Meteorologe: Wolfgang Seifert schildert, warum der Wirbelsturm regelrecht “explodiert“ ist. Ursache waren die hohen Temperaturunterschiede. Am warmen Stadtrand in Harburg kam es dann zur Katastrophe.

Ein Tornado in Hamburg - ein Wirbelsturm, wie wir ihn sonst nur aus TV-Berichten aus den USA kennen. Und dazu noch ohne Vorwarnung. Viele Hamburger konnten am Montag abend die ersten Nachrichten über den Wirbelsturm, der zwei Todesopfer forderte, kaum glauben.

Auch die Männer beim Deutschen Wetterdienst an der Bernhard-Nocht-Straße wurden überrascht. "Wir haben es erst aus den Verkehrsnachrichten gehört", sagt Diplom-Meteorologe Wolfgang Seifert (56), der die Regionalzentrale Hamburg leitet.

"Ein Tornado ist grundsätzlich nicht vorhersehbar. Das Radarsystem kann ihn erst erkennen, wenn er existiert, wenn der Rüssel des Tornados mit seiner nach unten gerichteten Spitze auf der Erde aufsetzt", sagt Seifert.

Nach den ersten Erkenntnissen der Meteorologen kam es zur Katastrophe, weil Hamburg im Weg der von Südwesten kommenden Gewitterfront lag. "Die Stadtwärme ist wohl schuld", sagt Seifert. Seiner Meinung nach kam es am südlichen Rand Hamburgs "zu einer explosionsartigen" Entwicklung des Tornados, weil die kalte Höhenluft auf die wärmere Stadtluft traf. Fast 20 Grad minus in der Höhe, fast 20 Grad Wärme auf dem Boden.

"Es müssen gar nicht so große Unterschiede sein, um die bis fünf Kilometer hochschießenden Winde von einer Sekunde auf die andere in einen Tornado mit verheerender Wirkung wie jetzt in Harburg zu verwandeln. Die Stadtwärme war wie ein Zünder", sagt Seifert. Folgerichtig brach der Tornado gewissermaßen in sich zusammen, als er die Elbe erreichte, weil deren Wasser kälter ist als die bebaute Stadt. Wie aber kam es zu dieser dramatischen Entwicklung?

Rückblende: Bis zum 11. März liegt fast ganz Deutschland unter einer Schneedecke. Die Winterphase endet schlagartig am vergangenen Wochenende. An Sonnabend sind es nur drei Grad bei Ostwind. Ab Sonntag kommt der Wind aus Südwest. Seifert: "Die Luft ist feucht, das sorgt für stabile Wolkenbildung." Die Wetterlage wird labil und ist von Temperaturgegensätzen gekennzeichnet - Voraussetzung für Umwetter und einen Tornado.

Am Montag um 9 Uhr braut sich eine Gewitterfront in Nordrhein-Westfalen zusammen. Sie zieht mit dem Wind nach Norden und erreicht Hamburg mittags mit kleineren Gewittern.

Um 15 Uhr baut sich eine zweite Gewitterfront über den Niederlanden auf und wandert über das Emsland wieder auf Hamburg zu. In Hamburg und ganz Norddeutschland herrscht eine Temperatur von 19 Grad. Die Winde in der Gewitterfront werden immer stärker. Um 17 Uhr erreichen sie Stärke 9, anderthalb Stunden später Stärke 10.

Die Gewitterfront ist nun über der Heide. "Es ist eine rotierende Wolke, die Anhänge nach unten bildet", sagt Seifert. Die warme Luft schießt hoch. "Irgendwo in der Nordheide war die Wolke dann tornadoverdächtig", sagt Seifert. Die Radaraufzeichnungen zeigen: Die Gewitterfront ändert nun ihren geraden Weg. "Sie driftet wegen der wärmeren Stadt leicht nach Osten ab und erreicht den Bezirk Harburg." Hier kommt es zu der "Explosion".

Tornadoverdächtige Gewitterfronten gibt es nach Erkenntnissen des Deutschen Wetterdienstes etwa zehn im Jahr. Aber nur ein bis zwei Wolken entwickeln kleinere Tornados. Steigt nun die Zahl der Tornados? "Wir rechnen nicht damit, denn die Zahl dieser Ereignisse ist seit Jahren stabil. Nur das Interesse sei, auch wegen des Internets, gestiegen.