Essen. Die Krupp-Stiftung mit Ursula Gather an der Spitze stützt bei Thyssenkrupp den Kurs von Konzernchef López. Massive Kritik wird laut.
Die Krupp-Stiftung mit Ursula Gather an der Spitze hat sich schnell und eindeutig positioniert. Als größte Anteilseignerin von Thyssenkrupp unterstützt sie den umstrittenen Kurs von Vorstandschef Miguel López und lobt den Einstieg des tschechischen Geschäftsmanns Daniel Kretinsky in der traditionsreichen Stahlsparte des Unternehmens. Damit zieht die Stiftung zunehmend Kritik von Arbeitnehmervertretern auf sich.
Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol verortet Stiftungschefin Gather klar auf der Seite von Vorstandschef López, dem die Arbeitnehmervertreter vorwerfen, er missachte beim Kretinsky-Deal die Interessen der Beschäftigten. „Die Anteilseigner im Aufsichtsrat haben die Mitbestimmung in einer wegweisenden Entscheidung komplett ignoriert“, sagt Nasikkol. „Mit zur Wahrheit gehört auch: Die Krupp-Stiftung und Frau Gather als Vorsitzende unterstützen López‘ Kurs ohne Wenn und Aber.“
Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp ist, kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Ursula Gather sei in der aktuellen Situation mit der Stiftung „die große Verbündete von Herrn Lopez“, sagt Kerner unserer Redaktion. „Sie hat sich klar positioniert: Sie steht bei Herrn López und nicht bei den Mitarbeitern. Die Maske ist gefallen.“ Das werde auch in der Belegschaft so registriert, berichtet Kerner. „Die Beschäftigten sind sehr enttäuscht von der Stiftung. Für sie war die Stiftung der Garant für sichere Arbeitsplätze und den Zusammenhalt im Unternehmen. Sie nehmen nun wahr, dass das nicht mehr so ist.“
Krupp-Stiftung: „Großes Vertrauen in den Vorstand um Miguel López“
Schon am 26. April, als sich López überraschend via Telefonkonferenz zum Einstieg des tschechischen Geschäftsmanns zu Wort meldete, zeigte sich die Krupp-Stiftung erfreut und signalisierte dem Konzernchef Rückendeckung. Sie habe „großes Vertrauen in den Vorstand um Miguel López“, erklärte die Großaktionärin in einer Mitteilung. Stiftungschefin Gather hat sich in den vergangenen Wochen zwar selten öffentlich zur Lage des Unternehmens geäußert, sie lässt aber durchaus ihre Ziele erkennen: López soll den Konzern mit seinen rund 100.000 Beschäftigten so aufstellen, dass er wieder Gewinn abwirft. Thyssenkrupp müsse „wettbewerbs- und dividendenfähig“ werden.
Die Stiftung und der Konzern sind eng miteinander verbunden. Die Thyssenkrupp-Aktien – immerhin ein Anteil von 21 Prozent – sind das gesamte Vermögen, das die Stiftung hat. Um ihre Aktivitäten finanzieren zu können, ist die Stiftung daher auf eine Dividende angewiesen. Doch fünf Mal seit dem Jahr 2011 musste sie eine Nullrunde hinnehmen. „Die Dividende ist die Grundlage unserer Existenz“, mahnt Michaela Muylkens, die seit knapp einem Jahr im Vorstand der Krupp-Stiftung ist.
Dividende trotz eines Verlustjahres bei Thyssenkrupp
Obwohl Thyssenkrupp in die Verlustzone gerutscht ist, beschlossen die Anteilseigner bei der Hauptversammlung Anfang des Jahres mit Unterstützung der Stiftung, dass eine Dividende fließen soll. Wie im Vorjahr ging es um rund 93 Millionen Euro. Etwa 19,6 Millionen Euro davon kamen der Krupp-Stiftung zu, die auf dem Gelände der Essener Villa Hügel residiert.
Seit 1968 fördert die gemeinnützige Stiftung, in der das Vermögen des Essener Industriellen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (1907-1967) aufgegangen ist, Projekte in Kunst und Kultur, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Sport und hat dafür bislang nach eigenen Angaben im Laufe der Jahre mehr als 680 Millionen Euro in die Hand genommen.
Nach wie vor hat kein anderer Investor mehr Anteile an Thyssenkrupp als die Stiftung, doch der Aktienbesitz ist seit 1968 erheblich geschrumpft. Aus einer 100-Prozent-Beteiligung an der Essener Firma Krupp ist im Laufe der Jahre ein rund 21-prozentiger Anteil am heutigen Stahl- und Industriegüterkonzern geworden. Durch die Übernahme von Hoesch und die Fusion mit Thyssen sank das Gewicht der Stiftung im Unternehmen merklich. Hinzu kamen Kapitalerhöhungen, an denen sich die Ankeraktionärin nicht beteiligte.
Durch den Wertverfall der Thyssenkrupp-Aktie ist das Vermögen der Stiftung rapide geschrumpft. Lag die Aktie Anfang 2018 noch bei mehr als 25 Euro, stürzte sie zuletzt auf etwas mehr als vier Euro ab.
Einfluss im Konzern als größte Einzelaktionärin
Der Einfluss der Stiftung im Thyssenkrupp-Konzern mit seinen rund 100.000 Beschäftigten ist gleichwohl groß. Auf Hauptversammlungen des Unternehmens hat sie durch ihren Aktienbesitz eine Art Veto-Recht. Mit ihren zwei Vertretern im Aufsichtsrat hätte die Stiftung gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern die Mehrheit im wichtigsten Kontrollgremium. Seit 2018 ist Stiftungschefin Ursula Gather Aufsichtsratsmitglied. Dass sie Vorstandschef López – ebenso wie Gremienchef Siegfried Russwurm – ihre Unterstützung signalisiert, dürfte den Manager darin ermutigen, seine Umbaupläne in die Tat umzusetzen.
Eine Verpflichtung, einen Verkauf der Stahlsparte oder eine Zerschlagung des Konzerns aufgrund ihrer Satzung verhindern zu müssen, sieht die Stiftung nicht. Die Vorgabe, „die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren“, sei zwar der Wunsch des Stifters Alfried Krupp von Bohlen und Halbach gewesen, der sich auch in seinem Wortlaut in der Präambel der Satzung wiederfinde. Aber: „Zur Erlangung der Gemeinnützigkeit hatte sich dieser Wunsch den Satzungszwecken unterzuordnen“, betont die Stiftung.
Der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel, der heute für die Gewerkschaft als Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel agiert, blickt kritisch auf die Stiftung. „Wir reden hier von einer Stiftung, die sich gemeinwohlorientiert nennt. Ich sehe aber vor allem, dass sie kulturelle Aktivitäten fördert und dafür das Geld aus Thyssenkrupp-Dividenden einsetzen will“, sagt Wetzel. „Ich finde, es wird der Verantwortung der Stiftung nicht gerecht, die kulturellen Interessen über das Schicksal der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Familien zu stellen.“
IG Metall: „Es geht ums Geld für die Projekte der Stiftung“
Jürgen Kerner, der Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, kommt zu der Einschätzung: „Den Verantwortlichen der Stiftung geht es offenbar nicht mehr um die Menschen im Unternehmen. Es geht ums Geld für die Projekte der Stiftung.“
Auch mit Blick auf das Führungspersonal von Thyssenkrupp habe Stiftungschefin Gather „einen schlechten Instinkt bewiesen“, urteilt Wetzel. „Immer, wenn ein Vorstand Frau Gather eine Dividende versprochen hat, ist er gelobt worden“, sagt er. „Das war bei Heinrich Heisinger so – und bei Martina Merz nicht anders. Leider hat Frau Gather damit immer nur erfolglose Managerinnen und Manager unterstützt.“
In ihrem Statement zum Kretinsky-Deal lässt die Krupp-Stiftung erkennen, dass sie Kritik der Arbeitnehmervertreter nicht nachvollziehen kann. Als größte Anteilseignerin habe sie das Unternehmen „immer auch in herausfordernden Zeiten und im Interesse der Belegschaft unter Zurückstellung ihrer eigenen Interessen begleitet“, hebt die Stiftung in der kurzen Stellungnahme hervor.
Ein Ringen um die knappen finanziellen Mittel bei Thyssenkrupp ist nicht neu. Viele im Konzern haben die Diskussion rund um den „Elevator-Deal“ vor vier Jahren nicht vergessen, als zwischenzeitlich eine Sonderdividende nach dem Verkauf der lukrativen Aufzugsparte für rund 17 Milliarden Euro angedacht worden war. Wenn nur ein Prozent davon an die Anteilseigner geflossen wäre, hätten der Stiftung etwa 35 Millionen Euro zugestanden. Doch dazu kam es nicht – auch auf Druck der IG Metall.
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