Berlin. Riester ist für viele Versicherte ein Reinfall. Was man als Betroffener tun kann. Altersvorsorgeexpertin Sandra Klug gibt Tipps.
Ist die Rente noch sicher? Was können Versicherte selbst privat tun, um im Alter auch finanziell sorgenfrei leben zu können? Sandra Klug ist Altersvorsorge- und Rentenexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. An dieser Stelle beantwortet sie regelmäßig Fragen zu den Themen private Vorsorge und Rente. Heute: Die hinter den Erwartungen zurückgebliebene Riester-Rente und die Folgen für Versicherte.
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Laut Bundesfinanzministerium bringt die Riester-Rente Versicherten im Alter im Durchschnitt nur 1581,12 Euro im Jahr. Demnach bekommen 80,4 Prozent der Betroffenen unter 2000 Euro im Jahr, 31,1 Prozent sogar weniger als 500 Euro. Nur 1,3 Prozent erhalten mindestens 10.000 Euro Zusatz-Rente – also ab 833 Euro im Monat. Wie bewerten Sie die Zahlen?
Sandra Klug: Ich bin überrascht, wie gut die Zahlen sein sollen. Das, was wir hier im Beratungsalltag sehen, ist noch darunter, etwa um die 40 bis 50 Euro im Monat. Tatsächlich treffen wir hier häufig auf enttäuschte Menschen, die dachten, 20 Jahre lang etwas für ihre Altersversorgung getan zu haben, und dann gerade mal einen Betrag erhalten, der kaum ausreicht, um einmal im Monat essen zu gehen. Das ist für die Versicherten total frustrierend und für die Rente auch nichts, was sich lohnt. Mit Blick auf die Zahlen muss man sagen: Riester ist gescheitert!
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Was ist das Hauptproblem bei Riester?
Eigentlich gibt es mehrere Probleme. Die Idee bei Riester war ja, dass man die Rente aufbessert. Aber mit so kleinen Beträgen wird das nichts. Besser wäre, man könnte sich in solchen Fällen bei Rentenbeginn die Summe ganz auszahlen lassen. Dann hätten die Versicherten aktuell immerhin etwa zwischen 20.000 und 30.000 Euro. Damit könnte man im Gegensatz zu 40 Euro im Monat ja schon was anfangen. Leider kann man sich bei Riester nur 30 Prozent des Kapitals auszahlen lassen oder man verliert alle Steuervorteile und Zuschüsse. Aber tatsächlich kann das in manchen Fällen auch eine Option sein, wirklich zu kündigen.
Welche Nachteile gibt es noch?
Ein weiteres Problem liegt in den Verträgen. Es gibt schlicht keine guten am Markt, nur wahnsinnig teure. Durch die hohen Kosten werden etwaige Renditen aufgefressen. Auch die Höhe der Renten und die Rentenfaktoren sind ein Problem. Bei vielen Riester-Verträgen müssen die Menschen sehr alt werden, um überhaupt das herauszubekommen, was bei Rentenbeginn im Spartopf liegt. Das ist also eine Wette auf das eigene Leben, die gut ausgehen kann, wenn man wie Jopi Heesters 108 wird. Die meisten werden das nicht.
Was würden Sie Menschen raten, die jetzt einen Riester-Vertrag haben?
Dafür gibt es leider keine pauschale Antwort. Man muss sich jeden Vertrag einzeln angucken. Riester lebt ja eigentlich von Zulagen, die man für sich und gegebenenfalls auch für Kinder bekommt. Wenn jemand zum Beispiel geringfügig beschäftigt ist und drei Kinder hat, dann kann sich so ein Vertrag trotzdem lohnen. Man zahlt selber kaum etwas ein, aber die Zulagen füllen den Vertrag recht ordentlich. Riesterverträge werden oft mit einer steuerlichen Absetzbarkeit beworben, deshalb soll es sich auch für Gutverdiener lohnen. Wir warnen davor, das pauschal so zu sehen. Denn Steuervorteil jetzt heißt immer Steuernachteil im Alter. Das bedeutet, wenn die Rente ausgezahlt wird, muss sie versteuert werden. Damit ist es dann häufig nur eine Steuerverschiebung und kein -vorteil. Am Ende muss man aber jeden Vertrag einzeln in die Hand nehmen und bewerten und die Situation der Verbraucher mitberücksichtigen.
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Also kündigen nicht in jedem Fall?
Das kann durchaus eine Option sein, aber eben nicht immer. Es gibt auch noch die Möglichkeit, den Vertrag beitragsfrei zu stellen oder eben auch weiter einzuzahlen, zumindest, solange man gute Zulagen erhält.
Würden Sie jüngere Menschen heute noch dazu raten, einen Riester-Vertrag abzuschließen?
Für die breite Masse eignet es sich nicht. Für diejenigen mit geringerem Verdienst und vielen Kinderzulagen kann es vielleicht mal Sinn ergeben. Und dann muss man gucken, dass man den Einäugigen unter den Blinden findet. Das heißt, einen Anbieter zu finden, der möglichst geringe Kosten hat.
Was müsste sich bei der geförderten privaten Altersvorsorge ändern?
Grundsätzlich sollte es ein Altersvorsorgeprodukt für alle geben. Also ein staatlich gefördertes Angebot, mit dem man einfach nichts falsch machen kann, mit einer hoffentlich guten Rendite. Das wäre sinnvoll. Wir gehen davon aus, dass Riester demnächst reformiert wird. Was sich dann am System ändern wird, müssen wir abwarten. Ob es das wirklich besser macht, auch. Was am Ende nichts nützt, ist, wenn da wieder wahnsinnig teure Versicherungsprodukte stehen, die die Zulagen auffressen und die nur wenig Rente abwerfen.