Behörde sucht für Hans-Peter W. eine Bleibe in Schleswig-Holstein. Weiterer Sicherungsverwahrter vor der Entlassung.
Niendorf. Der zurzeit in Niendorf untergebrachte ehemalige Sicherungsverwahrte Hans-Peter W. , 53, kann möglicherweise eine neue Heimat in Neustadt/Holstein finden. Offenbar verhandeln die Behörden mit einer dortigen psychiatrischen Klinik über den Umzug des Mannes, der wegen mehrerer Sexualstraftaten mehr als 30 Jahre in Haft saß und weiterhin als gefährlich eingestuft wird. Zurzeit wohnt W. in einem bewachten Haus in Niendorf. Insgesamt 24 Polizeibeamte beobachten im Schichtbetrieb jeden seiner Schritte. W. hat seinen Plan, in Hamburg heimisch werden zu wollen, inzwischen offenbar fallen gelassen. Dem ARD-Magazin "Panorama" sagte der 53-Jährige, dass er Verständnis dafür habe, wenn Menschen Angst vor ihm hätten. "Da kann man nichts machen", so W.
Zugleich weist er weit von sich, dass weiterhin eine Gefahr von ihm ausgehe. W. zu "Panorama: "Die Menschen müssen mich einfach kennenlernen, denn ich bereue meine Tat. Das habe ich schon nach zwei Jahren Haft getan. Ich habe 30 Jahre Zeit gehabt, darüber nachzudenken." Jetzt wolle er nur noch seine Ruhe haben. Die könnte er möglicherweise schon in weniger als zwei Wochen in Neustadt finden. Eine Entscheidung über den Ort, in dessen Richtung W. Niendorf verlassen wird, ist indes noch nicht gefallen, wie Senatssprecherin Kristin Breuer betont. Breuer: "Wir führen Verhandlungen mit mehreren Einrichtungen, um die geeignete Unterkunft herauszufinden."
Mittelfristig wird das Problem der entlassenen Sicherungsverwahrten Hamburg noch intensiver beschäftigen als bisher. Denn insgesamt sind infolge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte allein in der Hansestadt 17 Männer zu entlassen. Voraussichtlich Ende dieses Jahres wird Bernd O. (Name geändert) freikommen. O. sitzt seit 26 Jahren ununterbrochen im Gefängnis.
+++Warndatei soll in Zukunft vor rückfälligen Sexualstraftätern schützen +++
Mitte Dezember soll, sofern die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zustimmt, der 60-Jährige entlassen werden. Sein Anwalt Ernst Medecke kritisiert: "Mein Mandant wird einfach nicht ausreichend auf die Freiheit vorbereitet." Das Gericht hatte Bernd O. 1993 einen "Hang zu Straftaten" und eine "anhaltende Gefährlichkeit" attestiert. Der heute 60-Jährige hatte zwei Menschen erwürgt: 1984 einen Mann in einem Hotel in St. Georg, 1989 einen Rentner. Nach Verbüßen der Freiheitsstrafe sitzt er seit dem 26. Dezember 2000 als Sicherungsverwahrter in der sozialtherapeutischen Anstalt ein.
Bernd O. ist die Welt, in die er bald entlassen wird, nicht vertraut. Er hat nicht gelernt, ein Handy, einen Computer oder einen Fahrkartenautomaten zu bedienen. Den Alltag in Freiheit zu bewältigen ist zurzeit seine größte Herausforderung. Medecke kritisiert, dass das Strafvollzugsamt zu wenig genehmigt, um ihm ein "Leben da draußen" zu ermöglichen. "Mein Mandant möchte nur eins: umfassend auf seine Entlassung und den Alltag vorbereitet werden", sagt Medecke. Nicht einmal der Antrag des 60 Jahre alten Sicherungsverwahrten auf Mitarbeit in einer Außenkolonne sei genehmigt worden. "Er würde gern draußen mithelfen, zum Beispiel den Rasen mähen - dann könnte er beweisen, dass er nicht bei der ersten Gelegenheit abhaut", sagt Medecke.
Noch völlig ungeklärt ist auch, wo Bernd O. unterkommen soll. Nach Angaben der Justizbehörde, die sich zum Fall Bernd O. mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht nicht äußern will, ist die Akquise geeigneter, betreuter Wohneinrichtungen eines der zentralen Probleme bei der Entlassungsvorbereitung von Sicherungsverwahrten. Das gilt auch für Bernd O. "Bisher ist noch immer keine gefunden worden", sagt Medecke.
Immerhin hat der Anwalt durchgesetzt, dass Bernd O. in Begleitung von Justizbeamten außerhalb der Gefängnismauern spazieren gehen darf. Das reiche jedoch nicht aus, um seinen Mandanten auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. "Er muss jeden Tag raus und in den Alltag." Er hoffe, dass Bernd O. nach einem Eilantrag in den Genuss weiterer Lockerungen komme. So sei vorstellbar, dass er und nicht ein Justizbediensteter den Mann auf seinen Spaziergängen begleitete, sagt Medecke. Oder dass sein Mandant sogar allein das Gefängnis verlässt.
Der Schritt in die Freiheit dürfte aber buchstäblich kein Spaziergang werden: Schon jetzt, sagt Medecke, werde er von einigen Medienvertretern regelrecht belagert. "Es wird meinem Mandanten Geld geboten, falls er sich beim Ausgang filmen lässt", sagt Medecke. Solche Offerten weise er regelmäßig strikt zurück.