Ottensen. In Altona kommt es zu einem Bürgerentscheid – obwohl es eigentlich überhaupt nichts mehr zu entscheiden gibt.
Rund 200.000 Euro kostet ein solches Verfahren, etwa 182.000 wahlberechtigte Bürger im Bezirk Altona können dabei Ende September abstimmen: Der Streit um die Bebauung des früheren Zeisekino-Parkplatzes in Ottensen mündet dann in einen offiziellen Bürgerentscheid. Nachdem die Anwohnerinitiative „Pro Wohnen Ottensen“ die nötigen Unterschriften zusammenhatte, stellte für diese bezirksweite Abstimmung jetzt auch die Bezirksversammlung die Weichen und wird bei dem Bürgerentscheid eine Alternativfrage stellen.
„Pro Wohnen Ottensen“ will, dass der Bebauungsplan für den Parkplatz geändert wird und dort Wohngebäude gebaut werden können. Geplant ist aber ein Bürokomplex für rund 850 Mitarbeiter verschiedener Agenturen der britischen Werbe-Holding WPP. Und daher stellt der Bezirk zum Bürgerentscheid nun auf Antrag der SPD die Alternativfrage, ob man dafür sei, dass in Ottensen 850 Arbeitsplätze geschaffen werden. Also könnten sich die Altonaer theoretisch entscheiden, ob auf dem einst städtischen Parkplatz nun das Bürogebäude oder ein Wohnhaus gebaut werden soll. Das erscheint einfach, hat aber einen Schönheitsfehler: Die Abstimmung dürfte folgenlos sein, weil es längst eine Baugenehmigung für das Bürovorhaben gibt. Sollte der Bebauungsplan durch einen Bürgerentscheid geändert werden müssen, gäbe es automatisch einen Bestandsschutz für das bereits genehmigte Projekt, sagt Altonas Bezirksamtsleiterin Liane Melzer (SPD), die die Ausgaben von 200.000 Euro daher als „Demokratiekosten“ bezeichnet.
Aber auch die Initiatoren wissen, dass es eigentlich nichts mehr zu entscheiden gibt. Der Bürgerentscheid sei eine „Abrechnung mit dem Politikstil der Stadt“, sagt ihr Sprecher Hauke Sann. Tatsächlich war das Verfahren zu dem Projekt sehr umstritten, „merkwürdig“, sagt Altonas Grünen-Fraktionschefin Gesche Boehlich. Erst gab es einen Architekten-Wettbewerb, der einen viel gelobten Entwurf mit Sozialwohnungen hervorbrachte. Dann wurde das Projekt plötzlich geändert – und die Stadt verkaufte das Grundstück für den WPP-Bau, wo der Konzern seine Hamburger Firmen konzentrieren möchte. 850 Werber seien aber zu viel für den Stadtteil, glaubt die Initiative.
Die Grünen wollen nun zum Bürgerentscheid einen eigenen Begründungstext zum Abstimmungsbogen formulieren. Tenor: Man enthalte sich, aber so richtig gut sei die Sache mit dem Büro nicht gelaufen. Beim Altonaer Bürgerentscheid wird es daher also voraussichtlich zwei Fragen und drei Begründungen geben – aber keine wirkliche Entscheidungsmöglichkeit. „Langsam wird es absurd“, sagt daher SPD-Fraktionschef Thomas Adrian und fordert eine Gesetzesänderung: Bürgerentscheide sollten künftig nur zugelassen werden, wenn es auch etwas zu entscheiden gibt, fordert er.