Kinderhilfe-Chef Georg Ehrmann erhebt Vorwürfe gegen Hamburger Politik
Hamburg. Die deutsche Kinderhilfe fordert eine Evaluierungspflicht für die Maßnahmen der freien Träger der Jugendhilfe. "Es bedarf eines Bundesgesetzes, das klare Vorgaben und einheitliche Standards für die Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und den freien Trägern festlegt", sagt Georg Ehrmann, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. Bislang obliegt es nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz den kommunalen Jugendämtern, ob und inwieweit sie die Arbeit der freien Jugendhilfeträger kontrollieren.
"Die Hamburger Politik hätte diese Vorgaben machen können und, wie sich jetzt gezeigt hat, sogar machen müssen." Nach dem Tod des dramatisch unterernährten Babys Lara-Mia habe sich in Hamburg die Praxis, freien Trägern weitgehend freie Hand zu lassen, einmal mehr als "fatal" erwiesen. "In diesem Bereich der Jugendhilfe gibt es bundesweit keine einheitlich geregelte Qualitätskontrolle - das ist erschreckend", sagt Ehrmann. "Lara-Mia und Chantal sind zwei exemplarische Fälle für das Scheitern des Jugendhilfesystems, in Hamburg wie in Deutschland insgesamt." Hamburg habe wie auch andere Städte ein "Strukturproblem." So sträubten sich die freien Träger etwa, eine elektronische Fallakte einzuführen, in der alle Vorgänge in den von ihnen betreuten Fällen dokumentiert werden. "Dann heißt es aus dieser Ecke oftmals: Wir brauchen keine Standards, keine Vorschriften, wir regeln dies fachlich und eigenverantwortlich." Dass es auch anders geht, zeige das Beispiel München: Dort habe sich das Evaluierungsprogramm Moses bewährt.
Im Fall Chantal hatte der Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE) Chantals Pflegefamilie betreut und mit dem Jugendamt kooperiert. Mit den freien Trägern müssten klare Vereinbarungen getroffen und diese müssten dann auch überprüft werden, so Ehrmann. Häufig hätten die freien Träger jedoch kein Interesse, sich bei ihrer Arbeit in die Karten schauen zu lassen. "Sie stehen in harter Konkurrenz untereinander, sind wirtschaftlich davon abhängig, neue Fälle vom Jugendamt zu bekommen. Die Neigung, ein Scheitern einzugestehen, ist deshalb nicht allzu hoch ausgeprägt." Sieben Milliarden Euro fließen bundesweit jährlich über die Leistungen aus den "Hilfen zur Erziehung" an freie Träger. Für jeden Fall erhalten sie eine Pauschale - ohne Kontrolle der Träger ließe sich nicht feststellen, ob und in welchem Umfang diese ihren Betreuungsaufgaben nachkommen. Ehrmann: "Gibt es keine konsequente Qualitätssicherung und Evaluation von Hilfsmaßnahmen, besteht das Risiko, dass diese aus wirtschaftlichen Erwägungen verlängert werden."