen gezielt Firmen an und werben für den Umstieg. Und sie veranstalten Foren, bei denen Betriebe die bereits auf E-Mobile setzen, anderen von ihren Erfahrungen berichten und Tipps geben können.

Ab rund 6500 Kilometer pro Jahr rechnen sich Elektroautos

„Diese konzertierte Unterstützung durch die Kammern ist auch etwas, das Hamburg von andere Regionen abhebt“, sagt Klingenberg. So besucht inzwischen jeder zehnte Schonsteinfeger in der Stadt seine Kunden mit einem Elektromobil, und Pizzaboten fahren ihre Bestellungen mit E-Rollern aus. Aber auch große Firmen haben sich beteiligt. Einige, wie beispielsweise die HHLA, verfügen inzwischen über nennenswerte Flotten von 50 Elektrofahrzeugen oder mehr. Die rund 1000 E-Fahrzeuge auf Hamburgs Straßen gehören fast alle Firmen.

Natürlich ist die Mehrzahl davon über öffentliche oder betriebsinterne Fördermittel teilfinanziert. Laut HySolutions ist die Anschaffung inzwischen aber auch ohne Hilfsmittel wirtschaftlich vertretbar. „Elektroautos sind zwar in der Anschaffung teurer, aber ab rund 6500 Kilometer Fahrleistung pro Jahr rechnet sich das“, sagt Klingenberg.

Deshalb will der Senat nun auch selbst als Vorbild vorangehen. Er hat in dieser Woche einen weitreichenden Beschluss gefasst, der ebenfalls im Bundesgebiet ohne Beispiel ist: Die SPD-Regierung von Bürgermeister Olaf Scholz hat die Beschaffungsrichtlinien für den Fuhrpark aller Behörden und öffentlichen Unternehmen so geändert, dass beim Ersetzen alter Fahrzeugen nur noch in begründeten Ausnahmefällen ein Wagen mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor bestellt werden darf.

Für alle anderen zählt, Elektro hat Vorrang. Und damit den vielen Batteriefahrzeugen nicht plötzlich unterwegs der Saft ausgeht, wird Hamburg die Zahl der öffentlichen Ladepunkte deutlich ausweiten – von derzeit 140 auf 592, verteilt über alle sieben Bezirke.

Busse der Hochbahn als Testlabor

Eine besondere Bedeutung beim Umsteigeprozess auf die Batterie kommt den Bussen im öffentlichen Nahverkehr zu: Die Hochbahn hat vor rund zehn Jahren die Rolle des Testlabors übernommen, an der der Senat seine Strategie zur Elektromobilität ausrichtet. 2003 wurden die ersten Brennstoffzellenbusse im Takt eingesetzt, bei denen Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt wird. Denn auch hier hat Hamburg eine Vorreiterrolle: Vor genau 25 Jahren wurde auf Betreiben der Handelskammer die Wasserstoffgesellschaft gegründet. Bis zu neun Busse mit Brennstoffzellen testete die Stadt.

Vor vier Jahren wurde die zweite Generation dieser Fahrzeuge eingeführt, die wesentlich weniger Brennstoff verbrauchen. Anstatt 22 Kilogramm pro 100 Kilometer waren es nur noch acht Kilogramm. Der Fortschritt dieser Technologie ermutigte den Chef der Hochbahn, Günter Elste, 2010 zu der Ankündigung, ab 2018 nur noch Busse mit Brennstoffzellen anschaffen zu wollen.

Getrieben wurde diese Prognose von der Ankündigung des Automobilherstellers Mercedes, in Kürze seine B-Klasse mit Brennstoffzellenantrieb seriell in Fertigung zu geben. Doch die Brennstoffzelle ist noch nicht so weit. Mercedes hat die Einführung auf 2017 verschoben. Die Brennstoffzellenbusse haben zwar eine große Reichweite und lassen sich schnell betanken. Aber sie sind störanfällig und stehen viel in der Werkstatt.

Neue Modelle sollen eingesetzt werden

Deshalb hat die Hochbahn ihre Strategie geändert. „Wir haben unsere Position vom Beobachter zum Treiber gewechselt“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum. Anstatt komplett auf den Wasserstoffantrieb zu setzen und auf die Ankündigungen der Industrie zu warten, werde die Hochbahn künftig zweigleisig fahren und selbst batteriebetriebene Busse testen. Mitte Dezember wird deshalb im Fahrplan des HVV eine Linie zur Innovationslinie umgestellt: Auf der Linie 109 vom zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) nach Alsterdorf sollen neue E-Busse von Volvo eingesetzt werden.

Diese können zehn Kilometer allein über Batterieversorgung fahren. An den Endhaltestellen müssen sie neu Strom tanken. Daneben testet die Hochbahn E-Busse von Solaris, die eine Brennstoffzelle zuschalten können.

Für den Wirtschafts- und Verkehrssenator Frank Horch ist das Vorantreiben der Elektromobilität alternativlos: „Wir müssen emissionsfreie Antriebe fördern, um die Luftbelastung zur besseren Lebensqualität in Hamburg zu reduzieren“, sagt er.