"Mein Geschäft ist ruiniert" - Jean-Paul Toupka (46) steht verzweifelt vor den Trümmern seiner Existenz. Sein Reifenlager in Barmbek wurde von radikalen Demonstranten zu einem Drittel niedergebrannt. Es ist der Tag nach dem 1. Mai. Der Tag nach den schwersten Mai-Krawallen der vergangenen zehn Jahre, die sich Neonazis und Links-Autonome in kaum gekanntem Hass lieferten. Auf den Straßen des ehemaligen Arbeiterviertels ist wieder Alltag eingekehrt. Ausgebrannte Autos und Überreste von Barrikaden sind weggeräumt, beschädigte Bushaltestellen größtenteils repariert. Einige zerstörte Hausmüllcontainer stehen noch am Straßenrand. Doch was ist in den Köpfen der Menschen zurückgeblieben? Das Abendblatt hat nachgefragt.

Spürbar ist eine verhaltene Stimmung. Viele Anwohner möchten nicht öffentlich Stellung beziehen - "Angst vor Rache" ist die häufigste Begründung. Aus einem anonymen Schreiben, das an Laternenmasten und Stromkästen befestigt ist, geht jedoch Protest hervor: "Hier wohnen Menschen verschiedenster Nationen friedlich miteinander. Umso mehr macht es uns betroffen, wenn Nazis mit hässlichen Parolen durch die Straßen ziehen und Radikale der linken Szene anreisen, die nur ein Ziel haben - mutwillige Zerstörung."

Auch Kathrin Schmidt aus dem Rübenkamp protestiert:. "Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist wichtig. Aber ist es gut, Demonstrationen in einem belebten Stadtteil wie Barmbek zu erlauben, wenn die Eskalation absehbar ist?" Die Situation am Rübenkamp sei gespenstisch gewesen: "Steine flogen durch die Gegend, Geschrei drang durch das geschlossene Fenster bis in unser Wohnzimmer."

Den Anblick von Unruhe und Gewalt wollte Maren Seddig ihren Söhnen Philip und Oskar ersparen. Sie hatte ihre Wohnung am Langenfort deshalb schon früh für einen Ausflug nach Harburg verlassen. "Als wir abends zurückkamen, stand vor unserer Tür ein abgebrannter Müllcontainer, aber sonst war es ruhig", sagt sie.

Von Ruhe nach dem großen Schrecken kann bei Jean-Paul Toupka nicht die Rede sein: "Fast 3000 meiner Reifen liegen in Schutt und Asche - das ist ein Schaden von 80 000 Euro". Der Familienvater weiß nicht, ob er sein Geschäft halten kann - denn eine Versicherung hat er nicht. Sein Nachbar Karsten Schendel, Inhaber eines Lkw-Handels, ist erschüttert: "Es ist ungerecht, dass ein fleißiger Mensch wie Jean-Paul zum Leidtragenden wird und vielleicht sogar seine Existenz verliert."