Ein Vergleich von Großstädten mit Flächenländern zähle aber ohnehin nicht, sagt die Grünen-Politikerin. Abendblatt macht Schule - machen Sie mit! Hier geht's zu den PISA-Ergebnissen im Vergleich.
Abendblatt:
Frau Goetsch, hat Sie das schlechte Abschneiden Hamburgs überrascht?
Christa Goetsch:
Nein. Das Ergebnis war zu erahnen, weil die Schüler, die getestet wurden, 1996 bzw. 1997 eingeschult wurden. Die entscheidenden Verbesserungen - systematische Sprachförderung vor der Einschulung und die Modernisierung der Grundschul-Pädagogik - haben diese Schüler noch nicht mitbekommen.
Abendblatt:
Was ist der Hauptgrund für das schlechte Hamburger Ergebnis?
Goetsch:
Es ist bisher nicht gelungen, die Kinder aus Einwandererfamilien so zu integrieren, dass sie die gleichen Chancen wie ihre deutschen Mitschüler haben. Hier besteht ein großer schulpolitischer Handlungsbedarf. Das Erschütternde ist, dass die Leistungen der Migranten im Ländervergleich 2006 sogar noch ungünstiger ausfallen als 2003. Rechnet man bei der jetzigen PISA-Studie die Schüler mit Migrationshintergrund heraus, dann landet Hamburg bei der mathematischen Kompetenz auf Platz vier im Ländervergleich, bei der Lesekompetenz auf Platz fünf und bei der naturwissenschaftlichen Kompetenz sogar auf Platz drei.
Video: Sachsen im PISA-Ländervergleich vorn
Abendblatt:
Welche Rolle spielt die Schulstruktur?
Goetsch:
Es war richtig, die Hauptschule in Hamburg abzuschaffen. Das ist ein erster Schritt zur Stadtteilschule. Diese Maßnahmen müssen aber an eine Veränderung des Unterrichts gekoppelt sein. Da geht es um eine bessere Förderung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Wir müssen den Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund zu Hause und den Schulleistungen endlich auflösen.
Abendblatt:
Welchen Einfluss hat die Schulstruktur sonst?
Goetsch:
Die Vielgliedrigkeit des Hamburger Schulsystems von 2006 - Haupt-, Real-, Gesamtschule und Gymnasium - hat sich nicht positiv ausgewirkt. Die Verteilung der Schüler auf die weiterführenden Schulen nach Klasse vier führt offensichtlich nicht zu besseren Ergebnissen.
Abendblatt:
Inwiefern?
Goetsch:
Die Unterschiede zwischen den Schulformen sind dramatisch. Nur ein Beispiel: Im Lesen liegen knapp 79 Prozent der Hauptschüler unter der Kompetenzstufe II, gelten also als Risikoschüler. In den Gesamtschulen liegt der Wert bei rund 30 Prozent, an den Realschulen bei fast 18 Prozent. In Mathematik ist die Verteilung ähnlich.
Abendblatt:
Aber Bayern und Baden-Württemberg erreichen mit der Dreigliedrigkeit und der Trennung nach Klasse vier doch gute Ergebnisse.
Goetsch:
Das ist für mich keine Vergleichsgröße. Für mich zählt nur ein Vergleich mit anderen Großstädten, nicht mit den Flächenländern. Die Kultusministerkonferenz hat aber bislang Großstadtvergleiche abgelehnt.
Abendblatt:
Frau Goetsch, Sie sind zurzeit in Warschau, um sich das polnische Schulsystem näher anzusehen. Was machen die Polen besser?
Goetsch:
Polen und besonders Warschau setzen eindeutig auf weniger Trennung der Schüler. In Polen werden die Schüler bis zum Ende von Klasse sechs gemeinsam unterricht, wie wir es in Hamburg planen. Wie man ein komplettes Schulsystem umsteuert, können wir hier lernen. Allerdings ist die Migrationssituation nicht mit der in Hamburg vergleichbar.