Jochen Michalczyk arbeitet seit Kurzem wieder für den Hamburger Versandhändler Otto. Sein Computerwissen ist für den Konzern unverzichtbar.
Hamburg. "Was machst du denn wieder hier?" Dies ist eine der häufigsten Fragen, die Jochen Michalczyk derzeit auf den Fluren des Hamburger Otto-Konzerns zu hören bekommt. Eigentlich ist der 69 Jahre alte Computerexperte nämlich schon seit sechs Jahren im Ruhestand. Doch statt mit einem Kreuzfahrtschiff über die Weltmeere zu schippern oder Radtouren mit der Familie zu machen, vertieft sich der Reinbeker nun wieder in komplizierte Softwareprogramme und die Serverstruktur des weltgrößten Versandhändlers.
Michalczyk ist einer der ersten Pensionäre, die beim neuen Otto-Tochterunternehmen Senior Expert Consultancy angeheuert haben. Mit dieser Firma reagiert der Konzern auf den sich immer stärker abzeichnenden demografischen Wandel und dem damit verbundenen Fachkräftemangel. Weil Nachwuchsakademiker, Fachleute und Hochqualifizierte fehlen, sollen nun die Rentner wieder ran.
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50 bis 60 Pensionäre will der Konzern in diesem Jahr einsetzen, potenziell kann er auf rund 1000 Kräfte im Alter zwischen 65 und 75 Jahren zurückgreifen. Verglichen mit den weltweit rund 53 000 Beschäftigten der Gruppe ist das zwar kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch in vielen Fällen geht es dem Vorstand auch darum, das sehr spezifische Fachwissen der Pensionäre weiterhin für den Konzern nutzen zu können. Zudem soll das Projekt zu einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Jung und Alt im Unternehmen beitragen.
"Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine Fachkenntnisse bei Otto noch gefragt sind", sagt Michalczyk. Der IT-Experte hat die gesamte Computerarchitektur bei Otto seit Ende der 60er-Jahre mitaufgebaut und verfügt somit über intime Kenntnisse älterer Systeme, die im kommenden Jahr von neuen Rechnern abgelöst werden sollen. "Ich helfe den jüngeren Kollegen bei der reibungslosen Umstellung", sagt der 69-Jährige. "Sie haben mich sehr freundlich aufgenommen und stellen viele Fragen." Auf der anderen Seite benötige auch er einige Zeit, um sich in die Funktionsweise der neuen Systeme hineinzufinden.
Zwei Tage in der Woche ist Michalczyk jetzt wieder für Otto im Einsatz, insgesamt ist sein Engagement auf ein Jahr befristet. Sein Verdienst orientiert sich an dem Gehalt, das er zuletzt im Konzern verdiente. "Das ist ein netter zusätzlicher Verdienst zu meiner Rente, aber ich mache die Arbeit hauptsächlich, weil sie mir Spaß macht", sagt der Pensionär.
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Andere Konzerne haben bereits ausgesprochen gute Erfahrungen mit der Reaktivierung ihrer ehemaligen Mitarbeiter gemacht. So hat sich Otto das Modell der Pensionärsfirma beim Stuttgarter Maschinenbauer und Autozulieferer Bosch abgeschaut, bei dem es schon seit 1999 die Bosch Management Support GmbH (BMS) gibt. Einst mit 30 ehemaligen Beschäftigten angefangen, befinden sich in der Datenbank heute rund 1500 Physiker, Ingenieure oder Meister. 600 von ihnen sind aktuell rund um den Globus im Einsatz. "Im Vergleich zu externen Experten können sich die ehemaligen Boschler viel schneller in Probleme einarbeiten, weil sie schon die Strukturen in unserem Unternehmen kennen", sagt BMS-Geschäftsführer Alfred Odendahl.
Jochen Michalczyk kann den beruflichen Wiedereinstieg jedenfalls uneingeschränkt weiterempfehlen. "Meine Freunde sind mächtig beeindruckt, dass ich jetzt wieder im Einsatz bin", sagt er. Nur mit seiner Enkelin hat der Pensionär einen neuen Besuchstag ausmachen müssen. Sie muss sich erst noch daran gewöhnen, dass Opa nun nicht mehr rund um die Uhr zur Verfügung steht.