Duisburg. Im Ringen um die Stahlsparte von Thyssenkrupp warnt ein führender Grüner sogar vor einer Insolvenz. Betriebsrat bei Parteitag erwartet.
Ein führender Grünen-Politiker macht Stimmung gegen den Einstieg des tschechischen Geschäftsmanns Daniel Kretinsky bei Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel. Er habe Zweifel an der Strategie von Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López, der Kretinsky mit seinem Unternehmen EPCG als starken „Energiepartner“ für den Ruhrgebietskonzern sieht. „An diese Erzählung einer Energiepartnerschaft glaube ich, offen gesagt, nicht“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. „Das zentrale Interesse an dem EPCG-Einstieg ist aus meiner Sicht, dass überhaupt jemand einsteigt – und damit der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ausläuft. Damit endet absehbar auch die Verantwortung des Gesamtkonzerns für die Finanzierung der Stahlsparte, also auch für den Ausgleich von Defiziten.“ Doch gerade jetzt, in einer Phase, in der Thyssenkrupp Steel so umgebaut werden solle, dass sich das Unternehmen „zukünftig selbst tragen“ könne, werde „es dafür eine ganze Menge Kapital brauchen“, merkt Banaszak an.
Angesichts des Einstiegs von Kretinsky tobt bei Thyssenkrupp derzeit ein Kampf um die finanziellen Mittel im Konzern. Die IG Metall sieht erheblichen Finanzbedarf in der Stahlsparte, wenn das Geschäft mit rund 27.000 Beschäftigten und großen Werken in NRW aus dem Konzernverbund mit insgesamt etwa 100.000 Arbeitsplätzen herausgelöst wird.
„Von Herrn Kretinsky ist bislang nicht überliefert, dass er das Geld einzubringen gedenkt, das die Stahlsparte jetzt braucht“, sagt Banaszak. „Es kommt also auf den Mutterkonzern an.“ Er habe den Eindruck, dass die Thyssenkrupp-Eigner „die derzeit defizitäre Stahlsparte aus den Konzernbilanzen verschwinden lassen“ wollen. „Vorstand und Aufsichtsrat müssen jetzt aufpassen, dass der Preis nicht zu hoch wird“, mahnt der Abgeordnete aus Duisburg in diesem Zusammenhang. Denn ohne tragfähiges Finanzierungskonzept für die nächsten Jahre „droht auf kurz oder lang die Insolvenz“, so Banaszak. „Tun die Verantwortlichen alles, um ein solches Szenario zu verhindern?“
Mit Blick auf Kretinsky sagt der Abgeordnete, „dass selbst optimistische Prognosen gar nicht davon ausgehen, dass EPCG 2030 schon ausreichend große Mengen Grünstrom produzieren wird, um den hohen Bedarf von Thyssenkrupp Steel zu decken“. Und: „Viel spricht dafür, dass Herr Kretinsky den Strom zu Marktpreisen weitergeben wird und nicht zum Freundschaftspreis.“
„Es braucht Kapital für die Transformation“
Der Umbau von Thyssenkrupp Steel ist ein kostspieliges Unterfangen: Für den Aufbau der geplanten Produktion von klimafreundlichem Stahl mit einer ersten DRI-Anlage in Duisburg soll Thyssenkrupp Steel rund zwei Milliarden Euro vom Staat erhalten. Davon kommen voraussichtlich rund 1,3 Milliarden Euro aus der Kasse des Bundes. NRW will bis zu 700 Millionen Euro beisteuern – die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes. Die Eigeninvestitionen für das Vorhaben seitens Thyssenkrupp liegen Unternehmensangaben zufolge bei knapp einer Milliarde Euro. Doch damit gibt es erst für einen von vier Hochöfen von Thyssenkrupp Steel ein Nachfolgemodell.
„Es braucht Kapital für die Transformation, denn mit dem Bau einer ersten Direktreduktionsanlage in Duisburg-Walsum ist der Umbau zur Klimaneutralität bei weitem nicht abgeschlossen“, sagt Banaszak. Er sitzt als Abgeordneter für die Grünen im Haushalts- und im Wirtschaftsausschuss des Bundestags. Von 2018 bis zu seinem Wechsel nach Berlin hat der Duisburger gemeinsam mit der jetzigen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur die Grünen in NRW geführt. Sein Wort hat also Gewicht in seiner Partei, die mit Robert Habeck auch den Vizekanzler stellt.
Tekin Nasikkol soll bei Landesparteitag in Oberhausen sprechen
Die Grünen in NRW wollen sich am Samstag (29. Juni) auch bei ihrem Landesparteitag in Oberhausen mit der Lage bei Thyssenkrupp befassen. Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol wird als Gastredner erwartet.
Der Zwei-Milliarden-Förderbescheid sei „kein Blankoscheck, sondern an Bedingungen geknüpft“, betont Banaszak. „Der Staat wird öffentliche Gelder nur dann bereitstellen können, wenn die Unternehmensstrategie erwartbar macht, dass die Ausgaben sich auch lohnen. Eine staatlich mitfinanzierte Investitionsruine in Duisburg wäre eine große Hypothek für den gesamten Umbau der Stahlindustrie. Es braucht jetzt Klarheit über den angestrebten weiteren Weg.“
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