Für Prof. Dr. Ingrid Gogolin ist das Ergebnis der PISA-Studie eindeutig: “Es zeigt sich einmal mehr, dass Länder mit geringem Migrationsanteil wie...
Hamburg. Für Prof. Dr. Ingrid Gogolin ist das Ergebnis der PISA-Studie eindeutig: "Es zeigt sich einmal mehr, dass Länder mit geringem Migrationsanteil wie beispielsweise Bayern und Baden-Württemberg auch geringere Probleme haben als die Stadtstaaten Hamburg und Bremen", sagt die Hochschullehrerin, die an der Universität Hamburg "International Vergleichende und Interkulturelle Erziehungswissenschaft" lehrt. In Hamburg müsse man sich viel größeren Herausforderungen stellen, um Leistungsunterschiede zwischen Schülern aus deutsch ansässigen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund auszugleichen.
Die Forschung hat bereits darauf reagiert und am Fachbereich Erziehungswissenschaften den Schwerpunkt "Umgang mit sprachlicher, sozialer und kultureller Heterogenität" eingerichtet. Seit 2000 lernen angehende Lehrkräfte in theoretischen und praktischen Seminaren, wie sie Schüler mit Migrationshintergrund im Unterricht unterstützen und fördern. Das Lernen unter zweisprachigen Bedingungen ist ebenso Thema, wie familiäre Bedingungen der Migration kennenzulernen. Wie finde ich heraus, was ein Schüler bereits kann? Was können Lehrer zur Sprachförderung beitragen? Was leisten Familien bei der Bildung ihrer Kinder? Wie können Schulen mit Eltern und Migrationsvereinen zusammenarbeiten? "Hamburg hat in diesem Feld den größten Bedarf in Deutschland", sagt die Professorin, die Mitte der 80er-Jahre über Migration an Schulen promovierte und sich seit über 20 Jahren mit dem Thema beschäftigt. In Hamburg dürfe man heute keinen Lehrer mehr ohne diese spezielle Ausbildung in die Praxis entlassen. Schließlich stamme fast jeder zweite Schüler mittlerweile aus einer Familie mit Migrationshintergrund. Hamburgs hohen Anteil an jungen Migranten bezeichnet die Professorin als typisch für eine Metropole. Daher hält sie den Ländervergleich, wie in der PISA-Studie vorgenommen, für wenig sinnvoll. "Besser wäre ein regionaler Vergleich, etwa zwischen ländlichen und städtischen Gebieten." Die Migrationsdynamik der Hansestadt sieht Gogolin aber auch als Standortvorteil: "Hamburg ist im bundesweiten Vergleich deshalb für viele Menschen attraktiv. Wir sollten die Ressourcen der Migranten, auch im sprachlichen Bereich, besser ausschöpfen."
Schulen sollten jedoch mit dieser noch relativ neuen Herausforderung nicht alleingelassen werden. Sie schlägt regionale Sprachbildungsnetzwerke vor, die Ressourcen wie Dolmetscherdienste und zusätzliches Personal für Sprachberatung an zentralen Standorten bündeln und die flexibel von den Schulen genutzt werden können. Eine weitere Forderung der Wissenschaftlerin: "Lehrer sollten eine Grundausbildung für Deutsch als Zweitsprache erhalten, damit sie die Situation ihrer Schüler besser nachvollziehen können."