Hamburg. Fahrzeuge der Linie 3 drehen vor Lurup und Osdorf wieder um. Doch es gibt noch mehr Gründe, warum sich Bewohner abgehängt fühlen.

Aus der Fahrerkabine ertönt eine Stimme. „Listen and repeat“ – und dann ein deutsches Wort: stolz. Die Sprachlektionen schallen an diesem Abend durch den gesamten Bus. Dass der Fahrer noch nicht ganz so weit damit gekommen ist, stellt sich ein paar Haltestellen später heraus. Ein offensichtlich gehbehinderter Mann schafft es nicht schnell genug zum Ausgang im hinteren Teil des Busses. Mehrere Fahrgäste rufen dem Fahrer laut zu: Er möge warten. Der versteht es nicht, auch nicht als einige anfangen zu schreien. Er erklärt: „I don‘t speak Deutsch.“

Eine Fahrt mit einem Bus der Linie 3 von der Hamburger Innenstadt gen Westen ist derzeit vor allem eins: ein großes Abenteuer. Kommt überhaupt ein Bus? Wenn, bis wohin fährt er? Und wer sitzt am Steuer? Letzteres wirkt sich stark auf die Fahrweise aus. Die Kollegen des nun auf den Strecken nach Schenefeld ebenfalls eingesetzten Subunternehmers „Umbrella“ aus Tschechien haben einen merklich herberen Fahrstil – und lernen nebenbei ambitionierter Weise Deutsch.

Bus Hamburg? Aus Osdorf und Lurup hagelt es Kritik – „absolute Katastrophe“

„Es ist eine absolute Katastrophe“, sagt Sabine Tengeler. Die Luruperin nutzt selbst oft den Bus, sie setzt sich aber auch seit Jahren engagiert in der AG Verkehr und Mobilitätswende des Stadtteils ein. Tengeler und ihr Mitstreiter Thomas Wibrow erreichen derzeit zahlreiche Beschwerden. Die Busse fallen aus, kommen viel zu spät oder in Lurup und den dahinter folgenden Stationen in Osdorf und an der Grenze zu Schenefeld erst gar nicht, sie drehen bereits in Bahrenfeld wieder um.

„Alle sprechen von Mobilitätswende. Aber mein Eindruck ist, dass wir uns beim Thema gerade davon entfernen“, sagt Wibrow, den die derzeitigen Verhältnisse an alte Zeiten erinnern: „Es ist wie vor 50 Jahren, als die Straßenbahn abends nur bis Trabrennbahn fuhr.“ So schlimm wie jetzt sei die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr für Lurup und Osdorf lange nicht gewesen. Und das soll was heißen.

Schnellbus ausgebremst: Auch die Metrobuslinie X3 von Problemen betroffen

Denn die Osdorfer und Luruper kämpfen seit Jahrzehnten um die einst versprochene S-Bahn-Anbindung. Nach derzeitigem Stand könnte es in den 2040er-Jahren mit dem Bau losgehen. Aber das haben die Bewohner hier schon oft gehört. Umso mehr sind sie auf ein funktionierendes Bussystem angewiesen. Die Metrobuslinie X3 als Schnellbus in die Hamburger Innenstadt gilt als kleines Trostpflaster. Doch ausgerechnet auch diese symbolische Linie ist von den Ausfällen und Problemen massiv betroffenen. Das wird vorerst so bleiben.

Wie aus einer aktuellen Antwort des Hamburger Senats auf eine Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann (Linke) hervorgeht, musste das Fahrangebot in Richtung Schenefeld reduziert werden. Das Unternehmen VHH (Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein), das zahlreiche Linien in diesem Bereich bedient, hat demnach die Genehmigungsbehörde über eine Betriebsstörung informiert, die sich vom 8. Januar bis zum 30. April 2024 erstrecken wird. Sprich: Die VHH kann die vereinbarten Fahrten nicht leisten.

Bus Hamburg: Laut Senat fehlen die neuen E-Busse wegen Lieferschwierigkeiten

Der Senat führt in der Antwort zahlreiche Gründe für die Störung samt dem daraus resultierenden reduzierten Angebot an. Das Hauptproblem: Die eingeplanten neuen E-Busse sind nicht da. Die VHH, deren Busfahrer am Donnerstag auch noch streikten, will in diesem Jahr 150 neue elektrisch betriebene Busse in Betrieb nehmen und damit laut Senat ein Fünftel der Flotte erneuern und reparaturanfällige Altfahrzeuge ausmustern. So die Theorie.

Durch die hohe Nachfrage am Markt für E-Fahrzeuge sei es nun aber zu einer unplanmäßigen Verlängerung vertraglich vereinbarter Lieferzeiten gekommen, wodurch der Einsatz von älteren Dieselfahrzeugen notwendig geworden sei. „Diese sind reparaturanfälliger als neue Fahrzeuge, was den Reparaturstau in den Werkstätten mit angespannter Personaldecke zusätzlich verschärft“, heißt es vom Senat.

Hamburger Westen: Auf der Linie X3 fielen Ende Januar 25 Prozent der Fahrten aus

Fachkräftemangel, fehlende Busfahrer und ein hoher Krankenstand hätten die Situation zusätzlich verschärft. Dadurch seien zahlreiche Busse verspätet gewesen oder ausgefallen. Auf der Linie X3 waren es Ende Januar demnach 25 Prozent der Fahrten – ein Negativrekord im Vergleich zu den vorangegangenen Wochen. Und das, obwohl seit Januar verstärkt Touren der Linie X3 und 3 fremdvergeben werden an „Umbrella“, und zwar laut Senat zu 32 Prozent.

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Die Bürgerschaftsabgeordnete Sudmann, die aufgrund zahlreicher Hilferufe an sie die Anfrage gestellt hat, fasst zusammen: „Es ist kein Ende der schlechten Nachrichten für die Nutzer der Linien 3 und X3 aus Schenefeld/Lurup in die Innenstadt in Sicht. Schlimm genug, dass vier Monate lang bis Ende April kein Bus der Linie 3 zwischen Schenefelder Platz und Stadionstraße fährt. Auch bei den Alternativen sieht es duster aus. Der Metrobus 2 ist oft überfüllt, beim X3 vom Schenefelder Platz über den Osdorfer Born bis zum Meßberg fallen bis zu einem Viertel der Fahrten ersatzlos weg.“

Linke Hamburg: Neue E-Busse bieten weniger Platz als die Gelenkbusse

Die Aussicht auf neue E-Busse als Ersatz der reparaturanfälligen Diesel-Busse ist für Sudmann ebenfalls nicht beruhigend. „Diese bieten nämlich nur 70 Fahrgästen Platz anstelle von gut 100 in den Gelenkbussen“, wie sie sagt. Sie setzt ihre Hoffnungen auf eine eigene Spur für Busse, damit es schneller vorangeht.

Das überzeugt die Experten Tengeler und Wibrow aus der örtlichen Verkehrs-AG nicht. Was nütze eine eigene Spur, wenn die Busse und Fahrer fehlen? Sie wünschen sich, dass die Bedeutung eines funktionierenden Bussystems gerade in schlecht angebundenen Stadtteilen wie Osdorf erkannt wird und hier keine Fahrten reduziert werden. Zudem setzen sie sich dafür ein, dass wenigstens der On-Demand-Shuttle-Service ioki zurückkehrt, der 2022 abgezogen und nach Harburg verlegt wurde.