Reaktionen am Tag der Wahrheit: Schüler reden von Multikulti, Lehrer von Migrationsproblematik. Leistungsdruck verspüren alle.

Hamburg. Was können Schüler, Lehrer und Eltern tun, damit Hamburg den PISA-Anschluss wieder schafft? Nachgefragt an der Schule Grießstraße in Hamm, wo Schülerinnen und Schüler mit 51 unterschiedlichen Nationalitäten unterrichtet werden. "Jüngere Lehrer, größere Klassenräume, bessere Ausstattung für den Unterricht" wünscht sich die 16-jährige Martine Koffi, die die zehnte Klasse besucht. "Wir haben einen winzigen Klassenraum für 27 Schüler. Da passt nicht einmal ein Computer hinein."

Schlecht für die Schüler, die zu Hause keinen PC haben. "Dann müssen wir ins Internet-Cafe gehen, und das kostet wieder Geld", sagt Martine. Ihr Mitschüler Marcel Haffmeister (19) holt seinen Realschulabschluss nach. Er lebt seit zwei Jahren in Hamburg, besuchte zuvor eine Schule in Sachsen. Ist der Unterricht dort wirklich besser als in Hamburg? "Die Lehrer dort sind nicht so streng wie hier", sagt er. "Aber hier kümmern sich Lehrer mehr um ihre Schüler. Mich haben sie schon zu Hause angerufen, um bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu helfen."

Studienrätin Anne Wulf bringt Schüler mit Migrationshintergrund in drei Jahren zum Realschulabschluss. Dank einer in Hamburg einzigartigen Vorbereitungsklasse, in der die Schüler die deutsche Sprache lernen, schaffen die meisten Schüler den Sprung in die deutschsprachigen Klassen und den Weg zum Aufbau-Gymnasium. Dennoch sieht sie ganz klar ein Problem der "Multikulti-Schule" in Hamm: "Die Schule ist ein sozialer Brennpunkt, den die Behörde gar nicht wahrnimmt. Wir bräuchten viel mehr Unterstützung durch Sozialarbeiter, um uns auf die Lehrinhalte zu konzentrieren", sagt die 56-Jährige. Antje Zingel, Schuldirektorin an der Grießstraße: "Hamburgs schlechte PISA-Noten hängen ganz stark mit dem hohen Migrantenanteil zusammen. Die Schulen müssten noch besser darauf vorbereitet werden."

Auch die Situation zu Hause müsse man einbeziehen. Ein neuer Ansatz ist die Assistenz für Schulbesuchsüberwachung: Ehemalige Asklepios-Mitarbeiter unterstützen das Lehrerkollegium, indem sie Verspätungen der Schüler registrieren, nach den Gründen für Fehlzeiten forschen und mit den Eltern sprechen. "Die sind häufig dankbar dafür, dass wir sie auf Probleme hinweisen", sagt die Direktorin. Am Allee-Gymasium an der Max-Brauer-Allee in Altona wurde in der vergangenen Woche kräftig mit demonstriert für bessere Bildung. "Weg mit der Ganztagsschule. Wir können uns in den späten Stunden nicht mehr konzentrieren", fordert Klara Olshausen (16), die an der Schule die zehnte Klasse besucht.

Zu viel Leistungsdruck durch das verkürzte Abitur und zu große Klassen seien für schwache Schulleistungen verantwortlich. Multikulti als Bildungsverhinderer findet Klara dagegen "blödsinnig": "Das schweißt uns eher zusammen." Ihre Mitschülerin, die Jordanierin Arabella Barkawi (15), bestätigt das: "Bevor ich nach Hamburg kam, lebte ich in einem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen. Dort war ich die einzige Ausländerin und somit eine richtige Außenseiterin. Hier am Allee-Gymnasium funktioniert die Integration dagegen sehr gut."

Mitschüler Niklas Steenfatt (14), der gerade eine Klasse übersprungen hat, glaubt nicht, dass ein hoher Schüleranteil mit Migrationshintergrund der Grund für Hamburgs schlechtes Abschneiden ist: "Es gibt ebenso schlechte deutsche Schüler wie gute Schüler mit Migrationshintergrund. Ich finde Multikulti cool."