Berlin. Fahrräder und E-Bikes werden aktuell zu besonders günstigen Preisen angeboten. Warum das so ist und welche Räder einen Hype erleben.
Klopapier und Hefe, Puzzles und Haushaltsgeräte: Während Corona und der verschiedenen Lockdowns waren bestimmte Produkte besonders gefragt. Eines davon: das Fahrrad. Oft mussten sich Käufer wochen- oder gar monatelang gedulden, ehe sie auf der Warteliste nach vorne rückten und endlich ein neues Bike ihr Eigen nennen durften. Von diesem Trend ist in der Fahrradbranche nicht mehr viel zu spüren.
Eng an eng stehen derzeit Räder in Fahrradshops. Viele Fahrräder sind noch Modelle aus dem Vorjahr, manche sind sogar noch älter. Fahrradhändler locken Kunden mit Sale-Aktionen und Lagerverkäufen. Und auch online sieht es nicht anders aus: Nicht selten gibt es Rabatte von 30 oder sogar 50 Prozent.
Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) als Interessenvertretung der deutschen Fahrradbranche hat für das Gesamtjahr 2023 noch keine finalen Zahlen ausgewertet. Auf Anfrage erklärte ein Pressesprecher: „Richtig ist allerdings, dass das Marktumfeld und die Bedingungen 2023 schwierig blieben und wohl noch eine Weile schwierig bleiben werden.“
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Zahlen aus dem Sommer sehen mau aus
Das zeigt auch eine ZIV-Zwischenbilanz aus dem Sommer – und die war alles andere als euphorisch. So seien in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 rund 830.000 Fahrräder verkauft worden – ein Rückgang von 20 Prozent im Vergleich zu den ersten fünf Monaten des Vorjahres. Und auch bei E-Bikes sieht es kaum anders aus: 850.000 Stück wurden zwischen Januar und Mai 2023 verkauft – 12 Prozent weniger als noch 2022.
Die Corona-Pandemie hatte Fahrrädern einen unvorhersehbaren Hype verpasst. Keiner wollte mehr Bus oder Bahn fahren. Alle wollten und mussten an die frische Luft. Die Konsequenz: ein reißender Absatz. Gleichzeitig waren Lieferketten wegen der Pandemie oft unterbrochen, Ersatzteile für kaputte Räder konnten nicht oder nur verspätet geliefert werden. Viele Händler entschieden sich, ihre Bestände und Bestellungen aufzustocken.
Die Lager waren schließlich voll mit alten und neuen Modellen, die Händler bereit, diese zu verkaufen – doch dann brach in der Ukraine der Krieg aus und in Deutschland folgte eine Inflation. Fahrräder standen plötzlich nicht mehr auf dem Einkaufszettel der Deutschen.
Vor diesen Problemen steht die Fahrradbranche
Die gesunkene Nachfrage stellt viele Fahrradhändler jetzt vor ein Problem. Denn die Lager sind voll. Gleichzeitig sind die Wintermonate, also die Zeit, in der kaum Fahrrad gefahren wird, traditionell die Monate, in denen mit Rabatt-Aktionen die Räder der vergangenen Saison günstiger abgestoßen werden. Schließlich braucht es Platz für die neuesten Modelle.
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Entsprechend niedrig sind die Preise – und davon können Käufer jetzt profitieren. Allerdings gehen insbesondere E-Bikes oft trotzdem noch ins Geld, Spontankäufe sind eher unwahrscheinlich. Dafür gibt es laut ZIV auch keinen Anlass, der Verband rechnet zumindest kurzfristig nicht mit einer Verbesserung von Marktumfeld und Bedingungen.
Wer aber ohnehin über ein neues Rad nachdenkt, sollte nicht zu lange zögern. „Mittelfristig werden die Überbestände abgebaut sein und auch die Nachfrage wird wieder anziehen“, sagt der ZIV-Sprecher dieser Redaktion. Auch die Unternehmen würden an Innovationen arbeiten. Er sagt: „Generell gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, an der weiteren Erfolgsgeschichte des Fahrrads und E-Bikes zu zweifeln.“ Sollten diese Prognosen eintreffen, wird sich der Fahrradmarkt erholen und auch die Preise werden wieder anziehen.
So viele E-Bikes und Fahrräder sind in Deutschland unterwegs
Die Deutschen kaufen und fahren insbesondere E-Bikes mehr und mehr. 2017, so zeigen ZIV-Zahlen, wurden in Deutschland 3,9 Millionen Fahrräder verkauft, 700.000 davon E-Bikes. 2019 waren es 4,3 Millionen Räder, der Anteil der elektrischen betrug 1,4 Millionen. Im Rekordjahr 2020 verkauften Händler 5 Millionen Fahrräder, davon waren 2 Millionen E-Bikes. In den Folgejahren ging der Verkauf von Fahrrädern zwar zurück (2021: 4,7 Millionen und 2022 4,6 Millionen), der Absatz von E-Bikes jedoch nicht. 2021 wurden wie schon 2020 2 Millionen verkauft, 2022 dann 2,2 Millionen.
2022 gab es insgesamt 9,8 Millionen E-Bikes in Deutschland. 5,3 Millionen mehr als 2018. Insgesamt sind auf deutschen Straßen 82,8 Millionen Fahrräder unterwegs. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2019 gab es eine Zunahme um 6,9 Millionen Stück. Und E-Bikes werden laut ZIV meist über längere Strecken benutzt als unmotorisierte Räder: durchschnittlich 1500 bis 2000 Kilometer pro Jahr.
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Längst hat sich die Fahrradindustrie auf die Produktion lukrativer E-Bikes eingestellt. Dank des hohen E-Bike-Anteils hat sich der Umsatz der Branche binnen zehn Jahren auf 7,4 Milliarden Euro fast vervierfacht. Der Trend zum E-Bike geht quer durch alle Kategorien. Sportliche Räder wie Gravel- und Mountainbikes mit Motor sind gefragt, Lastenräder ohnehin. Bei Mountainbikes etwa sind laut ZIV bereits 90 Prozent der verkauften Räder elektrifiziert. Der Trend zu technisch hochwertigen und damit auch teureren Rädern wird insbesondere von Diensträdern angetrieben. Übrigens: Seit 2014 hat sich die Zahl der in Deutschland produzierten E-Bikes fast versechsfacht: von 310.000 auf 1,72 Millionen Stück im Jahr 2022.