Hamburg. Am Sonnabend fanden mehrere Protestaktionen für Klimagerechtigkeit statt: Umstrittener Polizeieinsatz auf der Kattwykbrücke.
Mit mehreren Blockaden haben das Bündnis Ende Gelände und weitere linkspolitische Gruppen am Sonnabend im Hamburger Hafen für mehr Klimagerechtigkeit demonstriert. An mehreren Orten, darunter auf der Köhlbrand- und der Kattwykbrücke, besetzten jeweils Dutzende Aktivisten mehrere Stunden die Verkehrswege des Hafens.
Am Sonnabendnachmittag setzte die Polizei an der Kattwykbrücke Wasserwerfer gegen die Aktivisten ein – zudem sollen auch Schlagstöcke und Pfefferspray im Einsatz gewesen sein. Die Polizei beschuldigte zunächst die Aktivisten, Pfefferspray genutzt zu haben – ruderte am Sonntag aber über Twitter zurück: Das verwendete Pfefferspray habe die Beamten womöglich auch selbst verletzt.
Klimaproteste am Wochenende: Erste Polizeibilanz
"Im Laufe der Nachmittagsstunden wurden die Aufzüge sukzessive von der Polizei aufgelöst", teilte die Polizei am Sonnabendabend mit und zog Bilanz. Es seien mehrere längerfristige Aufenthaltsverbote ausgesprochen und einige Personen in Gewahrsam genommen worden. "Darüber hinaus wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet".
Etwa 1400 Hamburger Beamte waren laut Polizei bei den verschiedenen Blockaden und Demos im Einsatz. Unterstützt wurden sie von Polizisten aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg. Auch die Bundespolzei war vor Ort.
Demo in Hamburg: Klimaaktivisten ziehen durch Altona
Der Sonnabend begann zunächst mit einem geplanten Aufzug durch Altona. Nach eigenen Angaben sind morgens gut 2000 Menschen am "System Change Camp", so der offizielle Name der Zusammenkunft linker und klimapolitischer Gruppen im Altonaer Volkspark, losgelaufen. Ziel war die Elbphilharmonie: Dort hatten die Veranstalter eigentlich eine Abschlusskundgebung angemeldet, beendeten die Demo jedoch wesentlich früher am Bahnhof Altona.
Die Teilnehmer seien "ganz friedlich unterwegs" gewesen, sagte Polizeisprecher Thilo Marxsen dem Abendblatt am Mittag. Hunderte Beamte haben die Demo begleitet, während sich im Hintergrund bereits die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) bereitmachen musste – denn es war bloß der erste von fünf angemeldeten Aufzügen am Sonnabend.
Klimaaktivisten blockieren Verkehrswege im Hamburger Hafen
In Altona zogen einige Teilnehmer anschließend zurück zum Klimacamp. Andere teilten sich auf die verschiedenen "Finger" unter den Farben Gold, Lila und Pink auf. Hunderte Aktivisten machten sich dann mit der S-Bahn auf den Weg nach Wilhelmsburg, Hausbruch und Neuwiedenthal.
Dort angekommen starteten sie die ersten Blockadeaktionen: Bei sengender Hitze besetzte der "goldene Finger" am Heykenauweg Gleise der Hamburg Port Authority (HPA), die zu den Containerterminals führen. "Wir sind vor Ort mit den Teilnehmern im Gespräch", sagte Marxsen um 12.50 Uhr. Gut eine Stunde später begannen die Beamten damit, die Menschen von den Gleisen zu holen – teilweise mithilfe von Schmerzgriffen. Am Abend meldete die Polizei: Alle Gleise sind frei.
Der "pinke Finger" war derweil auf dem Weg zu einer angedachten Mahnwache vor dem Kraftwerk Moorburg und besetzte ebenfalls zum Hafen führende Gleise. Auch dort griff die BFE ein. Um 14.37 Uhr kesselte die Polizei die Aktivisten ein und erklärte die Versammlung über ein Megafon für beendet. Ab sofort stünden die Aktivisten damit nicht mehr unter dem Schutz des Versammlungsgesetzes, sagte der Beamte, und bis geklärt sei, wie man mit der Situation vor Ort weiter umgehe, würde die Gruppe dort festgesetzt. Am frühen Abend begann die Polizei schließlich, das Gelände zu räumen. Die Gruppe Pinker Finger sprach von "unverhältnismäßiger Polizeigewalt".
Umstrittener Polizei-Einsatz mit Pfefferspray
Währenddessen wurde der "lila Finger" bei dem Versuch, die Gleise auf der Kattwykbrücke zu besetzen, zunächst von der Polizei gestoppt. Ende Gelände twitterte, der "lila Finger" blockiere das Tor zum Kohlekraftwerk Moorburg. Zudem sei eine kleine Gruppe ausgebrochen und habe den Güterverkehr gestoppt. "Damit ist einer der letzten Wege des Hafens blockiert", hieß es vom Bündnis.
Die Polizei setzte schließlich Wasserwerfer auf der Brücke ein. Auch Pfefferspray und Schlagstöcke verwendeten die Beamten. Polizeisprecher Marxsen zufolge hätten einzelne Aktivisten ebenfalls Pfefferspray eingesetzt – doch in einem Tweet ruderte die Polizei zurück: Durch den Einsatz von Pfefferspray entstehe eine Aerosolwolke, die sich auch auf die Einsatzkräfte auswirken könne – somit hätten sich die Beamten selbst verletzen können.
Mit dem Tweet reagierte die Polizei Hamburg auf Kritik an ihrem Einsatz auf der Kattwykbrücke. Eine Sprecherin von Ende Gelände bezeichnete den Vorfall als „einen neuen Höhepunkt an polizeilicher Gewalt und Willkür gegen unsere Klimaproteste“. Ende Gelände twitterte ihrerseits ein Video, auf dem eine Polizeibeamtin zu sehen ist, die Schlagstock und Pfefferspray gegen die Aktivisten verwendet – und sich womöglich dabei auch selbst trifft.
Mit den Aktionen solle der Zusammenhang zwischen fossiler Industrie in Deutschland und den Fördergebieten im globalen Süden unterstrichen werden, begründet Ende Gelände. Der Hamburger Hafen sei ein wichtiger Umschlagplatz für fossile Rohstoffe wie Öl und Kohle, denn dort kämen täglich bis zu 100.000 Tonnen Steinkohle an, vor allem aus Kolumbien, wo sie unter "schweren Menschenrechts- und Umweltverletzungen auf indigenen Territorien" gefördert werde. „Wir blockieren heute den fossilen Kapitalismus“, sagte Charly Dietz, Sprecherin des Bündnisses. Der Hafen stehe für die Plünderung von Ressourcen im globalen Süden und die ungerechte Verteilung von Reichtum.
Extinction Rebellion blockiert Köhlbrandbrücke
Außerdem hatte die Klimabewegung Extinction Rebellion (XR) mittags eine weitere Verbindung in den Hamburger Hafen lahmgelegt. Gegen 13 Uhr blockierten etwa 30 Aktivistinnen und Aktivisten – wie schon häufiger in der Vergangenheit – die Köhlbrandbrücke. "In beiden Richtungen ist der über die Brücke verlaufende Warenverkehr unterbrochen", hieß es in einer Mitteilung der Gruppe.
"Wir blockieren hier eine zentrale Drehscheibe des deutschen Außenhandels, um auf die Folgen des modernen Kolonialismus hinzuweisen. Der Hamburger Hafen ist ein Symbol dafür", sagt XR-Sprecher Dr. Florian Zander, der nach eigenen Angaben über den Hamburger Hafen promoviert hat. "Insbesondere in den Herkunftsländern der gehandelten Güter führt europäisches Wirtschaften zur weltweiten Zerstörung unserer Lebensgrundlagen."
Am Nachmittag holte die Polizei die Aktivisten von der Köhlbrandbrücke, und zwar unter großem Aufwand. Mehrere Menschen hatten sich dort nämlich an einer mitgebrachten Metallwanne befestigt, die mit Zement ausgekleidet war. Den mussten die Polizisten erst mal aufbohren und stückenweise entfernen. Am späten Nachmittag war die Brücke wieder frei.
Klimaaktivisten protestieren in Hamburg gegen LNG
Das linke Bündnis "... ums Ganze!", das ebenfalls am Aufzug beteiligt war, hatte bereits am Morgen Blockadeaktionen angekündigt. Man habe unter anderem dazu aufgerufen, Lieferketten im Hafen gezielt zu unterbrechen, teilte die Gruppe mit. Man wolle den "Protest in den Hamburger Hafen tragen, denn der ist nicht nur ein Symbolort, sondern auch ein neuralgischer Punkt des Kapitalismus", sagte eine Sprecherin.
Der Protest der Klimaaktivisten richtet sich auch gegen die aktuellen Pläne der Bundesregierung, in mehreren Häfen an der Küste LNG-Terminals zu errichten, an denen Flüssiggas ins Gasnetz eingespeist werden kann. "Wir werden uns heute den großen Klimakiller-Konzernen in den Weg stellen und den Gasausstieg selbst in die Hand nehmen. Wer im Jahr 2022 noch in neue fossile Infrastruktur investiert, muss mit unserem Widerstand rechnen", sagte Luka Scott, Sprecherin von Ende Gelände, am Sonnabendmorgen vor Beginn der Auftaktdemo.
Die großen Öl- und Gaskonzerne seien Krisenprofiteure, ergänzte Charly Dietz, ebenfalls Sprecherin des Bündnisses. "Während steigende Preise und die fossile Inflation für viele Menschen zum Armutsrisiko werden, verzeichnet die Öl- und Gasindustrie Milliardengewinne. Das zeigt ganz klar: Wir befinden uns nicht in einer Energiekrise, sondern einer kapitalistischen Verteilungskrise", so Dietz. "Jetzt die fossile Gasindustrie mit Milliarden zu subventionieren statt Verbraucher*innen vor Energiearmut zu schützen, ist ein Skandal und eine Kampfansage an alle, die für Klimagerechtigkeit kämpfen."
Aktivisten besetzen Kran in Wilhelmshaven
Erst am Freitag hatten mehrere Hundert Klimaaktivisten in Wilhelmshaven gegen das geplante Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) protestiert. Sie saßen auf Baufahrzeugen und Baumaterial, besetzten einen Kran und zeigten Transparente mit Slogans wie "Sauberes Gas ist eine Lüge". Viele von ihnen trugen einen weißen Schutzanzug und eine grüne Maske. Am späten Nachmittag zogen die Aktivisten laut Polizei friedlich zum Bahnhof und reisten ab.
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In Hamburg angekommen starteten sie einen spontanen Demozug vom Bahnhof Altona zurück zum Klimacamp. Hinter einem großen Banner mit der Aufschrift "Stop Gas Lock-in, Enter future" zogen sie durch Altona. Auch Pyrotechnik sei in Form grüner Rauchbomben gezündet worden, die Polizei begleitete die nicht angemeldete Aktion.
Demos in Hamburg: Klimacamp: "Massenhaft Aktionen"angekündigt
Zuvor hatten die Umweltaktivisten in Hamburg und weiteren deutschen Städten bereits das Wasser in mehreren Brunnen grün eingefärbt. Dazu hinterließen sie jeweils den Schriftzug "LNG – Leider Nicht Grün" auf dem Boden – und laut Polizei einen Hinweis, dass es sich bei dem Farbstoff um gesundheitlich unbedenkliches Uranin handele. Schon am Montag vor dem Start der Klimawoche hatten sich vier Menschen von der Plaza der Elbphilharmonie an der Fassade abgeseilt und zwei sechs mal 13 Meter große Transparente ausgerollt.
Ende Gelände hat für die Woche im Rahmen des Klimacamps "massenhaft Aktionen des zivilen Ungehorsams" angekündigt.