Innensenator Nagel gibt Richtern Mitschuld; sie hatten die strengen Auflagen für die Demos gelockert.

Hamburg. Bei den schwersten Straßenschlachten seit mindestens zehn Jahren in Hamburg sind gestern 26 Polizisten und zahlreiche Demonstranten verletzt sowie Schäden in Millionenhöhe angerichtet worden. Schon am Vortag war es im Schanzenviertel zu Ausschreitungen gekommen; sie flammten dort gestern Abend kurzzeitig wieder auf.

Im Verlauf des von der NPD angemeldeten Mai-Aufzugs durch Barmbek setzten Gegendemonstranten sieben am Straßenrand abgestellte Autos in Brand. Die Scheiben der Busse, mit denen die Neonazis angereist waren, wurden eingeschlagen, Streifenwagen umgekippt. An der Habichtstraße ging ein Reifenlager in Flammen auf, Barrikaden brannten.

"Es war ein verdammt harter Tag für die Kollegen", bilanziert Werner Jantosch, Chef der Hamburger Polizei. "Aber am Ende können wir sagen, dass wir unser Einsatzziel mit größter Anstrengung erreicht haben. Wir haben Demonstranten und Gegendemonstranten auseinanderhalten können."

1500 Rechtsradikale aus ganz Deutschland hatten sich zum Startpunkt am S-Bahnhof Alte Wöhr auf den Weg gemacht. Neonazi-Gegner - fast 7000 von ihnen versammelten sich in Barmbek - versuchten sie daran zu hindern, indem sie auf den Gleisen der S 1 Brandsätze zündeten. Folge: Die S-Bahnen blieben stehen. Hunderte NPD-Anhänger saßen auf anderen Bahnhöfen fest. Als sich der Marsch der Rechtsradikalen dreieinhalb Stunden nach dem geplanten Start in Bewegung setzte, eskalierte die Lage. Die Polizei trieb mit Wasserwerfern linke Autonome vor sich her. Diese zündeten Mülltonnen an, warfen Container um. Immer wieder flogen Steine. Ein Beamter äußerte sich entsetzt: "Eine so aggressive Stimmung hat es auf beiden Seiten seit Jahren nicht gegeben. Das ist Hass pur." 52 Personen wurden festgenommen, 200 kamen vorübergehend in Gewahrsam.

Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) kritisierte die im Vorwege der Demos ergangene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, das zum Teil dieselbe Route für beide Kundgebungen zugelassen hatte. Nagel: "Mit dieser Entscheidung haben die Richter nicht nur die eingesetzten Polizeikräfte, sondern auch Unbeteiligte größten Gefahren ausgesetzt."

In Berlin, das bisher stets Zentrum der Gewalt zum 1. Mai gewesen war, blieb es den Tag über friedlich. Erst am Abend kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.