Essen/Krefeld. Die neue Thyssenkrupp-Spartenchefin Ilse Henne baut das Material-Handelsgeschäft um. „Bei Materials Services steht Aufbruch an.“
Die neue Spartenchefin Ilse Henne baut das heimische Werkstoff-Handelsgeschäft um. „Wir stellen unseren Materialhandel in Deutschland neu auf. Das ist auch mit Stellenabbau verbunden“, sagte Henne bei einem Pressetermin in Krefeld. Rund 450 Arbeitsplätze bei der Thyssenkrupp-Sparte Materials Services fallen Unternehmensangaben zufolge weg. Sieben Standorte bei der Thyssenkrupp-Tochterfirma Schulte sollen geschlossen werden – und zwar in Braunschweig, Frankfurt am Main, Kassel, München, Nürnberg und Rheine. Zudem sollen die beiden Thyssenkrupp-Standorte in Bielefeld zu einem zusammengeführt werden.
„Wir konzentrieren uns auf große und mittelgroße Standorte“, erklärte Henne bei einem Gespräch auf dem weitläufigen Betriebsgelände in Krefeld. Der große NRW-Standort ist beispielhaft für die Thyssenkrupp-Strategie. Das Ziel der von ihr geführten Sparte sei, „verstärkt neben dem klassischen Handel auch werkstoffnahe Dienstleistungen anzubieten“, so die Managerin.
Thyssenkrupp entwickle sich „immer mehr vom klassischen Werkstoff-Händler zum Lieferketten-Manager“, sagte auch Konzernchef Miguel López bei der Jahrespressekonferenz und verwies auf Aufträge aus der Luftfahrt-Industrie. Auch die Auto- und Maschinenbaubranche gehört zu den großen Kundengruppen von Thyssenkrupp Materials Services. Mit weltweit rund 16.000 Beschäftigten sieht sich der Thyssenkrupp-Tochterkonzern als Nummer eins seiner Branche in Deutschland und Europa. Über den Globus verteilt betreibt die Sparte Materials Services eigenen Angaben zufolge mehr als 380 Standorte in über 30 Ländern.
Klarer Zeitplan für Standorte vor der Schließung
Die Betriebe in Braunschweig, Frankfurt am Main, Kassel, München, Nürnberg und Rheine sollen im ersten Halbjahr des nächsten Jahres geschlossen werden, erklärte das Unternehmen. Die Zusammenführung der beiden Standorte in Bielefeld erfolge im Jahr 2026.
„Wir streben sozialverträgliche Lösungen für die betroffenen Beschäftigten an“, sagte Spartenchefin Ilse Henne. „In den Gesprächen mit unseren Arbeitnehmervertretern sind wir schon sehr weit.“ Anders als in der Stahlproduktion spielt nicht die IG Metall, sondern die Gewerkschaft Verdi in der Thyssenkrupp-Sparte Materials Services eine wichtige Rolle.
Nach dem bereits vereinbarten Interessenausgleich und einem Sozialplan für die betroffenen Thyssenkrupp-Beschäftigten in den Bereichen Lager und Logistik gebe es mittlerweile auch einen Interessenausgleich für den Vertrieb. Der Sozialplan gelte für beide Bereiche.
„Immer gut mit den Arbeiternehmervertretern zusammengearbeitet“
„Ich kann mit der Hand auf meinem Herzen sagen: Ich habe immer gut mit den Arbeiternehmervertretern zusammengearbeitet. Und das will ich auch weiterhin tun“, betonte Henne. Zur Tatsache, dass die IG Metall in den Unternehmensgremien gegen ihre Berufung als Spartenchefin gestimmt hat, sagte sie: „Toll fand ich das nicht. Aber ich habe es auch nicht persönlich genommen.“ Sie sei mittlerweile 25 Jahre im Unternehmen, fügte sie hinzu: „Mir war und ist es immer wichtig, konstruktiv und optimistisch zu sein. Es geht mir wirklich darum, gemeinsam nach vorne zu schauen.“
Ihren Management-Stil beschreibt Ilse Henne mit den Worten: „Ich stehe für Veränderungen.“ Bezogen auf ihre gegenwärtige Aufgabe bedeute dies: „Bei Materials Services steht Aufbruch an.“ Sie stelle sich immer die Frage: „Was können wir neu, was können wir besser machen? Ich will die Leute mitnehmen, aber auch einen Nordstern platzieren. Das heißt: Es muss klar sein, in welche Richtung wir gehen.“
Ilse Henne: „Am liebsten bin ich mit allen per Du“
Dabei geht Ilse Henne offen und kommunikativ auf die Menschen zu. „Am liebsten bin ich mit allen per Du. Ich habe nie verstanden, dass früher so viel gesiezt wurde im Konzern“, sagte sie. „Wenn ich jemanden im Unternehmen kennenlerne, sage ich fast immer: Ich bin Ilse.“
In der Organisation von Thyssenkrupp Materials Services müsse es aus ihrer Sicht „gelingen, dass die Person Entscheidungen treffen kann, die über die meisten und die besten Informationen verfügt. Das muss nicht immer der Mensch an der Spitze sein“. Sie erwarte, dass im Betrieb die Komplexität grundsätzlich eher zu- als abnehmen werde. „Wichtig ist es, Komplexität zu beherrschen“, so die Managerin. „Ich vergleiche das gerne mit dem Kreisverkehr am Arc de Triomphe in Paris. Wenn zwei Straßen aufeinandertreffen, lässt sich das mit einer Ampel regeln. Vielleicht geht es auch noch bei vier Straßen. Aber bei 16 Straßen funktioniert das nicht. Dazu ist die Komplexität zu hoch. Am besten kann dann entscheiden, wer schon mittendrin ist. Denn dort sind die relevanten Informationen direkt verfügbar.“
Ilse Henne zum TKSE-Aufsichtsratsvorsitz: „Okay, das wird spannend“
Im Vorstand von Materials Services, den sie seit Mitte des Jahres führt, sei ihr der tägliche Austausch wichtig. „Als Vorstand telefonieren wir uns praktisch jeden Abend 15 Minuten zusammen. Das machen wir bei Materials Services so – und auch auf Ebene der AG. Das funktioniert hervorragend.“
Vor wenigen Wochen hat Ilse Henne auch den Aufsichtsratsvorsitz in der Thyssenkrupp-Stahlsparte TKSE mit ihren großen Standorten in Duisburg, Bochum, Gelsenkirchen, Dortmund und in Südwestfalen übernommen – als Nachfolgerin von Sigmar Gabriel. „Als sich herauskristallisiert hat, dass ich den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen werde, habe ich gedacht: Okay, das wird spannend“, sagte die Managerin zu ihrer neuen Aufgabe. „Wir sehen Fortschritte bei der Versachlichung der Diskussion. Zugleich habe ich Respekt für die Leidenschaft, die es mit Blick auf den Stahl gibt.“ Klar sei jedenfalls: „Wir haben fest vor, die Stahlproduktion in Deutschland zu halten.“
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