Bürgermeister Olaf Scholz spricht von “Zeit der Aufklärung“. Auf dem Friedhof Kirchdorf hat das Mädchen nun ihre letzte Ruhe gefunden.

Hamburg. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat als Reaktion auf den Tod der elfjährigen Chantal umfassende Konsequenzen angekündigt. Die Innenrevision werde „in absehbarer Zeit“ Ergebnisse ihrer Untersuchung vorlegen, sagte er der Zeitung „Die Welt“ (Mittwochsausgabe). „Jetzt ist die Zeit der Aufklärung, und es ist die Zeit, Konsequenzen für das künftige Handeln der Stadt zu ziehen, damit sich so etwas Schreckliches nicht wieder ereignen kann“, betonte Scholz. Es gebe eine formale und eine politische Verantwortung.

Der Tod des Mädchens hatte eine neue Debatte über die Arbeit im Jugendamt Hamburg-Mitte ausgelöst. Denn bereits vor drei Jahren war im Zuständigkeitsbereich der Behörde die neun Monate alte Lara Mia gestorben. Das stark abgemagerte Mädchen war 2009 tot in einer Wohnung gefunden worden. Die Leiterin des Jugendamtes des Bezirks Hamburg-Mitte, Pia Wolters, wurde inzwischen von ihren Aufgaben entbunden. Auch Bezirksamtsleiter Markus Schreiber steht in der Kritik.

Bezirksamtschef Schreiber muss sich immer wieder korrigieren

Jugendamt ignorierte Hinweis von Lehrerin

Der frühere SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer sagte am Montagabend im „Hamburg Journal“ des NDR Fernsehens, dass es gravierende Probleme im gesamten Jugendhilfesystem der Stadt gebe. Das müsse geprüft werden. Böwer schlug eine Enquete-Kommission in der Hamburgischen Bürgerschaft vor. Das Parlament beschäftigt sich am Mittwoch mit dem Fall Chantal.

Gut drei Wochen nach dem Tod des Mädchens hat die Familie am Dienstag Abschied genommen. Chantal wurde in einem weißen Sarg mit einem rot-weißen Blumengesteck auf dem Friedhof an der Kreuzkirche im Stadtteil Kirchdorf beigesetzt. Die Trauerfeier fand im kleinen privaten Kreis statt. Am Morgen hatten Nachbarn und Freunde vor dem Haus in Hamburg-Wilhelmsburg, in dem Chantal bei ihren Pflegeeltern gelebt hatte, Blumen, Briefe und Teddybären niedergelegt und Kerzen angezündet.

Das Mädchen war in einer Pflegefamilie untergebracht worden, in der beide Eltern die Ersatzdroge Methadon zum Heroin-Entzug erhielten. Nach einem vorläufigen Obduktionsergebnis war Chantal am 16. Januar nach der Einnahme des Mittels gestorben. Mit dem abschließenden Ergebnis des Instituts für Rechtsmedizin rechnet die Staatsanwaltschaft Mitte Februar. Für weitere Untersuchungen seien Gewebeproben von der Leiche des Mädchens genommen worden, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.

Gegen die Pflegeeltern und den leiblichen Vater des Mädchens besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung. Die Ergebnisse der Blut- und Haarproben von Chantals Pflegeeltern sollen zunächst nicht veröffentlicht werden. Ferner hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen das Jugendamt und den freien Träger Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE) eingeleitet.

Ihre letzte Ruhe hat Chantal nun in der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Raphael Kreuzkirche Kirchdorf gefunden. Die Kreuzkirche, ein roter Backsteinbau, war bis 1895 die einzige Kirche auf der Elbinsel Wilhelmsburg und ist nach wie vor die älteste Kirche des Stadtteils. Chantals Grab befindet sich am Rand des kleinen Friedhofs an der Kirche – inmitten eines Viertels aus Mietshäusern und Einfamilienhäusern.

Bereits kurz nach dem Tod der Elfjährigen hatte Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) erste Konsequenzen gezogen und neue Regelungen für die Vermittlung von Kindern und minderjährigen Jugendlichen in Pflegefamilien angeordnet. Bevor die zuständigen Bezirke eine geeignete Pflegefamilie auswählen können, müssen angehende Pflegeeltern und alle Hausangehörigen künftig nicht nur ein Führungszeugnis, sondern auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen. (dapd/abendblatt.de)