450.000 Menschen sind täglich im Hauptbahnhof unterwegs – in dichtem Gedränge. Politik fordert Lösung, denn: „Die Reisenden sind genervt“, findet nicht nur Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg (FDP).
St. Georg. Dicht gedrängt stehen die Fahrgäste auf den Bahnsteigen, die Treppen sind verstopft und der Weg zum Zug wird zum Hürdenlauf: Reisende, die am Hamburger Hauptbahnhof ein- oder umsteigen, müssen sich in Geduld üben. Und zwar jeden Tag, insbesondere am frühen Morgen und am späten Nachmittag.
Die Überfüllung ist keine Überraschung, denn täglich sind etwa 450.000 Menschen am Hauptbahnhof unterwegs. Die meisten treffen mit dem Zug ein oder treten ihre Reise mit der Deutschen Bahn an. Aber auch zum Einkaufen oder einfach zum Durchqueren Richtung Innenstadt wird der Hauptbahnhof genutzt. Mit dieser Frequenz ist Hamburg absoluter Spitzenreiter in der Republik. Selbst in der Hauptstadt Berlin wird der Hauptbahnhof geschätzt nur von etwa 300.000 Reisenden pro Tag frequentiert. In der Mainmetropole Frankfurt sind es etwa 350.000, in München rund 385.000.
So recht freuen kann sich die Deutsche Bahn allerdings nicht über den Rekordwert von Hamburg. Denn zu den Hauptverkehrszeiten kommt es zu „Bewegungseinschränkungen“, wie Bahnhofsmanager Markus Hock gegenüber dem Abendblatt eingesteht. Er sagt wörtlich weiter: „Es gibt ein hohes Aufkommen an Fahrgästen, und dadurch ist die freie Geschwindigkeitswahl eingeschränkt. Die Verkehrsdichte erreicht ein spürbares Maß“, so Hock. Weiter beschreibt es Hock so: „Es treten gelegentlich erzwungene Geschwindigkeits- oder Richtungsänderungen durch andere Reisende auf, die ständig beachtet werden müssen. Also man muss zum Beispiel anderen Reisenden ausweichen, die Bahnsteige sind relativ voll und es kann zu Engpässen auf den Treppen kommen.“ Im Klartext: Es herrscht dichtes Gedränge und Geschiebe. Wichtig sei jedoch, sagt Hock, dass die Sicherheit der Reisenden „zu keiner Zeit“ gefährdet sei.
Dass etwas passieren muss, da sind sich der Fahrgastverband Pro Bahn und die Politik einig. So kritisiert Grünen-Verkehrsexperte Till Steffen: „Das große Gedrängel am Hauptbahnhof führt dazu, dass die Bahnnutzung für manche Menschen unattraktiv wird. Vielleicht kann der gesperrte Fußgängertunnel auf der Südseite wieder geöffnet werden und Entlastung bringen. Gleichzeitig brauchen wir aber mehr Querverbindungen, die nicht über den Hauptbahnhof führen.“
Und dann bringt Steffen wieder die Stadtbahn, deren Planungen auf Eis liegen, ins Spiel: „Mit der Stadtbahn könnte in absehbarer Zeit eine Vielzahl von Möglichkeiten entstehen, sich durch die Stadt zu bewegen, ohne durch den Hauptbahnhof zu müssen. So etwa durch die Verbindung zwischen dem Berliner Tor und Wilhelmsburg oder weiter im Norden“, so Steffen. FDP-Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg sagt: „Der Hauptbahnhof ist an der Grenze seiner Belastbarkeit, und die Fahrgäste sind genervt. Deshalb müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden.“ Die wichtigsten seien der Bau der S4 sowie der Bau des Schnellbahnknotens Elbbrücken, damit möglichst viele Fahrgäste den Hauptbahnhof mithilfe der U4 umfahren könnten, so Schinnenburg weiter.
Auch Klaus-Peter Hesse, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sieht Handlungsbedarf: „Der Hauptbahnhof muss dringend erweitert werden. Die Bahn und die Stadt müssen Lösungen präsentieren.“ Für Birger Wolter, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, steht fest: „Der Hauptbahnhof stößt inzwischen an seine Kapazitätsgrenzen.“
Etwa 800 Nah- und Fernverkehrszüge frequentieren den Hauptbahnhof täglich, dazu kommen rund 1200 S-Bahnen. Die Deutsche Bahn und die Stadt müssten nun im Sinne der Kunden sinnvolle Planungen vorlegen, um den immer weiter steigenden Fahrgastansturm zu bewältigen, so Birger Wolter. Die Idee der Bahn, von der Steintorbrücke aus neue Abgänge und Fahrstühle zu den Bahnsteigen zu bauen und vor allem einen Zugang von der Brücke zum Südstieg zu schaffen, unterstützt Oberbaudirektor Jörn Walter: „Das wäre eine sinnvolle Lösung, um die Situation zu entspannen.“ Dafür müsse die Brücke auch für den Individualverkehr gesperrt werden, sagte Walter dem Abendblatt. Eine von der Deutschen Bahn angedachte Überdachung der Steintorbrücke, sieht Walter allerdings skeptisch – „aus Kostengründen“.