Nach der tödlichen Methadon-Vergiftung der elfjährigen Chantal drängt der familienpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Fraktion, Christoph de Vries, auf einen unabhängigen Sonderermittler aus der Sozialbehörde und fordert, dem Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) die Zuständigkeit für das Jugendamt zu entziehen.
Schreiber sei Teil des Problems und könne daher nicht unbefangen zur Aufklärung der Umstände beitragen, so die Begründung. Forderungen, die auf den ersten Blick rein parteipolitisch motiviert zu sein scheinen. In Teilen ist die Forderung sogar schon erfüllt. Denn gestern haben Innenrevisoren aus der Finanzbehörde sowie Beamte aus der Sozialbehörde mit der Akteneinsicht und der Mitarbeiterbefragung in Mitte begonnen.
Die Forderung ist inhaltlich durchaus sinnvoll, sie müsste aber ausgeweitet werden. Besser geeignet als Behördenmitarbeiter wäre etwa jemand, der nicht den Hauch einer Abhängigkeit vom Dienstherrn hat. Warum zum Beispiel nicht ein pensionierter Familienrichter an der Spitze der Aufklärung? Käme der am Ende zu einem entlastenden Ergebnis, hätte das für Schreiber einen entscheidenden Vorteil: Dem unabhängig gefällten Urteil könnte man keine parteipolitische Einfärbung nachsagen.
Auffällig ist, dass Christoph de Vries nicht offen den Rücktritt Schreibers fordert, sondern lediglich die Beschneidung von dessen Kompetenzen. Das ist in sich nicht konsequent. Die Abgabe der Zuständigkeit für das Jugendamt wäre nur dann zwingend, wenn Schreiber tatsächlich Verfehlungen im Amt nachzuweisen wären. In diesem Fall aber müsste der Bezirksamtsleiter nicht nur das Jugendamt aufgeben, sondern zurücktreten.
So weit ist es aber noch lange nicht. Offen ist auch, ob es überhaupt dazu kommt, wenngleich Schreibers Rückhalt in den Reihen der Sozialdemokraten nicht mehr sehr groß ist - und immer weiter schrumpft.
De facto üben derzeit Sozialsenator Detlef Scheele und Finanzsenator Peter Tschentscher (beide SPD) mit ihrer Eingreiftruppe die Oberaufsicht über die Arbeit des Jugendamts im Bezirk Mitte aus.