Berlin. Viele junge Menschen sorgen sich um die Rente. Doch auch sie können vorsorgen. Sieben Tipps zur finanziellen Unabhängigkeit im Alter.

Wer jung ist, denkt selten ans Alter – schon gar nicht an die Rente. Doch das ist ein großer Fehler, wissen Finanzexperten. Denn wer früh beginnt, regelmäßig zu investieren, kann sich über die Jahre ein fettes Polster aufbauen. Spätestens mit dem ersten Gehalt nach der Ausbildung oder nach dem Studium ist die Zeit reif dafür. Wie sollten 30-jährige Frauen und Männer vorsorgen, damit sie nicht in der Altersarmut landen? Drei Finanzexperten geben entscheidende Tipps.

Finanziell unabhängig: Müssen junge Frauen anders vorsorgen als Männer?  

Frauen haben häufig brüchige Erwerbsbiografien. Wegen der Kinder arbeiten sie in Teilzeit, ihre Rente fällt oft niedriger aus als bei Männern. Umso besser sollten sie privat vorsorgen. Allerdings brauchen sie dafür keine Produkte, die sich speziell an Frauen richten. „Geldanlage ist Geldanlage – egal ob für Männer oder Frauen. Es gibt nur sinnvolle und nicht sinnvolle Geldanlagen“, sagt die Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, Sandra Klug. „Geldanlagen, die sich einen rosa Anstrich geben und nur an Frauen richten, sind unseriös und Quatsch.“

Worauf muss man am Anfang besonders achten?

Jeder muss die Produkte für seinen persönlichen Bedarf aussuchen. Das ist individuell verschieden. „Es kommt auf die Ausgangslage an: Wo stehe ich, wo will ich hin, wie erreiche ich das?“, rät Klug. Wie viel angelegt werden kann, richtet sich auch danach, wie viel Geld am Monatsende übrig ist. Es spielt eine Rolle, ob der Erwerb einer Immobilie geplant ist und wie hoch die eigene Risikobereitschaft ist. Klug empfiehlt eine persönliche Finanzberatung durch eine Verbraucherzentrale, die für 180 Euro einen persönlichen Finanzfahrplan aufstellt oder durch unabhängige Honorarberater. „Geht es um Gruppen-Finanzcoachings oder Influencerratschläge, raten wir zur Vorsicht. Oft sind die Angebote sehr teuer oder es werden überflüssige Versicherungen angepriesen.“

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Was ist richtig wichtig?

Zwei Dinge sind zum Start besonders wichtig, rät Emil Nefzger von Finanztip: Ein „Notgroschen“, falls man zum Beispiel beim Jobwechsel Monate ohne Gehalt überbrücken muss. Dieser sollte drei bis sechs Netto-Monatsgehälter umfassen, die auf einem gut verzinsten Tagesgeldkonto geparkt werden.

Zweitens sollte man sich schon im Studium um eine Berufsunfähigkeitsversicherung kümmern. „Mit ihr sichert man sich gegen ein großes Armutsrisiko ab: den Verlust der eigenen Arbeitskraft“, raten sowohl Nefzger als auch Klug. Je früher man diese Versicherung abschließt, desto günstiger ist sie. Denn bestimmte Krankheiten wie Burnout oder Depressionen können die Versicherung deutlich teurer machen.

Wie viel Geld muss man pro Monat investieren?

Die Höhe ist nicht entscheidend, Hauptsache man beginnt, sagt Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA). „Jüngere haben zwei starke Verbündete auf Ihrer Seite: den langen Zeitraum, der für die Vorsorge bleibt, und der daraus resultierende Zinseszinseffekt.“ Man könne mit 50 Euro monatlich beginnen und dies dann mit dem Gehalt steigern, rät Nefzger von Finanztip: „20 Prozent des Nettoeinkommens sollten in den Vermögensaufbau fließen. Das wären bei 2.000 Euro netto im Monat 400 Euro.“

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Welche Anlagen sind empfehlenswert?

Finanztip empfiehlt das „4-Töpfe-Prinzip“. Das heißt: Girokonto, Tagesgeldkonto, Kreditkarte und ein Wertpapierdepot. Ein Viertel der Sparrate – hier also 100 Euro – sollte auf das Tagesgeldkonto. Am besten per Dauerauftrag, kurz nachdem das Gehalt gekommen ist. Die übrigen 300 Euro – also 15 Prozent des Netto-Einkommens – sollte per Sparplan in einen weltweiten Aktien-ETF investiert werden – zum Beispiel auf den Weltaktienindex MSCI World. Damit investiert man in über 1.400 Aktien weltweit und streut das Risiko, hat aber Chancen auf eine gute Rendite. Einzelne Aktien sind nur sehr risikobereiten Leuten zu empfehlen.

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Die Ausgangslage ist bei jedem anders: Ein individueller Finanzierungsplan ist deshalb sinnvoll. © iStock | Cecilie_Arcurs

Die Verbraucherzentrale rät neben breit gestreuten ETF-Fonds und Tagesgeld auch zu gut verzinstem Festgeld. Individuell ist mittelfristig auch zu überlegen, ob in eine Immobilie investiert werden soll. Hier kann es sinnvoll sein, das nötige Eigenkapital für die Baufinanzierung in Festgeld anzulegen, so Klug. Schließlich kann es an den Börsen und damit auch für ETF-Fonds immer auch Rückschläge geben.   

Einige Banken und Finanzdienstleister bieten nicht nur ein Depot für Wertpapiere an. Sie investieren die Ersparnisse der Kunden in passende Wertpapiere. Das bedeutet: Der Kunden zahlt sein Geld nur ein. Alles Weitere übernimmt dann die Bank. Meist wird dem Kunden ein angepeilter Zinssatz genannt – dieser Service ist aber nicht kostenlos. Die Banken setzen entweder Gebühren an oder sie verdienen an den Wertpapiererträgen mit.

Trotzdem können solche Anlageformate interessant sein. Etwa für Sparer mit wenig bis keiner Wertpapiererfahrung. Wir haben uns an Markt umgeschaut:

  1. Das CashPlus-Konto von Unitplus*: Es wird als Alternative zum Tagesgeld beworben. Die Anlage erfolgt über den Kapitalmarkt. Über ein Portfolio wird die Wertentwicklung einer Einlage abgebildet.
  2. Das FestPlus von Unitplus* ist als Alternative zum Festgeld einzuordnen. Im Unterschied zu CashPlus erfolgt die Anlage als ETF – dieser bildet die Wertentwicklung von über 260 Unternehmen ab. Das Verlustrisiko ist also gering einzuschätzen
  3. Das Cash-Invest-Portfolio von quirion*: Investiert werden die Ersparnisse in Geldmarkt-ETFs mit einer kurzen Laufzeit. Die Bank verspricht eine Zinsentwicklung nah am Leitzins ung gibt eine Zinsrendite von aktuell 4,08 Prozent an.
  4. Die Guthabenzinsen von Trade Republic* und Scalable Capital* sind einem Tagesgeld am nächsten. Die Ersparnisse der Kunden werden nicht in Wertpapiere investiert. Stattdessen verzinsen die Broker das nicht investierte Guthaben.

Die Broker ausgenommen, investieren die genannten Alternativen zum Tagesgeld die Ersparnisse der Kunden in den Kapital- oder Geldmarkt – dadurch fallen die Renditen am Ende höher aus. Wegen der Streuung in viele verschiedene Wertpapiere – meist über ETFs – bleibt das Verlustrisiko gering. Theoretisch können Anleger auch selbst in solche Anlagen investieren und die Gebühren der Anbieter umgehen. Grundkenntnisse im Bereich Wertpapiere sind dafür aber Voraussetzung.

Was könnte bei monatlichen Anlagen von 100, 200 oder 500 Euro im Alter nach 35 Jahren herauskommen? 

Der MSCI World hat seit 1975 im Schnitt 8 Prozent Rendite jährlich gemacht. „Wir rechnen für die kommenden Jahre sicherheitshalber aber nur mit sechs Prozent Rendite“, rechnet der Finanzexperte Nefzger vor: „Macht bei 100 Euro pro Monat über 35 Jahre rund 138.000 Euro. Bei 200 Euro sind es schon rund 276.000 Euro, bei 500 sogar 690.000 Euro. Das Geld kann man dann schrittweise im Ruhestand entnehmen, während die restlichen ETF-Anteile weiter Rendite erwirtschaften.

Welche Anlageformen sollte man auf alle Fälle meiden?

Finger weg von Renten-Versicherungsprodukten, sagt die Verbraucherschützerin Klug. Kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen lohnen sich wegen hoher Vertriebs- und Verwaltungskosten und der geringen Rendite kaum, sagt auch Finanztip-Experte Nefzger. Man sollte seine Absicherung und die Geldanlage immer getrennt halten.

Klug warnt ausdrücklich vor dem Abschluss von Riester-Renten: „Die Kosten sind zu hoch und fressen die Renditen auf. Die Renten sind zu gering, nicht selten müsste man 100 Jahre alte werden, damit sich Riester rechnet. Es ist momentan eine Geldverbrennungsmaschine.“ Auch das DIA-Experte Morgenstern rät jungen Leuten von Rentenversicherungen ab.

Alle cleveren Tipps von Frau Klug

Selbst betriebliche Altersvorsorgen sind für junge Leute nicht immer empfehlenswert, sagt Klug: „Einerseits werden auch hier die teuren Lebensversicherungsprodukte verwendet, andererseits gibt es systemische Probleme. Die Verträge können nicht einfach zum nächsten Arbeitgeber mitgenommen werden. Schließt man bei jedem Arbeitgeber einen Vertrag ab, zahlt man immer wieder Abschluss- und Vertriebskosten.“ 

Finanztip rät zudem von aktiv gemanagten Fonds ab, da sie fast immer schlechter performen als passive Geldanlage per Aktien-ETF, sagt Nefzger. Außerdem fallen höhere Gebühren an.