Essen. Bundeskanzler Scholz gratulierte dem Essener Chemiehändler Brenntag zum 150. Geburtstag. Er ging auf Entlastungen für die Industrie ein.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der deutschen Industrie Mut zugesprochen und weitere Entlastungen in Aussicht gestellt. „Unsere heimische Industrie hat es gerade nicht leicht“, sagte der Regierungschef am Mittwochabend bei einem Auftritt auf der Zeche Zollverein in Essen. Es gebe insbesondere wegen der Entwicklung der Energiepreise große Unsicherheit. „Aber Deutschland braucht eine starke Industrie“, erklärte er.
Scholz sprach vor internationalen 400 Gästen, die der weltgrößte Chemiehändler anlässlich seines 150. Firmengeburtstages in die Grandhall auf Zollverein eingeladen hatte. Der Kanzler räumte ein, dass die deutsche Industrie auch unter einer überbordenden Bürokratie leide. „Auch die EU muss Bürokratie abbauen. Wie gut, dass ich gleich nach Brüssel fahre“, sagte Scholz im Hinblick auf seine Weiterreise zum EU-Gipfel.
Insbesondere der Chemieindustrie, mit deren Produkte die Brenntag handelt, leide aber vor allem unter hohen Energiepreisen. Der Kanzler, der einen vergünstigten Industriestrom bislang ablehnt, kündigte an, weitere Unternehmen bei der Zahlung von Netzentgelten zu entlasten. „Wir haben die Chemie fest im Blick. Deutschland wird ein starker Chemiestandort bleiben“, rief Scholz unter dem Beifall der Brenntag-Gäste. Ein Gefühl, das er vor dem Hintergrund der scharfen Kritik an der Politik der Ampel-Koalition aus der Wirtschaft zuletzt selten gespürt haben mag.
Der Kanzler ging auf das Jubiläum der Brenntag ein. Der heutige Dax-Konzern und Weltmarktführer fand seinen Ursprung vor 150 Jahren, als der jüdische Unternehmer Philipp Mühsam in Berlin einen Eiergroßhandel gründete. Im Laufe der Jahrzehnte kamen immer mehr Produkte dazu, insbesondere auch Chemikalien.
Brenntag wurde an die Stinnes-Dynastie verkauft
In dem stetigen Wandel sieht Scholz auch das Erfolgsrezept der Brenntag. „Philipp Mühsam hatte Mut, Gespür und Anpassungsvermögen. Die Bereitschaft zu Veränderungen zieht sich bis heute durch das Unternehmen“, lobte Scholz. Weltoffenheit sei für Deutschland als Exportland extrem wichtig. Deshalb müsse es die Ambition der hiesigen Wirtschaft bleiben, „nicht die besten Zölle zu haben, sondern die besten Produkte zu verkaufen.“
Unter dem Druck der Nazis wurde die Mühsam AG während des Zweiten Weltkriegs an die Mülheimer Unternehmer-Dynastie Stinnes verkauft. Ab 1939 firmierte die Firma unter dem Namen Brennstoff-, Chemikalien- und Transport AG, kurz Brenntag, und zog nach Mülheim um. 2017 bezog der Konzern eine neue Zentrale in Essen.
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