Hamburg. Die für ihre Postschiffe bekannte norwegische Reederei Hurtigruten vollzieht gerade einen Wandel. Die Chefin verrät, was sich ändert.
Wenn Hurtigruten-Chefin Hedda Felin jenen Standort besuchen will, über den die meisten ihrer Kunden Schiffsreisen nach oder in Norwegen buchen, geht sie nicht etwa in Tromsö oder Oslo ins Büro. Sie nimmt stattdessen den Flieger nach Hamburg. Zuletzt kam das häufiger vor, schließlich gab und gibt es seit dem Monatswechsel viel zu besprechen. Seitdem nämlich wird die neue Firmenstruktur mit Aufspaltung in zwei komplett unabhängig voneinander operierende Marken – Hurtigruten und HX (Hurtigruten Expeditions) – endgültig Realität.
Im zweiten Stock eines Kontorhauses an der renommierten Einkaufsstraße Große Bleichen in der Hansestadt residiert seit vielen Jahren die Deutschland-Zentrale der norwegischen Reederei, die auch für Kunden aus Österreich und der Schweiz erster Ansprechpartner ist. Hier sitzen HX und Hurtigruten räumlich zwar zunächst weiterhin Tür an Tür, die Geschäfte und IT-Systeme laufen allerdings fortan strikt getrennt. Was bleibt, ist die Bedeutung der hiesigen Dependance: „Fast die Hälfte aller Hurtigruten-Passagiere kommt aus dem sogenannten DACH-Markt“, erklärt Felin beim Gespräch mit unserer Redaktion. Deshalb sei der Standort an der Alster für sie so wichtig.
Hurtigruten: Seit 2021 fährt regelmäßig ein Schiff ab Hamburg
Das ist aus aber noch nicht alles. Es gibt nämlich seit 2021 mit der „Otto Sverdrup“ ein aufwendig modernisiertes Hurtigruten-Schiff, das überwiegend deutschsprachig ist und ganzjährig alle zwei Wochen ab Hamburg Richtung Norwegen ablegt. In Etappen geht es 14 Tage lang hoch bis zum Nordkap und wieder zurück. Der Reiseverlauf ist an die klassische Postschiff-Route angelegt, die Aufenthalte vor Ort sind allerdings länger als beim Original.
Doch was genau ist eigentlich ein norwegisches Postschiff? Um diese Frage zu beantworten, ist ein Blick in die Geschichtsbücher notwendig: Weil im ausgehenden 19. Jahrhundert eine zuverlässige Verbindung zwischen der Nord- und der Südküste Norwegens gesucht wurde, um tonnenweise frischen Fisch sowie weitere Waren, Postsendungen und Passagiere von Ort zu Ort zu bringen, forderte die Regierung 1891 örtliche Reedereien auf, Konzepte für den Betrieb einer neuen, schnellen Route einzureichen, die auch nach Einbruch der Dunkelheit befahrbar sein sollte. Dieses Vorhaben umzusetzen, galt aufgrund der bis dahin mangelhaften Kartierungen als aufwendig und gefährlich, weshalb sich erst zwei Jahre später mit Kapitän Richard With der erste hinreichend erfahrene Dampfschiffbesitzer fand.
Hurtigruten-Geschichte begann 1893 mit einem mutigen Kapitän
Am 2. Juli 1893 legte dessen „Vesterålen“ in Trondheim zur Premierenfahrt ab. Drei Tage und neun Häfen später war Hammerfest erreicht und die schnelle Postschiffroute (Hurtigruta) geboren – für die Bewohner an der Küste eine ganz neue Form, miteinander in Verbindung zu bleiben. Den staatlich ausgeschriebenen und wegen schwacher Auslastung im Winter subventionierten Schiffsservice, der auch in kurzen Teiletappen nutzbar ist, gibt es bis heute. Dabei werden auf den rund 2750 Kilometern zwischen Bergen und Kirkenes in sechs Tagen pro Richtung insgesamt 34 Orte an der Küste bedient. Und das, obwohl Pakete und Briefe schon seit 1984 nicht mehr per Schiff die Empfänger erreichen, sondern auf dem Landweg.
Seit Jahrzehnten ist dieses Angebot bei Touristen ebenfalls sehr beliebt. Denn: „Auf der Postschiff-Route kommen Passagiere mit vergleichsweise kleinen Schiffen mehrmals täglich in unterschiedlichen Häfen an und erleben Norwegen viel intensiver als auf jede andere Art“, sagt Hedda Felin, die Ende 2020 zur Chefin von Hurtigruten Norway ernannt wurde und innerhalb der Hurtigruten Group den Betrieb der Postschiffflotte verantwortet. Dass im Sommer zudem Trollfjord und Geirangerfjord als Highlights angelaufen werden, ist dabei vorrangig den Urlaubern geschuldet.
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Neuer Postschiff-Wettbewerber Havila macht Hurtigruten Konkurrenz
Elf Schiffe sind nötig, um täglich die knapp drei Dutzend Küstenorte wie vorgeschrieben bei fast jeder Witterung pünktlich zu erreichen. Bis vor fünf Jahren stellte die Hurtigruten Group, die 2015 von der Börse genommen wurde und seitdem dem britischen Finanzinvestor TDR Capital gehört, die komplette Flotte dafür. Doch dann sah sich Norwegens Regierung aus Wettbewerbsgründen genötigt, den Service neu auszuschreiben. Zwei von drei Paketen gingen erneut an Hurtigruten, eines fiel an den neuen Wettbewerber Havila Kystruten. Dieser betreibt, nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten, nun vier neu gebaute Schiffe auf derselben Route. Hurtigruten steuert sieben Schiffe im Liniendienst bei.
Um sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für jene Schiffe zu finden, die Hurtigruten von den Postschiffdiensten abziehen musste, wurde zunächst der Expeditionsbereich (Hurtigruten Expeditions, heute HX) weiter ausgebaut. Dieser führte fortan nicht nur speziell für Einsätze in Polarregionen gebaute Schiffe wie „Fram“, „Fridtjof Nansen“ und „Roald Amundsen“ in entlegene Gebiete, sondern zeitweise auch „geparkte“ Postschiffe. Zudem entstand der Plan, mit einem Expeditionsschiff regelmäßig ab Hamburg zu fahren. Dieses steht mittlerweile aber wieder unter der Regie von Hurtigruten-Chefin Felin.
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HX hat einen eigenen CEO, er heißt Gebhard Rainer und kam 2024 vom Hotelresort-Betreiber Sandals. Von London aus will er seine Expeditionsreisen nun deutlich internationaler vermarkten, besonders den US-Markt hat er im Visier. Bislang allerdings ist der Ausbau dieser Sparte für die Hurtigruten Group – auch wegen der Corona-Pandemie und den Kosten für die Neubauten – ein finanzieller Kraftakt gewesen.
Geschäftszahlen von Expeditionen und Stammgeschäft klaffen auseinander
Ein Blick in die letzten verfügbaren Quartalszahlen (Q2/2024) zeigt, dass die Expeditionssparte mit ihren fünf Schiffen trotz durchaus beachtlicher Umsätze die Gewinne des Basisgeschäfts von Hurtigruten derzeit mehr als auffrisst: Einem EBITDA-Plus von 12,8 Millionen Euro bei den Postschiffen steht da ein Minus von 21,8 Millionen Euro gegenüber. Und das keineswegs zum ersten Mal: Im Gesamtjahr 2023 gab es ein Hurtigruten-Plus von knapp 45 Millionen Euro und ein HX-Minus von 47,1 Millionen Euro.
Mehrfach wurde berichtet, dass die Eigentümer der Hurtigruten Group Millionen nachschießen mussten, um die Liquidität zu sichern. Naheliegend wäre es, wenn TDR Capital den Firmensplit irgendwann nutzt, um Teile der Hurtigruten Group wieder an die Börse zu bringen oder an andere Investoren weiterzureichen, um das investierte Geld wieder reinzuholen. Ob es diese Pläne tatsächlich gibt, ist nicht bekannt.
Erstes Null-Emmissionen-Kreuzfahrtschiff soll in sechs Jahren in Betrieb gehen
So oder so kann sich Hedda Felin weiter darauf konzentrieren, ihr erfolgreiches Norwegengeschäft auszubauen. Und auch da gibt es genug zu tun. Zusätzlich zur „Otto Sverdrup“ listet die Hurtigruten-Website derzeit neun weitere Schiffe für Norwegenfahrten auf, darunter die ehemalige „Maud“ von HX, die künftig als „Midnatsol“ fahren wird. Neben dem reinen Liniendienst stehen verschiedene Schiffsreisen an der norwegischen Küste auf dem Programm, die unter dem Label „Signature“ längere Aufenthalte sowie ein All-inclusive-Bordangebot mit Getränken und Vorträgen von Expertenteams beinhalten.
Ein besonderer Fokus bei Hurtigruten liegt seit Jahren auf dem Thema Nachhaltigkeit. Schon heute ist die Reederei führend im Kreuzfahrt-Umweltranking des Nabu, weil man die Schiffe modernisiert und viele Abläufe an Bord verbessert hat. Auch das Projekt „Sea Zero“ wurde angeschoben: Neben weiteren Verbesserungen innerhalb der bestehenden Flotte, zu denen neben optimierter Abgasreinigung die Verwendung von Bio-Fuel sowie das Ausnutzen von spritsparender Hybridtechnologie („Peak shaving“) gehört, soll schon in sechs Jahren ein erstes Null-Emissionen-Kreuzfahrtschiff in Betrieb gehen.
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Hurtigruten bereitet mit „Sea Zero“ die emissionsfreie Schifffahrt vor
Kernpunkte von „Sea Zero“, das zusammen mit der Vard-Werft und Wissenschaftlern von Sintef realisiert werden soll, sind leistungsstarke 60-MwH-Batterien, neuartige Segel, der stromlinienoptimierte Schiffskörper, ein Luftblasenteppich unter dem Rumpf und viele weitere innovative Lösungen, die den Energieverbrauch um 40 bis 50 Prozent gegenüber herkömmlichen Schiffen senken sollen. Da zum Konzept das konsequente Nutzen von Landstrom gehört, wäre ein komplett emissionsfreier Einsatz möglich. Einer der Knackpunkte bei den Segeln, an denen gerade gearbeitet wird, ist die Frage, wie sich diese unter Brücken abknicken lassen. „Dass die Segel an sich funktionieren, wissen wir schon aus der Praxis. Nun wird geprüft, wie diese Technologie für uns nutzbar ist“, sagt Felin.
Die Kreuzfahrtbranche sei „ein erheblicher Umweltverschmutzer, und es ist entscheidend, dass hier jetzt große Schritte zur Reduzierung der Emissionen unternommen werden“, so Felin. „Unser Ziel bei Hurtigruten ist es, bis etwa 2030 ein emissionsfreies Schiff in Betrieb zu haben. Wir befinden uns derzeit in der Forschungs- und Entwicklungsphase, haben aber schon erhebliche Fortschritte erzielt.“ Enttäuscht hat die Hurtigruten-Chefin in diesem Zusammenhang, dass Norwegens Regierung kürzlich die ab 2026 geplante Vorschrift, bestimmte Fjorde nur noch lokal emissionsfrei befahren zu dürfen, auf das Jahr 2032 vertagt hat. „Ich wünsche mir strengere Vorschriften“, sagt Felin sehr deutlich und mit Blick auf die zunehmende Konkurrenz durch große Kreuzfahrtschiffe.
Hurtigruten-Schiff „Otto Sverdrup“ kann Hamburger Landstrom nicht nutzen
Bei all diesen Plänen klingt unverständlich, dass die landstromfähige „Otto Sverdrup“ ausgerechnet in Hamburg bislang noch nie mit ebendiesem versorgt worden ist, obwohl es hier inzwischen zwei Anlagen gibt. Die Hamburger Anlagen sind allerdings beide als 10.000-Volt-Anschlüsse ausgelegt, was zu viel sei für das norwegische Schiff, welches mit einer niedrigeren Spannung als große Oceanliner operiere. In Norwegen hingegen werde überall dort Landstrom genutzt, wo dieser bereits verfügbar sei.
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