Dortmund. Nach Abrechnungsskandal bei Stadtenergie zieht der Aufsichtsrat vorläufigen Schlussstrich. Jacoby folgt auf die geschasste Chefin Heim.
Die Dortmunder Stadtwerke DSW 21 wollen ihren Schaden in Höhe von rund 30 Millionen Euro, der aus dem Abrechnungsskandal rund um ihr Tochterunternehmen „Stadtenergie“ entstanden ist, teilweise aus dem Verkauf von Steag-Anteilen finanzieren. Das hat der Aufsichtsrat am Montagabend beschlossen.
Die Dortmunder Stadtwerke werden aktuell gleich von zwei Skandalen erschüttert, die mit der fristlosen Entlassung der bisherigen Vorstandsvorsitzenden Heike Heim ein erstes prominentes Opfer gefunden haben. Der Aufsichtsrat macht sie dafür verantwortlich, in ihrer Eigenschaft als Chefin der Energietochter DEW 21 auf dem Höhepunkt der Preiswelle im Spätsommer 2022 für den langen Zeitraum von drei Jahren Gas und Strom eingekauft zu haben. Diese Kontingente müssen die Stadtwerke nun zu deutlich niedrigeren Preisen an ihre Kunden verkaufen. Der Schaden, der dadurch entsteht, beziffern die Wirtschaftsprüfer von PwC auf bis zu 100 Millionen Euro.
Am Montag mussten die Aufsichtsräte der Dortmunder Stadtwerke ihre Sommerpause unterbrechen, um sich für eine Sondersitzung zusammenzuschalten. Ob dabei auch über die teure Beschaffungspolitik geredet wurde, blieb zunächst offen.
DSW 21 enstand durch Stadtenergie ein Schaden von 46 Millionen Euro
Neuigkeiten gibt es dagegen bei Skandal Nummer zwei, der das erst im Jahr 2020 als Start-up gegründete Tochterunternehmen „Stadtenergie“ betrifft. Als Onlineanbieter hat es bundesweit Ökostrom verkauft, dabei aber rote Zahlen geschrieben. Im Frühjahr wurde ein leitender Mitarbeiter freigestellt, weil er die Abrechnungssoftware manipuliert haben soll. Die Folge: Rund 40.000 Haushalte bezahlten zu viel für ihren Ökostrom und müssen nun entschädigt werden. Geschätzter Schaden: 74 Millionen Euro inklusive der Rückzahlungen an die geschädigten Kunden. Ein Fall, der inzwischen auch bei der Staatsanwaltschaft liegt. Heike Heim, deren Baby die „Stadtenergie“ gewesen sein soll, hatte beteuert, von den Manipulationen nichts gewusst zu haben.
Am Montag verabschiedete der Aufsichtsrat den Jahresabschluss für 2023. Darin ist für die Konzernmutter DSW 21 ein Schaden in Höhe von 46 Millionen Euro aus dem „Stadtenergie“-Skandal ausgewiesen. Als Folge muss die DSW 21 auf die eingeplante Ergebnisabführung von der Energietochter DEW 21 in Höhe von 30 Millionen Euro verzichten und zudem für DEW21 die Garantie-Dividende an deren kleineren Gesellschafter Westenergie in Höhe von 11,7 Millionen Euro übernehmen. „Dies wird zum Teil durch ein Vorziehen von 30,0 Millionen Euro aus dem Steag-Verkaufserlös in die Bilanz 2023 kompensiert“, heißt es umständlich in einer schriftlichen Erklärung.
Im Interview mit unserer Redaktion hatten die Grünen unlängst nach Mitwissern beider Skandale gefragt und gefordert, dass der entstandene Schaden nicht aus Steuermitteln beglichen wird. Als Nachfolger von Heike Heim an der Spitze von DSW 21 hat der Aufsichtsrat wie erwartet den bisherigen Finanzvorstand Jörg Jacoby bestellt. Der Vorstand werde dauerhaft wieder nur drei Sitzen haben, hieß es.
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