Essen. Immobiliengruppe sucht Käufer für Siedlungen in NRW, vor allem in Duisburg. Vonovia soll Interesse haben. Wie stark die Mieten steigen könnten.

Der Wohnungskonzern Adler Group hat in den vergangenen Jahren der Immobilienkrise Milliarden verloren und steckt in der Krise. Jetzt will er Tausende Wohnungen – die meisten davon im Ruhrgebiet – verkaufen. Die Rede ist davon, dass das Bochumer Dax-Unternehmen Vonovia ein heißer Kandidat ist. Aus internen Unterlagen nähren sich Sorgen der Betroffenen, dass die Mieten für rund 7000 betroffene Familien erheblich steigen könnten.

Beethovenstraße, Mozartstraße, Lortzingstraße, Brückenstraße – die Gebäuderiegel der Adler Group im Duisburger Stadtteil Rheinhausen liegen zwischen üppigen Grünstreifen an verkehrsarmen Straßen. Ganz in der Nähe sind die Rheinhausen-Halle und das legendäre ehemalige Tor 1 der Krupp-Hüttenwerke, deren Industrieanlagen längst abgerissen wurden. In einem kleinen Park spielen Kinder Fußball. Einige Häuser wirken frisch modernisiert, andere dagegen abgewohnt. In einem Schaukasten des Eigentümers, der Adler Group, hängen vergilbte Wohnungsangebote aus dem Jahr 2021. Das Mieterbüro scheint geschlossen. An der Tür ist die Bitte zu lesen, eine Telefonnummer in Hamburg anzurufen.

Adler will 4918 Wohnungen allein in Rheinhausen verkaufen

Aus einer englischsprachigen Verkaufspräsentation, die den Stempel „strictly confidential“ (streng vertraulich) trägt und die unserer Redaktion in Auszügen vorliegt, ist ersichtlich, dass sich Adler hier in Rheinhausen von 4918 Wohnungen trennen will. Zu dem Verkaufspaket gehören demnach zusätzlich 507 Wohnungen in Essen, 607 in Oberhausen, 330 in Dortmund und 511 in Düsseldorf. Den Wert der Immobilien beziffert das Unternehmen, das seinen Sitz in Luxemburg hat, auf 587 Millionen Euro.

Knapp 5000 Wohnungen will die Adler Group allein in Duisburg-Rheinhausen verkaufen.
Knapp 5000 Wohnungen will die Adler Group allein in Duisburg-Rheinhausen verkaufen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt eine Sprecherin der Adler Group, dass man verkaufen wolle. „Wir haben mehrere Anfragen von Interessenten für dieses Portfolio erhalten und prüfen derzeit die beste Option für das Unternehmen“, schreibt Dobroslawa Pazder. Einzelheiten will sie nicht nennen.

Mieteinnahmen könnten um 14 Prozent steigen

Dabei dürfte besorgte Mieter eine spezielle Zahl aus der Präsentation, die möglichen Investoren den Mund wässrig machen soll, ganz besonders interessieren: Adler sieht das Potenzial, die aktuellen Mieteinnahmen in Höhe von 32,6 Millionen Euro jährlich auf 37,5 Millionen Euro steigern zu können. In Verhandlungen mit Vonovia soll sogar von 38,5 Millionen Euro die Rede gewesen sein, heißt es. Die durchschnittliche Kaltmiete könnte also von aktuell 6,25 auf 7,11 Euro pro Quadratmeter steigen. Deshalb geht bereits das Gespenst um, die Mieten könnten mit dem Verkauf des Wohnungspakets um 14 Prozent steigen.

Ob die Befürchtungen eintreten, ist aber noch völlig offen. Neue Eigentümer werden sich an den in den jeweiligen Städten geltenden Mietspiegeln orientieren müssen. Danach dürfen die Mieten bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete innerhalb von drei Jahren um 20 Prozent angehoben werden. In Düsseldorf, wo die Mietpreisbremse greift, sind es 15 Prozent. Auf dem besonders angespannten Wohnungsmarkt in Berlin musste sich Vonovia gerade in diesem Sommer einer Debatte stellen, ob sie die Mieten um bis zu 15 Prozent erhöhen kann – trotz der Selbstverpflichtung des Unternehmens im Rahmen des Berliner Wohnungsbündnisses, ein Limit von elf Prozent nicht zu überschreiten.

Vonovia verkaufte zahlreiche Immobilien

Auf Anfrage unserer Redaktion wollte sich Vonovia nicht zu einem möglichen Interesse an dem größeren Wohnungspaket von Adler im Ruhrgebiet und in Düsseldorf äußern. „Zu Marktgerüchten und Spekulationen nehmen wir generell keine Stellung“, sagte Sprecherin Nina Henckel. Sollten die Bochumer den Zuschlag bekommen, wäre das freilich eine Abkehr von der bisherigen Krisenstrategie der vergangenen zwei Jahre. Insbesondere aufgrund gestiegener Kreditzinsen und Baukosten musste Vonovia den Buchwert seiner mehr als 500.000 Wohnungen erheblich nach unten korrigieren. Allein im Jahr 2023 waren es 4,1 Milliarden Euro, im ersten Halbjahr 2024 noch einmal 529 Millionen Euro.

In der Folge stellte der Dax-Konzern seine Neubau-Aktivitäten fast komplett ein und verkaufte im großen Stil Immobilien, um Liquidität zu erhalten. Seit Jahresbeginn hat Vonovia nach eigenen Angaben Gebäude im Wert von 3,3 Milliarden Euro verkauft. Bis zum Jahresende will der Vorstand um seinen Chef Rolf Buch rund vier Milliarden Euro eingesammelt haben. Im Sommer hatte Buch die Krise seines Dax-Konzerns für beendet erklärt und durchblicken lassen, dass er neue Einkäufe wieder für möglich halte.

Adler Group machte Millionen-Verluste

In einer viel schwierigeren Lage ist dagegen die Adler Group. Das Unternehmen mit seinen noch 25.000 Wohnungen in Berlin und NRW hatte in der Immobilien-Krise Milliardenverluste angehäuft. Unsere Zeitung berichtete in ihren Lokalteilen immer wieder über Probleme von Adler-Mietern mit kalten Heizungen, Wasserschäden oder fehlenden Bädern.

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