Essen. Guido Kerkhoff wird Nachfolger von Rolf Buch an der Spitze des Initiativkreises Ruhr. Sie sprechen über Trump, die Energiewende und Rheinmetall.
Der Initiativkreis Ruhr, ein Bündnis aus mehr als 70 Unternehmen und Organisationen im Ruhrgebiet, hat eine neue Spitze. Die Vollversammlung wählte am Donnerstag, 21. November, den Vorstandsvorsitzenden des Duisburger Stahlhändlers Klöckner & Co und früheren Thyssenkrupp-Chef, Guido Kerkhoff, zum neuen Moderator. Er tritt die Nachfolge von Vonovia-Chef Rolf Buch an, der den Initiativkreis Ruhr vier Jahre lang führte. Mit Kerkhoff und Buch sprachen wir über über Donald Trump, den Bruch der Ampel-Koalition und die Auswirkungen auf die Ruhrwirtschaft.
Herr Buch, die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle, die Bundesregierung ist zerbrochen und in USA regiert bald wieder Donald Trump, ein Anhänger von Protektionismus und Zöllen. Wie verkraftet die Wirtschaft diese Krisen?
Rolf Buch: Ja, es wird neue Herausforderungen geben. Zölle sind nicht gut für eine Exportnation wie Deutschland. Die Wahl von Donald Trump macht klar, Europa muss enger zusammenrücken. Die europäischen Länder werden zum Beispiel mehr für ihre Sicherheit tun müssen. Ein Beispiel haben wir nun im Initiativkreis: Rheinmetall ist in diesem Jahr Mitglied geworden ist. Vor wenigen Jahren hätte das noch für Diskussionen gesorgt. Jetzt sind wir alle sehr froh darüber.
Guido Kerkhoff: In der Tat ist das Umfeld rauer geworden und uns ist klar geworden, wo wir stehen und wie gut oder eben vielleicht gar nicht gut wir auf sich abzeichnende Herausforderungen vorbereitet sind. Das gilt für Europa, unser Land, unsere Gesellschaft und eben auch für unsere Wirtschaft. Wichtig ist jetzt, dass wir auf diesen Weckruf richtig reagieren.
Herr Kerkhoff, am 23. Februar 2025 wird der Bundestag vorzeitig neu gewählt. Was erwarten Sie von der künftigen Bundesregierung?
Kerkhoff: In den vergangenen Jahren ist in Deutschland eine Menge liegengeblieben. Das zeigt sich auch an der Rezession, die wir jetzt das zweite Jahr in Folge erleben. Es fehlt die Zuversicht, die Exporte schwächeln ebenso wie die Inlandsnachfrage. Für den Aufschwung fehlen die richtigen Rahmenbedingungen und die entscheidenden Stimuli, die Innovation und nachhaltige Investitionen fördern. Es braucht Klarheit, Perspektiven und die Erkenntnis, dass wir zusammenrücken müssen. Und viel wichtiger: Wir müssen endlich wieder ins Handeln kommen. Das erwarte ich von unserer künftigen Regierung.
Ruft die Wirtschaft nicht viel zu sehr nach der Politik, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen?
Kerkhoff: Richtig ist, dass Wirtschaft eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Wandels hat und proaktiv handeln sollte. Allerdings setzt die Politik die Rahmenbedingungen, in denen Wirtschaft gut oder eben schlecht funktioniert. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren ist beispielsweise in der deutschen Industrie eine gewisse Ernüchterung darüber eingetreten, was man wirtschaftspolitisch bewirken kann. Die meisten Unternehmen haben dennoch ihre Hausaufgaben gemacht. Aber es haben sich auch viele Akteure zurückgezogen. Viele verdienen inzwischen ihr Geld zum großen Teil im Ausland. Vielfach ist ihre Stimme nicht gehört worden. Wir brauchen ein Wettbewerbsumfeld, in dem sich Investitionen in Deutschland wieder lohnen.
Buch: Deutschland hat eine Reihe von strukturellen Problemen. Die haben sich allerdings nicht erst in den vergangenen drei Jahren aufgebaut. Schon lange zuvor war Deutschland nicht bereit, genug in Infrastruktur zu investieren. Auch die Wohnungsnot ist nicht in den vergangenen drei Jahren entstanden, sie hat sich in dieser Zeit verschärft. Das ist bei Straßen und Brücken genauso.
Sind Sie optimistisch, dass sich nun etwas ändern wird?
Kerkhoff: Ja, ich bin optimistisch. Ich meine, der Weckruf ist verstanden worden.
Buch: Die Gesellschaft muss jetzt zusammenhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass das, was im Ruhrgebiet passiert ist, auch auf bundesweiter Ebene Wirkung zeigen könnte. Ein Bündnis ähnlich wie der Initiativkreis Ruhr, in dem sich nicht nur Unternehmer, sondern auch Wissenschaftler und Mediziner zusammenschließen, sich austauschen und eigene Projekte starten.
Wie keine andere Wirtschaftsregion ist das Ruhrgebiet von der Energiewende abhängig. Aber das Hochfahren der Wasserstoff-Wirtschaft stockt. Setzt die Region zu einseitig auf Wasserstoff?
Kerkhoff: Der Klimawandel ist real. Deshalb ist es erforderlich umzusteuern. Das Ruhrgebiet setzt stark auf Wasserstoff, was langfristig sinnvoll ist, aber es sollte auch alternative Energiequellen und Technologien fördern und die Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten. Es geht darum, auf eine ausgewogene Strategie zu setzen, die verschiedene nachhaltige Energielösungen baut. So ist es beispielsweise auch richtig, auf grünen Stahl zu setzen. Stahl ist effektiv und zu ihm gibt es keine Alternative. Deshalb ist Stahl Teil der Lösung. Auch wenn grüner Stahl teurer ist, werden sich deshalb die Preise für Endprodukte, z.B. Autos, nur minimal erhöhen.
Buch: Nur, weil es jetzt weitere drängende Themen gibt, können wir ja nicht sagen, dass es keinen Klimawandel gäbe und noch ein paar Jahre warten, bis wir ihn bekämpfen. Dann wird alles nur noch schwieriger. Wasserstoff kann ein Teil der Lösung sein. Das Ruhrgebiet hat nach wie vor sehr gute Voraussetzungen in Bereich Wasserstoff führend zu werden.
Herr Buch, nach vier Jahren an der Spitze des Initiativkreises Ruhr treten Sie ab. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bilanz?
Buch: Die vergangenen Jahre sind rasend schnell vergangen. Es war eine Zeit, in der sich die Welt durch viele Krisen sehr verändert hat. Bei alledem hat die Arbeit im Initiativkreis sehr viel Spaß gemacht, es sind viele neue Freundschaften entstanden. Ich bin in Essen aufgewachsen, arbeite in Bochum. Es lohnt sich, für das Ruhrgebiet zu kämpfen. Und der Initiativkreis Ruhr ist etwas Besonderes. Wo sonst sitzt das Spitzenpersonal so vieler unterschiedlicher Unternehmen und Branchen an einem Tisch und macht gemeinsame Sache im Sinne einer Region? Das gibt es so kein zweites Mal hierzulande.
Der Initiativkreis Ruhr hat sich 2022 aufgemacht, den Duisburger Problem-Stadtteil Hochfeld zu „drehen“. Täuscht es oder ist es wirklich sehr ruhig um dieses Stadtentwicklungsprojekt geworden?
Buch: Es ist ein ambitioniertes Projekt, das wir von Anfang an auf mindestens zehn Jahre angelegt haben, also ein echtes Dekadenprojekt. Wir haben mit einer eigenen GmbH die notwendigen Grundlagen für das Projekt geschaffen, die Stakeholder aus Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft zusammengebracht und die ersten gut sichtbaren Schritte unternommen.
Können Sie Beispiele nennen?
Buch: Wir haben ein Demokratieprojekt aufgesetzt, in dem Kinder spielerisch lernen, was Demokratie bedeutet. Sie können sich wählen lassen und über ein Budget entscheiden. Unsere Bundestagspräsidentin ist Schirmherrin des Projektes. Seit diesem Jahr gibt es auch ein Career Center, das gezielte Berufsberatung für Jugendliche anbietet. Hochfeld ist ein sehr kinderreicher Stadtteil. Darin stecken ganz viele Chancen. Das ganze Projekt ist für uns auch ein Lernprozess. Es hat alles etwas länger gedauert als geplant. Wir sind nun aber insgesamt auf einem guten Weg.
Kerkhoff: Wir arbeiten gemeinsam mit der Stadt daran, ein großes Gebäude in Hochfeld zum Haus der Bildung und Innovation umzubauen und zu entwickeln. Hochfeld ist ein Stadtteil Duisburgs mit vielen Jugendlichen. Daher soll es im Gebäude neben einer Kindertagesstätte ein Zentrum geben, in dem Vonovia Handwerker ausbilden wird. Wir hoffen auf großes Interesse an unserem Angebot, denn das Gebäude soll auch Strahlkraft über Hochfeld hinaus haben.
Herr Kerkhoff, im Hauptberuf führen Sie den Stahlhändler Klöckner & Co, ein Traditionsunternehmen aus Duisburg, das seine Firmenzentrale nach Düsseldorf verlegen will. Warum wollen Sie sich vor diesem Hintergrund für das Ruhrgebiet stark machen?
Kerkhoff: Ja, wir ziehen mit der Holding nach Düsseldorf. Aber alle operativen Einheiten bleiben, wo sie sind. Es gab sehr wenige Immobilien-Angebote in Duisburg, aber umso mehr in Düsseldorf. Dort haben wir uns für Räumlichkeiten entschieden, die unseren Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Wir bleiben in Duisburg aber weiterhin engagiert. Übrigens haben wir viele Partnerunternehmen aus Düsseldorf im Initiativkreis.
Buch: Ich glaube, wir müssen mit diesem Kleinwettbewerb einer Stadt gegen die andere aufhören. Dafür steht im Übrigen auch die neue Generation der Oberbürgermeister. Wir verstehen uns als eine große Region. Die Städte gehen doch ineinander über. Unsere Wettbewerber sind nicht die Städte nebenan, sondern die Metropolen in Europa oder gar in der Welt.
Klöckner ist aber ein Symbol für Duisburg.
Kerkhoff: Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Zudem hat sich die Stadt Duisburg sehr stark um uns bemüht. Aber auch wir kommen an der Realität nicht vorbei. Duisburg war mit Blick auf für uns in Frage kommende Immobilien ausverkauft.
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>>> Initiativkreis Ruhr mit neuem Co-Moderator
Einen Wechsel gibt es auch auf dem Posten des Co-Moderators. Die Vollversammlung des Initiativkreises Ruhr wählte am Donnerstag, 21. November, Götz Erhardt, den Geschäftsführer von Accenture. Das international tätige Beratungsunternehmen, das eine Niederlassung auf der Essener Zeche Zollverein hat, berät Firmen in Fragen der Strategie und der digitalen Transformation.
Erhardt wird Nachfolger von Andreas Maurer, der für das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group tätig ist.