Berlin. Statt 1,1 Prozent soll die Wirtschaft nur noch um 0,3 Prozent wachsen. Doch selbst das könnte zu optimistisch sein. Es droht eine Gefahr.

Die Bundesregierung rechnet mit deutlich weniger Wirtschaftswachstum für dieses Jahr als zunächst angenommen. Nur noch um 0,3 Prozent dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandprodukt (BIP) in diesem Jahr wachsen, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin vorstellte. In der im Oktober vorgelegten Herbstprojektion hatte die Regierung noch ein Wachstum von 1,1 Prozent vorausgesagt.

Eine Begründung für die deutlich schwächere Erwartung sei die von der geplatzten Ampel-Koalition erarbeitete Wachstumsinitiative, von der Teile nicht mehr umgesetzt worden seien. Zudem hätten sich die außenwirtschaftlichen Risiken erhöht, was sich negativ auf den Export auswirke.

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    Habeck korrigiert Prognose nach unten: Wirtschaft nur knapp über dem Niveau von 2019

    Zuletzt war Deutschland zwei Jahre in Folge in die Rezession gerutscht. 2023 sank das BIP um 0,3 Prozent, im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent. Selbst wenn die Prognose der Bundesregierung zutrifft, würde das BIP in diesem Jahr nur rund 0,5 Prozent über dem Niveau von vor der Corona-Pandemie aus dem Jahr 2019 liegen. „Das ist historisch Neuland“, sagte Michael Grömling, Leiter der Abteilung für Makroökonomie und Konjunktur am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln dieser Redaktion. „Der Stillstand resultiert aus einer massiven Baukrise und einer insgesamt ebenfalls rückläufigen Industrieproduktion.“ Der Dienstleistungssektor könne das gerade so kompensieren, allerdings belaste der schwache Konsum sowie die Bau- und Industriekrise auch unternehmensnahe Dienstleistungsbereiche.

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    Von einer „schwierigen Ausgangslage“ sprach Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Blick auf die Ergebnisse. Neben den globalen Krisen sei deutlich zu Tage getreten, dass Deutschland unter grundlegenden strukturellen Problemen leide: „Der Arbeits- und Fachkräftemangel, die überbordende Bürokratie, die Investitionsschwäche, sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Investitionen schlagen zu Buche. Die im wahrsten Sinne des Wortes bröselnden Brücken sind ein mahnendes Bild hierfür“, sagte der Grünen-Politiker. Die Investitions- und Konsumlaune sei zudem mit Blick auf die US-Wirtschafts- und Handelspolitik sowie den künftigen Kurs einer neuen Bundesregierung gebremst.

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    Habeck wirbt erneut für Investitionsprämie – Kritik von der FDP

    Habeck warb erneut dafür, Impulse für mehr Investitionen auszulösen. Er selbst hatte bereits einen „Deutschlandfonds“ vorgeschlagen, der eine Investitionsprämie von zehn Prozent beinhalte. Auch müsse das Fachkräfte- und Arbeitskräftepotential gehoben werden – „im Inland und durch Zuwanderung“, sagte der Grünen-Politiker. „Wir können allein schon ökonomisch nicht akzeptieren, dass jeder fünfte zwischen 20 und 35 ohne Berufsabschluss ist“, so Habeck. Zudem müsse Bürokratie abgebaut und der europäische Binnenmärkt gestärkt werden. In diesem Zuge sprach sich Habeck gegen ein dauerhaftes Schließen der Binnengrenzen aus, da es den deutschen Unternehmen viel Geld kosten würde.

    Deutliche Kritik kam dagegen vom ehemaligen Koalitionspartner: „Investoren wenden sich ab, die Bürger sorgen sich um ihren Wohlstand, doch Robert Habeck schiebt die Verantwortung von sich, lullt alle ein und wirft Nebelkerzen“, sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer dieser Redaktion und warf Grünen und SPD eine wirtschaftsfeindliche Politik vor. Zugleich betonte Meyer, an eine Aufholjagd der deutschen Wirtschaft zu glauben. „Deutschland hat das Potential für ein starkes Comeback in der Weltwirtschaft, das werden wir in der nächsten Bundesregierung schaffen“, sagte er. Man müsse wieder zu Wachstum, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit kommen.

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    Zahl der Arbeitslosen könnte um 120.000 Personen steigen

    Zunächst aber dürfte es der Prognose der Bundesregierung zufolge erst einmal trist weitergehen. Positive Effekte des privaten Konsums erhofft sich das Wirtschaftsministerium beispielsweise erst im Frühjahr – nach einer Regierungsbildung. Wobei völlig unklar ist, ob im Frühjahr tatsächlich schon eine Regierung steht, dies würde relativ unkomplizierte Koalitionsverhandlungen voraussetzen, was angesichts der derzeitigen Umfragewerte eher nicht naheliegt.

    Die Wirtschaftsschwäche schlägt sich zudem längst auch auf dem Arbeitsmarkt durch. Reihenweise verkündeten Firmen zuletzt Personalabbau-Pläne, hinzu kommt eine steigende Zahl von Insolvenzen. In diesem Jahr dürfte sich die Zahl der Arbeitslosen um 120.000 Personen erhöhen, kalkuliert das Bundeswirtschaftsministerium.

    Inflation könnte um 2,2 Prozent steigen

    Die Preise dürften der Prognose der Bundesregierung zufolge um 2,2 Prozent in diesem Jahr steigen. Damit läge die Inflation knapp über dem Ziel der Europäischen Zentralbank, die 2 Prozent anvisiert. Vor allem Preise für Dienstleistungen dürften demnach noch einmal aufgrund höherer Lohnabschlüsse anziehen, während die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Energiepreise stabil bleiben.

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    Es könnte allerdings auch alles ganz anders kommen – denn ein wesentliches Risiko ist in den Zahlen nur bedingt berücksichtigt: Sollte US-Präsident Donald Trump seine Zoll-Drohung wahr machen, würde das die exportorientierte Wirtschaft empfindlich treffen. Von „spürbaren direkten und indirekten negativen Auswirkungen auf die deutsche Außen- und Gesamtwirtschaft“ schreibt das Bundeswirtschaftsministerium bei einem solchen Szenario.

    Mittelfristig würde die deutsche Wirtschaftsleistung um bis zu 1,4 Prozent unter dem Niveau ohne Zollerhöhung liegen, heißt es. Rund 10 Prozent weniger Exporte würden dann wohl in die USA gehen, allerdings könnten die deutschen Ausfuhren in andere Länder zunehmen.

    Entsprechend hält auch die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, eine schwächere Entwicklung der Wirtschaft als angenommen für denkbar. „Ein schlechterer Verlauf als die Prognosen bisher sagen, erscheint mir in diesem Jahr leider wahrscheinlicher als ein besserer Verlauf“, sagte die Chefin der sogenannten Wirtschaftsweisen dieser Redaktion. Vieles sei weiterhin unklar und man müsse den Ausgang der Zollverhandlungen abwarten. „Das Wachstum kann durchaus niedriger ausfallen, je nachdem, welche seiner Ankündigungen Trump tatsächlich umsetzt und welche Gegenmaßnahmen die EU oder auch andere Länder ergreifen“, sagte Schnitzer.

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    Deutschland liegt im internationalen Vergleich abgeschlagen zurück

    Die BIP-Prognose der Bundesregierung deckt sich mit der unlängst veröffentlichten Vorhersage des Internationalen Währungsfonds (IWF). Global rechnet der IWF mit einem Wachstum von 3,3 Prozent. Deutschlands Wirtschaftsschwäche ist demnach kein gesamteuropäisches Problem. Spanien etwa könnte in diesem Jahr um 2,3 Prozent wachsen, sagen die IWF-Ökonomen voraus, Großbritannien um 1,6 Prozent und auch Italien (0,7) und Frankreich (0,8) liegen deutlich vor Deutschland. Im internationalen Vergleich wird es noch deutlicher: Die USA könnten mit 2,7 Prozent, China mit 4,6 Prozent und Indien sogar mit 6,5 Prozent wachsen.

    Zwar stieg der ifo-Geschäftsklimaindex zuletzt leicht an, was vor allem auf eine positivere Stimmung im Dienstleistungssektor zurückzuführen ist. Doch die Erwartungen schrauben die Unternehmen immer weiter zurück. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet bereits damit, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr das dritte Mal in Folge schrumpfen wird.