Nach Krawallexzessen weisen sich Polizei und Justiz gegenseitig die Schuld zu. Erste Spannungen zwischen GAL und CDU.
Hamburg. Nach den 1.-Mai-Krawallen in Hamburg kritisieren Innenbehörde, Polizei und CDU die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG), den Routenverlauf der Demonstrationen so zu verändern, dass linke wie rechte Gewalttäter zum Teil auf denselben Straßen unterwegs waren und direkt aufeinandertrafen. Die Polizei hatte verlangt, die Züge räumlich weiter zu trennen.
"Das konnte nicht gut gehen", sagte Polizeipräsident Werner Jantosch. Auslöser der gewalttätigen Auseinandersetzungen waren nach Einschätzung der Polizei unter anderem rund 400 sogenannte autonome Nationalisten. Einsatzleiter Peter Born sagte, dass es ohne das Einschreiten der Polizei angesichts der Aggressivität auf beiden Seiten "sogar Tote" hätte geben können. 59 - der überwiegend jugendlichen - Gewalttäter wurden festgenommen, nur 15 von ihnen kamen aus Hamburg, andere aus dem Umland, aus den neuen Bundesländern, zum Teil auch aus Dänemark.
OVG-Präsident Rolf Gestefeld verwahrte sich gegen die "einseitige Schuldzuweisung". Die Ausschreitungen hätten meist in großer Entfernung von der Demonstrationsroute stattgefunden.
Der Streit um die OVG-Entscheidung droht indes die künftigen Koalitionäre CDU und GAL zu entzweien. Während der designierte Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) sagte: "Es ist Fakt, dass die Strategie der Polizei leider durch die OVG-Entscheidung über den Haufen geworfen wurde", wies der designierte GAL-Justizsenator Till Steffen die Kritik an den Richtern zurück: "Die Politik tut gut daran, Entscheidungen unabhängiger Gerichte zu respektieren." Er habe die Erfahrung gemacht, dass Gerichte sich derlei Aufgaben nicht einfach machten. "Es ist nicht sinnvoll, jetzt ein Schwarze-Peter-Spiel zu spielen."
Der SPD-Innenexperte Andreas Dressel thematisierte die "diametral entgegengesetzten Einschätzungen von CDU und GAL": "Der fehlende gemeinsame innenpolitische Kompass der Koalitionäre kann noch brandgefährlich für Hamburg werden." Er hoffe, dass künftig nicht der Koalitionsausschuss über strittige Demonstrationen entscheide.
Bereits im Vorfeld waren unterschiedliche Auffassungen zwischen Vertretern von Innenbehörde und GAL laut geworden, etwa in Bezug auf das verhängte Mitbring-Verbot von Flaschen. Ahlhaus bestätigte dem Abendblatt, dass hierüber Gespräche mit der GAL stattgefunden hätten: "Diese haben aber nichts an meiner Auffassung geändert, dass es Grenzen geben muss, um die Polizisten zu schützen." Die SPD kündigte indes eine Sonderbefassung des Innenausschusses an.