Der Kriminologe Prof. Thomas Feltes erklärt, warum sie sich äußerlich kaum noch von linken Gruppen unterscheiden.

Glatze, Springerstiefel und Kleidung der Marke Londsdale, das waren die Merkmale der Rechten, der Skinheads. Heute, so wie zuletzt auf der 1.-Mai-Demo, lassen sich rechte und linke Gruppen äußerlich nur noch schwer unterscheiden. Diese neuen Rechten sind dem Verfassungsschutz als "Autonome Nationalisten" bekannt.

Außerdem werden die Randalierer immer jünger und reisen häufig aus anderen Bundesländern an. Randale ist zum Event geworden. Prof. Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft, ist ein Experte auf dem Gebiet der Jugendgewalt und Extremismusforschung. Er erklärt dieses Phänomen und die neuen Rechten.


Abendblatt:

Warum sind junge Rechtsradikale äußerlich kaum noch von linken Autonomen zu unterscheiden?

Prof. Thomas Feltes:

Diese junge Gruppe Rechter nennt sich Autonome Nationalisten. Von der Mehrheit der Neonazis werden sie aber abgelehnt, weil sie zum Beispiel auch englische Begriffe verwenden. Deren äußere Erscheinung und auch ihre Wortwahl ist tatsächlich eine Kopie der Stile der linksextremistischen autonomen Szene.



Abendblatt:

Seit wann gibt es diesen Trend?

Feltes:

Seit einiger Zeit gehen die Rechten weg vom passiven Zusehen und "Fackeltragen" hin zu aktivem Wehren gegen tatsächliche oder unterstellte Angriffe von Linken. Zudem ist man auch selbst bereit, anzugreifen.



Abendblatt:

Woran liegt das?

Feltes:

Man will aus der passiven "Opferrolle" heraus und sich kampfbereit geben. Bei Demonstrationen tragen die "Autonomen Nationalisten" Kleidung, die nicht nur ein geschlossenes Auftreten in einem "Schwarzen Block" ermöglicht, sondern auch der Vermummung dient. Außerdem hat das noch einen anderen Vorteil: Diese Kleidung dient ihnen auch als Verkleidung, in der sie von der Antifa und von Sicherheitskräften nicht mehr so leicht als Neonazis erkannt werden.



Abendblatt:

Warum kommt es zu dieser Angleichung?

Feltes:

Die Mitglieder beider Gruppierungen haben das Ziel, möglichst als Einzelperson nicht erkannt zu werden. Die "Einheitskleidung" ist ein optimaler Schutz, da Kapuzen und Baseball-Kappen nicht verboten werden können. Und Schwarz ist als Farbe eben in und verstärkt zudem den aggressiven Eindruck. Insofern haben die "Rechten" von den "Linken" gelernt.



Abendblatt:

Worin unterscheiden sie sich noch?

Feltes:

Teilweise kaum noch, was schon zu Verwechslungen innerhalb der Lager geführt hat. Für die Polizei wird es auch zunehmend schwieriger, diese Gruppierungen zu unterscheiden.



Abendblatt:

Auch die gewaltbereiten Teilnehmer der Krawalle sollen noch jünger geworden sein. Stimmt das?

Feltes:

Generell stellen wir auch bei anderen Straftaten fest, dass jugendliche Gewalttäter immer jünger werden.



Abendblatt:

Wie kann man das erklären?

Feltes:

Dies hängt zum einen mit der allgemeinen Vorverlagerung im Reifungsprozess zusammen, zum anderen damit, dass die Perspektivlosigkeit und Frustration gerade bei jungen Menschen stark zugenommen hat.



Abendblatt:

Die Autonomen Nationalisten sollen vor allem aus Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern angereist sein. Gibt es eine Art Randale-Tourismus? So nach dem Motto: Krawall ist geil?

Feltes:

Es gibt sicherlich auch in Hamburg Autonome Nationalisten, vielleicht nicht so viele, und die Gruppen befinden sich möglicherweise noch im Aufbau. Fest steht aber, dass gewaltbereite Personen generell bei passender Gelegenheit, wie Feiertage, gerne dorthin fahren, wo "etwas los" ist. Das Hamburger Schanzenviertel ist aufgrund seiner Geschichte ein optimaler Ort für solche Auseinandersetzungen.