Berlin. Deutschland wird für seine Wirtschaftsflaute verspottet. Niedrigere Zinsen können helfen. Ein Allheilmittel sind sie aber nicht.
Das Überraschendste am Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) war noch der Ort: In der slowenischen Hauptstadt Ljubljana trat EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag vor die Mikrofone, um die Absenkung des Leitzinses um einen Viertelprozentpunkt zu verkünden. Künftig wird der Zinssatz, für den die Geschäftsbanken Geld bei der EZB parken können, also bei 3,25 statt wie bisher bei 3,5 Prozent liegen.
Dass ein Drehen an der Zinsschraube nicht im EZB-Hauptsitz in Frankfurt am Main, sondern auf einem auswärtigen Treffen der Notenbanker verkündet wird, ist selten. Es verdeutlicht aber die Dringlichkeit, die die Notenbanker darin sehen, mit nun raschen Zinssenkungen die Konjunktur wieder beleben zu wollen. Als Tauben werden jene Notenbanker bezeichnet, die auf niedrigere Zinsen und billiges Geld drängen. Und ihr Gurren übertönt aktuell deutlich den Ruf der sogenannten Falken, die für eine straffe Geldpolitik stehen.
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Deutsche Wirtschaft in der Krise – das sorgt für eine neue Rolle
Traditionell gehören deutsche Bundesbanker dem Lager der Falken an. Sie beharren auf der Kernaufgabe der EZB: Preisstabilität herstellen. Kein Wunder, immerhin sind die historischen Erfahrungen mit der Inflation in Deutschland traumatisch. Lange konnte man aus einer Position der Stärke heraus argumentieren. Die deutsche Wirtschaft wuchs über viele Jahre solide. Bis zum Corona-Crash stand beim realen Bruttoinlandsprodukt, also dem von der Preisentwicklung unabhängigen Wirtschaftswachstum, zehn Jahre in Folge ein Plus.
Das hat sich verändert. Gerade erst musste Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Konjunkturprognose nach unten korrigieren. Es droht das zweite Rezessionsjahr in Folge. Unter den großen Industrienationen dürfte Deutschland bei der konjunkturellen Entwicklung Schlusslicht in diesem Jahr sein.
Selbst bei der Schuldenregel im Verzug
Das ist besonders peinlich, wenn man sich an die Jahre des Wachstums zurückerinnert. Die Wirtschaft wuchs nicht nur. Es mangelte auch nicht aus Reihen der Politik und Wirtschaft an Ratschlägen an unsere Nachbarn und andere EU-Staaten, was man dringend besser machen müsse, wie man von der großen Innovationskraft der deutschen Wirtschaft lernen könne und wie man Wirtschaftswachstum mit soliden Finanzen in Einklang bringe. Und jetzt? Deutschland, dessen Finanzminister so stolz auf die Schuldenbremse ist, wird in diesem Jahr wohl um Aufschub bitten, um die EU-Schuldenregeln einzuhalten.
Für diese Entwicklung gibt es mittlerweile reichlich Spott aus dem Ausland. Der frühere griechische Energieminister Panagiotis Lafazanis war sich im vergangenen Jahr nicht zu schade, Deutschland vorzuschlagen, seine Inseln zu verkaufen. Eine solche Debatte wurde 2010 in Deutschland geführt, über Griechenland, das in diesem Jahr übrigens um rund 2,2 Prozent wachsen wird.
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Die Wirtschaft anzukurbeln ist eine nationale Aufgabe
Nun ist es die deutsche Wirtschaft, die Zinssenkungen herbeisehnt. Jede Zinssenkung ist ein kleiner Hoffnungsschimmer, kann womöglich Investitionen begünstigen. Mehr ist sie aber nicht. Die deutsche Krise ist vielschichtiger.
Das Zutrauen in die Ampel-Koalition ist auch in den Führungsetagen auf einem Nullpunkt angekommen. Wer es sich leisten kann, stellt seine Investitionen in der Hoffnung zurück, dass mit einer neuen Bundesregierung neue Förderprogramme und damit neuer Schwung in die Wirtschaft kommen. Das aber wird noch dauern. Es bräuchte schon jetzt eine neue Aufbruchstimmung im Land. Das aber ist nicht Aufgabe der EZB. Es ist Aufgabe der nationalen Politik. Nur fehlt der Glaube an die Ampel-Koalition, dass sie diese Stimmung noch erzeugen kann.
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