Neonazis und Antifaschisten prallten aufeinander. Die Polizei musste Verstärkung per Hubschrauber einfliegen.

Sechs Stunden wütete die Gewalt in Barmbek. Fast 10 000 Menschen waren auf der Straße, die meisten friedlich, doch weit mehr als 1000 auch zu allem entschlossen. Die Bilanz der schwersten Mai-Krawalle der vergangenen zehn Jahre in Stichworten: ausgebrannte Autos, Barrikaden, 26 verletzte Polizisten, eingeschlagene Scheiben, bislang kaum gekannter Hass zwischen Neonazis und Antifaschisten. "So viel Aggression hatten wir selten", sagt ein Polizeisprecher. 52 Protestierer wurden festgenommen, zwei Brandstifter kamen sofort vor den Haftrichter. Die Szene hatte etwas Gespenstisches: Während auf der Saarlandstraße Autos brannten, die Polizei mit Festnahmeeinheiten und Wasserwerfern Autonome jagte, während Rechtsradikale ihre dumpfen - und oft wissentlich falschen - Parolen skandierten, schwebte ein Truppen-Transporthubschrauber über Barmbek in Richtung Fuhlsbüttel. Darin: eine uniformierte Hundertschaft der Bundespolizei. Die Polizisten wurden eiligst zum Ort des Geschehens gebracht. Dort versuchte die Polizei unter größtem Einsatz, Neonazis und Linke auseinanderzuhalten. Ein Ziel, das lange utopisch schien. Die Unterstützung aus der Luft war bitter notwendig.

Wenige Minuten nach zwölf Uhr - die Rechten hatten zu dieser Zeit gerade mal 15 Aktivisten am S-Bahnhof Alte Wöhr aufzubieten, begannen die Scharmützel. Am Rande der Gegenkundgebungen warfen Maskierte Böller und Steine. Bis nach 18 Uhr setzte sich der Reigen der Taten fast im Minutentakt fort. Die heftigsten Zwischenfälle: Um 13.23 Uhr werden an der Lauensteinstraße Beamte mit Steinen beworfen und bedrängt. Um 13.37 Uhr sammeln sich rund 1000 Autonome an der Tischbeinstraße. Molotowcocktails und Pfefferspray werden sichergestellt. Um 14.15 Uhr werfen Gegendemonstranten an der Saarlandstraße die Scheiben der Busse ein, mit denen die Rechtsradikalen angereist waren. Wenig später brennen sieben Autos. Rechtsradikale verprügeln ein Kamerateam. Ab 16 Uhr treibt die Polizei Autonome durch den Rübenkamp. Die Demonstration der Neonazis führt in der Folge durch ein Trümmerfeld. Container werden angezündet, Straßenschilder umgeknickt, Steine geworfen. Noch im Rübenkamp werfen Autonome Steine über eine Mauer in den Nazi-Aufmarsch. Die Rechten werfen ebenfalls Steine. Ein Nazi-Ordner wird festgenommen, weil er Gegendemonstranten attackiert. Ab 16.30 Uhr brennen Barrikaden.

Um 17.03 Uhr erklärte die "Braune Inge" genannte Demo-Anmelderin Inge Nottelmann den Aufzug für beendet. Die Neonazis, viele von ihnen sehr jung und aus dem Hamburger Umland, bestiegen am Ohlsdorfer S-Bahnhof Züge in Richtung Poppenbüttel. Die Linken zündelten und randalierten weiter: Ein Lkw ging in Flammen auf, zwei Streifenwagen wurden aufs Dach gedreht, Bushaltestellen zerstört. Die Rechten zogen in einem der Züge die Notbremse und stiegen noch vor dem Bahnhof aus. Zur gleichen Zeit warfen Linke an der Schmuckshöhe die Scheiben eines Aldi-Marktes kaputt.

Weite Teile Barmbeks glichen da schon einem Trümmerfeld.

Die Eskalation sei absehbar gewesen, sagen Kenner der Szene. So nah hätte man die verfeindeten Lager nicht zueinander lassen dürfen, sagen erfahrene Polizisten. Doch: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte Auflagen, die die Polizei erlassen hatte, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu verhindern, am Morgen gekippt. Die Polizei musste vor Ort nach Alternativen suchen. Ein Umstand, den Innensenator Udo Nagel "unverantwortlich" nennt: "Hoffentlich haben die traurigen Ereignisse einen Sinn, nämlich eine Wirkung auf künftige Entscheidungen der Gerichte." Polizeipräsident Werner Jantosch lobt die Hamburger Beamten sowie die Kräfte aus den umliegenden Bundesländern: "Wir waren in der Pflicht, dem Versammlungsrecht Geltung zu verschaffen, und verantwortlich dafür, dass sich die Parteien nicht den Schädel einschlagen. Ein harter Einsatz, in dem alle bis an ihre Grenzen gegangen sind."