Polizeieinsatzleiter Peter Born und Polizeipräsident Werner Jantosch waren erstaunt vom Ausmaß der Gewalt.

Solch drastische Worte hört man selten aus dem Munde von Politik und Polizeiführung: "Unsere Beamten mussten sich dazwischenschmeißen, sonst hätte es sicher Tote gegeben", sagte Polizei-Einsatzleiter Peter Born am Freitag in einer ersten Bilanz nach den Krawallen vom 1. Mai in Barmbek. Auch Polizeipräsident Werner Jantosch zeigte sich erstaunt über das Maß der Gewalt: "Da wurden Menschen vom Rad gezerrt, Molotowcocktails auf Balkons Unbeteiligter geworfen, ein ganzes Reifenlager und Autos angezündet. Man kann sagen: Der Mob hat sich ausgetobt."

Auch für ihn sei der Großeinsatz am 1. Mai 2008 ein neuartiger gewesen, sagte Jantosch: Noch nie habe er eine solch große Zahl Rechter gesehen, die versuchten, sich zu artikulieren. Noch nie habe er auf Seiten der Rechten ein solches Gewaltpotenzial erlebt. Noch nie habe er auch ein solches Maß an Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit auf Seiten der Linken wahrgenommen. Noch bis in die späte Nacht auf den 2. Mai hatten sich die Linksautonomen im Schanzenviertel und in Altona ausgetobt. Vor der Roten Flora brannten erneut Barrikaden. Die Scheiben der Haspa am Schulterblatt gingen binnen zwei Tagen zum zweiten Mal zu Bruch.

Am Ende dieses an blinder Zerstörungswut so reichen Tages zog die Polizeiführung Bilanz: 59 Personen wurden festgenommen. Lediglich 15 der mutmaßlichen Straftäter kommen aus Hamburg, 44 aus dem weiteren Bundesgebiet - meist aus den neuen Bundesländern - sowie aus Dänemark und den Niederlanden. Unter den 59 Festgenommenen sind nur elf Erwachsene. Alle anderen sind unter 21 Jahre alt, viele von ihnen gar jünger als 18. Nur sechs der festgestellten Täter waren der Polizei bereits als Straftäter des rechten oder linken Lagers bekannt. Für den Polizeipräsidenten Indizien dafür, dass es diesen Demonstranten nicht um politische Botschaften ging: "Viele von ihnen sind nach Hamburg gekommen, weil sie es spannend fanden, sich eine Schlacht mit der Polizei zu liefern."

Ein in Hamburg neues Phänomen: Der Auftritt der sogenannten "autonomen Nationalisten" - rund 400 Personen, die optisch wie eine Kopie des bekannten linken "Schwarzen Blocks" daherkamen und durch höchste Aggressivität auffielen (siehe Bericht rechts). Demo-Teilnehmer aus diesem Block sollen es gewesen sein, die für den gefährlichsten Zwischenfall am Rand der Demos sorgten: 200 von ihnen stießen noch vor Beginn des Neonazi-Aufzuges an der Lauensteinstraße auf eine etwa gleich große Gruppe linker Autonomer. Laut Jantosch starteten die Rechten "wie auf Kommando" eine wilde Prügelei. Mit äußerster Brutalität sollen sie auf die Gegner losgegangen sein. "Das war eine wild auf sich eingeschlagene Masse", so Einsatzleiter Peter Born. Ebenfalls erschreckend: Demonstranten griffen Feuerwehrleute an, die versuchten, brennende Autos zu löschen. Gemeinsam mit der Einsatzleitung der Polizei beschlossen die Retter, kleinere Feuer einfach sich selbst zu überlassen. Die Polizei nahm parallel von dem Vorhaben Abstand, jedes kleine Scharmützel beenden zu wollen: "Es ging nur noch darum, die Zahl der Verletzten möglichst gering zu halten", sagt ein Beamter.

Überrascht wurde die Polizei von den erneut aufflackernden Aggressionen am späten Donnerstagabend. Am Rande eines Solidaritätskonzertes in der Roten Flora am Schulterblatt zogen Randalierer erneut Barrikaden auf die Fahrbahn, zündeten Müll und Autos an, warfen Scheiben ein. Obwohl Aktivisten der Flora nach Polizeierkenntnissen versuchten, massiv deeskalierend auf die Randalierer einzuwirken und sie in die Flora zu lotsen, ließen die sich nicht von ihrem zerstörerischem Tun abbringen. Peter Born: "Bei ihnen handelte es sich erneut meist um auswärtige Jugendliche, die an dem Konzert überhaupt kein Interesse hatten. Wieder einmal ging es nur um die Randale."


Ein aktuelles Video zu den Krawallen und die komplette Pressekonferenz der Polizei finden Sie unter: www.abendblatt.de/video-krawall